Schließungen, Leerstände, VerkehrsversuchWas sich Händler für die Venloer Straße in Ehrenfeld wünschen

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An einer Straße liegen die Filialen von Rossmann, Tchibo und Apollo direkt nebeneinander, vor den Ladenlokalen parken Autos auf dem Parkstreifen an einer Straße.

Die Tchibo-Filiale schloss am 12. September 2022.

Die Venloer Straße hat sich in den vergangenen Jahren stetig verändert – zum Unmut einiger Geschäftsleute.

Die Tchibo-Filiale auf der Venloer Straße ist weg. Schon am 12. September war dort der letzte Verkaufstag. Der Hamburger Handelskonzern war in diesem Jahr wegen steigender Rohwaren-, Energie- und Frachtkosten bei einem Verlust von 167 Millionen Euro gelandet. Ein weiterer Grund für das schlechte Ergebnis war auch die Tatsache, dass der geplante Umsatz im Handelsgeschäft abseits von Lebensmitteln „aufgrund der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung der Kundinnen und Kunden nicht realisiert“ worden war. Entsprechend höhere Lagerbestände belasteten somit das Ergebnis, teilte die Deutsche Presseagentur im August mit.

Die Ehrenfelder Filialschließung habe jedoch nichts mit der Gesamtsituation des Kaffeerösters zu tun, so Tchibo-Sprecherin Helen Rad auf Anfrage. Der Mietvertrag sei ausgelaufen. „Unsere Kundinnen und Kunden finden unser Angebot aber weiterhin in den 13 weiteren Filialen in Köln sowie zahlreichen Verkaufsstellen in Supermärkten.“

Tchibo-Nachmieter in Köln-Ehrenfeld bietet auch Kaffee an

Manch eine Ehrenfelderin bedauert den Weggang des Kaffeeladens mit Non-Food-Sortiment, habe dieser doch auf dem Abschnitt zwischen Philippstraße und Gürtel zu einem der attraktiveren Geschäfte gehört. „Es gibt dort sonst ja fast nur noch Ein-Euro-Läden und Dönerbuden“, so eine Nachbarin, die ihren Kaffee in Zukunft anderswo kaufen muss.

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Eine Frau mit blondem langen Haar steht hinter einem Verkaufstresen, auf dem Behälter mit Protein-Pulver stehen.

Christina Dunska ist Filialleiterin im Vitalia-Fitness-Shop, der in die leere Tchibo-Filiale zog.

Immerhin: Coffee-to-go aus der Maschine gibt es weiterhin. Der Fitness-Shop Vitalia zog nahtlos in das Ladenlokal zwischen Rossmann und Apollo-Optik. Statt Haushaltswaren, Damenbekleidung oder Dekoartikeln ziert jetzt ein Motorrad das Schaufenster. Drinnen bei Filialleiterin Christina Dunska gibt es jetzt Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate, Proteinriegel und Ähnliches. „Klar, die Schaufenster-Dekoration richtet sich vor allem an Männer, aber wir haben auch Produkte für Frauen“, sagt Dunska.

Bunt Buchhandlung seit 2002 an der Venloer Straße in Köln-Ehrenfeld

Den Abschied von Tchibo bedauert auch Axel Stadtländer, der mit seiner Bunt Buchhandlung seit 2002 an der Venloer Straße ansässig ist. „Das war ein guter Laden mit einer guten Auswahl“, sagt der Buchhändler, der im Jahr 1991 auf der Ehrenstraße begann. Als dort das Haus verkauft wurde und sich die Miete für sein Ladenlokal vervierfachte, kam er mit dem Hauptgeschäft nach Ehrenfeld. An der Breite Straße betreibt er noch das „Moderne Antiquariat“. An der Venloer Straße wiederholt sich nun das Phänomen: „Die Ladenmieten sind hier oft dermaßen hoch, dass sich nur noch Gastro-Betriebe ansiedeln, die hohe Margen erzielen können.“

Ein Mann mit grauem Haar und Brille steht vor einem Bücherregal.

Axel Stadtländer in seiner Bunt Buchhandlung

Was fehle, sei dagegen das eine oder andere hochwertigere Geschäft, wie etwa ein Kindermodeladen. Doch solche inhabergeführten Geschäfte könnten sich die Mieten nicht leisten und wichen in die Seitenstraßen aus, glaubt Stadtländer. An der Rothehausstraße etwa führte Sabine Berndt jahrelang ihren Modeladen „Rock it baby“, in dem sie eigene Entwürfe anbietet. Vor einigen Jahren zog sie mit einem erweiterten Sortiment auf die andere Seite der Venloer Straße in die Philippstraße, insgesamt gibt es ihr Geschäft seit 18 Jahren.

Modeladen „Rock it baby“ zog in die Philippstraße in Köln-Ehrenfeld

„Ich musste mal eine andere Hauswand gegenüber sehen“, scherzt die gebürtige Sauerländerin. Ihr Mann Achim Schmitz betreibt seit 2008 die „Herrenbude“ an der Rothehausstraße 4. In dem Haus leben sie auch. Auf die Venloer Straße umzuziehen, käme für beide aktuell nicht infrage. „Dort herrscht eine eklatante Diskrepanz zwischen Ladenmieten auf der einen und Attraktivität auf der anderen Seite“, formuliert es Schmitz, der hochwertige Herrenmode anbietet, vom rahmengenähten Kalbslederschuh bis zum maßgefertigten Anzug.

Ein leerstehendes Ladenlokal, dessen Schaufenster beklebt sind, ist zu sehen. Der Schriftzug Blumen Britz prangt oben über dem Eingang.

Blumen Britz steht schon seit Weihnachten 2022 leer.

Der heutige Händler-Mix auf der Venloer Straße zwischen Piusstraße und Gürtel ist seiner Meinung nach auf die Veränderungen durch den U-Bahn-Bau in den 80er-Jahren und ein verändertes Einkaufsverhalten der Bewohner und Besucher des Viertels zurückzuführen. „Damals schlossen viele ihre höherwertigen Läden, weil die Baustelle geschäftsschädigend war.“ Die neuen Betreiber legten anschließend nicht so viel Wert auf ein stimmiges Gesamtbild der Ehrenfelder „High Street“, vermuten er und seine Frau. So verschwanden Geschäfte wie das Modehaus Walpott, der Haushaltswaren-Laden Faßbender, die Bäckerei Binz oder die Metzgerei Kotulla. Eine Boutiquen-Straße, wie es etwa die Dürener Straße in Lindenthal ist, sei auf der Venloer, zumindest in dem Abschnitt, nicht mehr als ein frommer Wunsch.

Eine Frau in mittleren Jahren mit kurzem Haar und weißem Kittel über einem gestreiften Pulli steht vor einem Regal mit Arzneimitteln.

Anne Pfeiffer aus der Engel-Apotheke beobachtet seit 30 Jahren das Treiben auf der Venloer Straße.

Einen Blumenladen wünscht sich derweil Anne Pfeiffer, die die Engel-Apotheke direkt gegenüber von dem neuen Fitness-Shop im ehemaligen Tchibo führt. „Der Blumenladen Britz neben dem Merzenich hat schon um Weihnachten zugemacht, dort ist immer noch Leerstand.“ Immerhin erhofft sie sich von der Einbahnstraßen-Regelung, die ab dem 23. Oktober greifen wird, dass sich der Irrsinn vor ihrer Tür entspannt. „Ich kann die vielen Polizeieinsätze hier gar nicht mehr zählen, die Unfälle mit Autofahrern und Radfahrern haben ja seit Beginn des Verkehrsversuchs enorm zugenommen.“

Weniger Chaos auf der Venloer, dafür mehr Verkehr in den Nebenstraßen, das befürchtet das Ehepaar Schmitz und Berndt, wenn die Einbahnstraßenregelung am 23. Oktober kommt. „Aufgrund der Verkehrssituation auf der Venloer Straße brettern schon jetzt viele genervte Autofahrer mit erhöhter Geschwindigkeit durch die Rothehausstraße“, sagt Berndt, die fast nur noch mit Ohrstöpseln schlafen kann.

Sie beobachtet eine wachsende Unachtsamkeit und Rücksichtslosigkeit im Viertel: Nächtliche Wildpinkler in den spärlich beleuchten Seitenstraßen und unaufmerksame Hundebesitzer, die ihre Vierbeiner in Haus- und Ladeneingänge pinkeln lassen, da sie beim Gassigehen von ihrem Smartphone abgelenkt sind. „Für die Verkehrssituation gibt es wahrscheinlich keine gute Lösung für alle Beteiligten“, ist Berndt überzeugt. „Alles wäre einfacher mit mehr gegenseitiger Rücksichtnahme.“

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