Handlungsbedarf in der grünen Siedlung

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Demonstranten vor dem Mülheimer Rathaus (l.). Zum „Grow Smarter“-Konzept gehören auch Ladestationen für E-Autos.

Demonstranten vor dem Mülheimer Rathaus (l.). Zum „Grow Smarter“-Konzept gehören auch Ladestationen für E-Autos.

Mülheim –  Weniger Energie verbrauchen, die Luftqualität verbessern, nachhaltige Mobilität nutzen, und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – dafür wurden seit 2015 700 Wohnungen in 16 Mehrfamilienhäusern der Deutschen Wohnungsgesellschaft (Dewog) in der Stegerwaldsiedlung im Rahmen des europäischen Projekts „Grow Smarter“ saniert.

Für das Vorzeigeprojekt im Mülheimer Süden stellte die EU 7,3 Millionen Euro zur Verfügung. Nun sind die Arbeiten im Wesentlichen abgeschlossen. Die Verantwortlichen luden Bewohner der Siedlung zu einer Dankeschön-Veranstaltung ins Bezirksrathaus Mülheim ein.

Die Sanierung umfasste unter anderem die Dämmung der Fassaden, die Installation neuer Fenster und die Umstellung der Wärmeversorgung für Heizung und Warmwasser von Gas auf Wärmepumpen sowie Fernwärme. Neu installierte Photovoltaikanlagen erzeugen Strom, der vor Ort gespeichert und mittels eines Siedlungsmanagement-Systems für die Wärmepumpen zum Laden von Elektromobilen und als günstiger Mieterstrom zur Verfügung steht. Außerdem können sich die Mieter mit Hilfe von intelligenten Stromzählern, sogenannten Smart-Metern, über ihren Energieverbrauch und den aktuellen Strompreis informieren. So sollen CO2-Emissionen und die Energiekosten deutlich gesenkt werden. Die Stadt arbeitete bei diesem Projekt eng mit Partnern wie der Rhein-Energie, der Technischen Hochschule Köln, den Kölner Verkehrs-Betrieben, Cambio und der Verbraucherzentrale zusammen.

„Mit der Stegerwaldsiedlung kann Köln jetzt die größte Klimasiedlung in NRW vorweisen, wofür wir auch vom Land ausgezeichnet wurden“, betonte Barbara Möhlendick, Leiterin der Koordinationsstelle Klimaschutz der Stadt. Immerhin würden jetzt allein im Bereich Energie etwa 62 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Sie stellte auch fest, dass ein Großteil der Mieter mit den Ergebnissen der Modernisierung zufrieden sei: „Das können sie auch. Schließlich sind Sie Vorreiter im Klimaschutz und eine Blaupause für andere solche Projekte.“ Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs wiederum bedankte sich bei den Anwohnern dafür, dass sie die Beeinträchtigungen mit Geduld ertragen hätten. Bedauerlich fand Möhlendick, dass nur wenige Bewohner sich entschlossen hätten, den billigeren Mieterstrom zu beziehen oder eines der 50 von der Rhein-Energie kostenlos angebotenen Smart-Home-Systeme anzunehmen. Möhlendick: „Die Resonanz war sehr zurückhaltend.“ Anschließend stellten sich die Verantwortlichen den Anliegen und Fragen der etwa 20 anwesenden Mieter. „Wir wollen herausfinden, was wir in Zukunft bei ähnlichen Vorhaben besser machen können“, begründete die Koordinatorin Klimaschutz. Anwohner Nico Jakobs wies darauf hin, dass er immer noch in einer Baustelle wohne und der Zustand sich hoffentlich bald ändere. Er bemängelte zudem, dass es keinen Thermostat in seiner Wohnung gibt, mit dem er die Raumtemperatur selbst regeln könne. „Jetzt geschieht das zentral und ich werde zwangsbeheizt.“

Sein Nachbar Erich Bodden beklagte, dass er mit der jüngsten Abrechnung der Heizkosten unzufrieden ist: „Ich muss doppelt so viel zahlen wie bisher.“ Möhlendick erklärte das damit, dass die Rhein-Energie zwar neue Zähler installiert habe, die ihre Daten direkt an das Energieunternehmen übermitteln. Diese seien aber noch nicht endgültig justiert. Eine weitere Bitte Boddens war, wieder eine Apotheke in die Siedlung zu holen: „Seit die alte geschlossen ist, haben vor allem Rentner Probleme, ohne großen Aufwand an ihre Medikamente zu kommen.“ Ein anderer Bewohner mahnte an, mehr Parkplätze anzubieten. Schließlich seien etwa 90 neue Wohnungen entstanden. „Wir haben bereits einen Antrag gestellt und wenn der genehmigt worden ist, beginnen wir sofort mit dem Bau“, antwortete Christian Simon von der Dewog.

Vor dem Bezirksrathaus hatten sich zu gleicher Zeit etwa ein halbes Dutzend Gegner der Sanierung eingefunden und demonstrierten. Sie werfen den Verantwortlichen vor, in der Stegerwaldsiedlung Gentrifizierung voranzutreiben – die Verdrängung finanzschwacher Menschen aus dem Quartier. Außerdem sind sie der Meinung, dass die Baumaßnahmen nicht über den Rahmen hinausgehen würden, der bei üblichen Sanierungen üblich ist. „Weil ich da nicht mitmachen wollte und lautstark protestierte, hat man mich aus meiner Wohnung hinausgeklagt“, erklärte Wortführerin Roswitha Müller.

Die Sanierungsarbeiten in der Stegerwaldsiedlung sind zum Großteil abgeschlossen.

Die Sanierungsarbeiten in der Stegerwaldsiedlung sind zum Großteil abgeschlossen.

Barbara Möhlendick, Koordinationsstelle Klimaschutz der Stadt

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