IntegrationDer schwere Weg in die neue Heimat

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Die Buchhandlung Forough in der Jahnstraße ist ein Treffpunkt iranischer Intellektueller. Soheila Bahadori trifft man dort oft.

Die Buchhandlung Forough in der Jahnstraße ist ein Treffpunkt iranischer Intellektueller. Soheila Bahadori trifft man dort oft.

Bickendorf/Ehrenfeld – Soheila Bahadori war mit ihrem gerade geborenen Sohn eineinhalb Jahre in einem iranischen Gefängnis, in Köln ist sie Erzieherin geworden. Bahadori erzittert, wenn sie sich erinnert, wie sie Opfer brutaler Gewalt wurde - von Köln aus organisiert sie mit anderen iranischen Frauen in diesem Jahr eine internationale Frauenkonferenz. Sie ist 56 Jahre alt - und beendet gerade ihre Ausbildung zur Trainerin für „gewaltfreie Kommunikation“.

Soheila Bahadori, die in Bickendorf lebt und Ehrenfeld liebt, ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration, ein Musterbeispiel für ein Opfer, das nicht Opfer bleibt. Eine Frau, die nicht über ihr Alter nachdenkt und über ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil ihr solche Gedanken der Mühe nicht wert wären. Bahadori sitzt in einem Café am Neumarkt vor Wänden mit Instrumenten, große dunkle Augen, kurze graue Haare, die Stimme weich und warm.

Mithilfe eines Schleusers nach Deutschland

Ein Musterbeispiel für gelungene Integration? Sie wiegt den Kopf. „Ja und Nein.“ Nach Deutschland geflüchtet ist Bahadori, weil sie nach ihrer Zeit im Gefängnis 1983 nicht mehr studieren und offiziell nicht mehr arbeiten durfte. „Ich wurde immer öfter gedrängt, für die Machthaber als Spitzel zu arbeiten. Ich sagte Nein, und man drohte mir.“ An der Macht war Ayatollah Chomeini, Führer der islamischen Revolution, mit dem das islamische Recht wiedereingeführt wurde, dass Frauen sich wieder unter Kopftüchern und Schleiern verstecken mussten und kaum noch Rechte hatten. Das Land war so unfrei wie zuvor unter dem Schah, für Frauen war es schlimmer. Bahadori beugte sich nicht, ging in den Widerstand - und wurde irgendwann verhaftet. Nach der Haft und Jahren des Berufsverbotes floh sie mit Hilfe eines Schleusers, 10 000 Mark kostete die gefährliche Aktion, das Geld musste sie sich leihen.

Wäre sie erwischt worden, hätte ihr lebenslange Haft gedroht. Frei habe sie sich in Deutschland anfangs auch nicht gefühlt. In Dortmund landete sie als Asylbewerberin mit ihrem Sohn in einem Obdachlosenheim, in dem die meisten Bewohner aus dem Gefängnis kamen. Neun Monate dauerte es, bis ihr Asylantrag angehört wurde, wieder neun Monate, bis sie wusste, dass sie bleiben darf. „Fast zwei Jahre, in denen ich nicht arbeiten durfte, die Stadt nicht verlassen durfte und mich gefragt habe: Bin ich hier gewollt? Kann das meine Heimat werden? Werde ich hier je freier sein als im Iran?“

Jetzt kann sie tun, was sie will

In Köln mussten Bahadori und ihr Sohn zunächst in einem Heim in der Dasselstraße wohnen - „mit ähnlichen Bewohnern und ähnlichen Zuständen wie in Dortmund“. Ihre erste Wohnung bezogen Mutter und Sohn im Porzer Demo-Viertel, das heute Finkenberg heißt. Viele der Menschen guckten missmutig wie die Menschen in Dortmund, wie die Menschen im Heim in der Dasselstraße. Bahadori, interessiert an Literatur, Theater und Musik, verbrachte die Tage in der Stadtbibliothek am Neumarkt. Deutsch lernend, lesend. Oder in der Buchhandlung Forough in der Jahnstraße - einem Treffpunkt iranischer Intellektueller.

Schnell begann sie ihre Ausbildung zur Erzieherin, arbeitete danach in Frauenhäusern in Köln und Wuppertal, bevor sie in einer Kindertagesstätte anheuerte. Köln ist längst eine Heimat für Soheila Bahadori geworden, „obwohl ich kein Kölsch verstehe“. Köln ist ihr ein zu Hause geworden, weil „die Leute hier locker, gelassen und offen sind“. Weil sie tun und sagen kann, was sie will. Und weil ein Großteil ihrer Familie inzwischen in Ehrenfeld lebt, und Ehrenfeld „einfach alles zu bieten hat. Cafés zum Reden, Theater und Kinos, Jazz. Freiheit“.

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