Die Kölner Drogenszene verlagert sich nach Ehrenfeld. Besorgte Bürgerinnen und Bürger forderten Lösungsansätze bei einem Infoabend.
Infoabend in St. JosephAnwohner sorgen sich über Drogenszene in Ehrenfeld

Der Redebedarf war groß: Etwa 250 bis 300 Menschen hatten sich in St. Joseph versammelt.
Copyright: Hans-Willi Hermans
Ein Anwohner erzählt von zwei älteren Damen, die mit dem Bollerwagen vor St. Joseph anrückten und die Drogensüchtigen mit Essen versorgten. Ein Vater schlägt Alarm: „Wir sind in Gefahr“, warnt er und berichtet, seine Tochter sei vor der Kirche schon angespuckt worden. Ein Nachbar erzählt von Eltern, die sich kaum trauten, ihre Pänz morgens in den Kindergarten gegenüber der Kirche zu bringen, andere haben beobachtet, wie auf den Spielplätzen Wahlenstraße und Philippstraße gedealt wurde. Aber immer wieder werden auch menschlicher Umgang, Mitleid und Solidarität mit den Suchtkranken angemahnt, wird deren Stigmatisierung kritisiert.
Sehr unterschiedliche Meinungen und Beobachtungen sind beim ersten Info- und Gesprächsabend zur Drogenszene, die in den vergangenen Monaten rund um St. Joseph und die Haltestelle „Körnerstraße“ entstanden ist, zur Sprache gekommen. Etwa 250 bis 300 Menschen hatten sich im Gotteshaus an der Venloer Straße versammelt, jede Wortmeldung wurde mit viel Applaus bedacht. Häufig hatte man den Eindruck, dass ganz gegensätzliche Ansichten und Befindlichkeiten Beifall von der Mehrheit erhielten. Das Problem ist komplex, mancher tut sich schwer, eindeutig Stellung zu beziehen.
Drogenszene in Ehrenfeld – Stadt verweist auf schnelle Reaktion und Kontrollen
Sehr verbreitet war der Wunsch nach Informationen zu „konkreten ersten Schritten“, wie man das Problem „in den Griff kriegen könnte“, wie der Moderator des Abends und ehemalige „Phönix“-Redakteur Michael Krons formulierte. In dieser Hinsicht allerdings hatten die versammelten Vertreter von Ämtern und Institutionen nicht viel zu bieten. „Dies ist auch nur ein Auftakt, eine erste öffentliche Veranstaltung für die Bürger, weitere werden folgen“, beruhigte Bezirksbürgermeister Volker Spelthann die angespannten Gemüter.
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Die Kirche St. Joseph auf der Venloer Straße in Ehrenfeld.
Copyright: Alexander Schwaiger
Auch Florian Westerhausen vom Ordnungsamt trat dem Eindruck entgegen, die Konflikte mit Passanten, der Gestank nach Fäkalien, seien erst kürzlich als Problem erkannt worden. Schon ab Oktober 2024, als die verschärften Kontrollen der Drogenszene in der Innenstadt begannen, seien erste Beschwerden über die teilweise Verlagerung der Szene nach Ehrenfeld eingegangen. Das Ordnungsamt habe reagiert, Kooperationsstreifen mit der Polizei organisiert, Druck ausgeübt, etwa mit bislang „insgesamt 386 Schwerpunktkontrollen.“
Auch hätten schon im Frühjahr Gespräche bei Spelthann unter Beteiligung von Gewerbetreibenden und der Kirchengemeinde stattgefunden. Konkrete Ergebnisse könne man auch vorweisen, so reinigten die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) diesen Bereich nun täglich, bei Bedarf sogar häufiger. „Das ging alles vergleichsweise wahnsinnig schnell“, betonte Westerhausen.
Spelthann warnt vor Belastung der Stadtteile – Polizei: „Sie werden nicht allein gelassen“
Allerdings sei nun eine Grenze erreicht, „eine weitere Intensivierung der Kontrollen ist absolut nicht möglich“, man sei personell am Limit und dürfe andere Orte im Bezirk nicht vernachlässigen, so Westerhausen. Mareike de Valck, Leiterin der Polizeiinspektion 3, hat ganz ähnliche Probleme: „Sie werden nicht allein gelassen“, versicherte sie den Besuchern, „rufen Sie uns an, lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig.“ Die Polizei werde dann so schnell vor Ort sein wie möglich: „Aber wenn ein Unfall passiert, müssen wir das priorisieren.“ Selbstverständlich werde man bei Straftaten einschreiten, wie dem Dealen mit illegalen Drogen. Durchgreifende Verbesserungen seien damit aber nicht zwangsläufig verbunden – verhaftete Dealer würden meist umgehend ersetzt.

Teile der Crack- und Obdachlosenszene vom Neumarkt haben sich vor die Kirche St. Joseph auf der Venloer Straße in Ehrenfeld verlagert.
Copyright: Alexander Schwaiger
Florian Römer, Bereichsleiter für Fahrgastsicherheit bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB), weiß, dass die verstärkte Anwesenheit von Suchtkranken auf der Zwischenebene der Haltestelle viele Fahrgäste schon angesichts der Enge des Raums verunsichert. Deshalb erteile das KVB-Personal bei Ordnungswidrigkeiten auch rasch Verweise: „Aber damit verdrängt man das Problem nur. Man muss den Betroffenen eine Alternative anbieten, einen Ort, wo sie hingehen können.“
Einige Besucher schlugen vor, für die Suchtkranken „Hütten mit Sanitäranlagen“ aufzustellen, oder eine Toilettenanlage in der Haltestelle zu öffnen. Doch die Experten warnten: Toiletten würden für Drogengeschäfte missbraucht und seien meist nach wenigen Tagen ramponiert. Auch von einer Versorgung mit Essen oder Geldspenden für Bettler riet Stefan Lehmann, Leiter des Aufsuchenden Suchtclearings (ASC) beim Gesundheitsamt, ausdrücklich ab: „Das spricht sich herum und zieht noch mehr Drogenkranke an. Damit verstetigen Sie die Szene weiter.“
Die Frage in Ehrenfeld lautet nun, ob man sich auf eine dauerhafte Präsenz der Szene im Stadtteil einrichten muss. Möglicherweise sogar inklusive eines Drogenkonsumraums? Bezirksbürgermeister Spelthann jedenfalls glaubt nicht, dass der Stadtrat seinen Plan, die Drogenszene aus der Innenstadt zu verdrängen, so schnell aufgeben wird – auch wenn das auf Kosten anderer Stadtteile geht. Möglicherweise müsse von dort Druck kommen, damit ein gesamtstädtisches Konzept zum Umgang mit der Szene erarbeitet wird. „Gespräche mit anderen Bezirksbürgermeistern in Kalk oder Mülheim zum Beispiel wären sinnvoll, um zu klären, ob die ähnliche Probleme haben wie wir.“
Hilfe bei Problemen mit Suchtkranken erhalten die Bürger etwa bei der Polizei unter 0221 229-0 (Einsatzleitzentrale), unter 0221 229 4330 (Polizeiwache Ehrenfeld) oder unter 110 (Notrufnummer). Das Ordnungsamt hilft unter Telefon 0221/221 32 000. Praktische Tipps des ASC, wie man etwa mit hilflosen Personen im öffentlichen Raum, dem Fund von Spritzen oder dem Beobachten von Straftaten umgeht, findet man auf der Seite der Stadt – oder einfach: „Drogenkonsum im öffentlichen Raum: Was tun?“ eingeben. (hwh)