Barrieren, Kosten und mangelnde Sauberkeit verschärfen das Toiletten-Problem, das in Köln noch größer ist als in anderen Großstädten.
„Weder kostenlos noch barrierefrei“Zu teuer, zu wenig, zu dreckig – Köln hat ein Toiletten-Problem

Einladend sind sie nicht: Öffentliche Toiletten haben keinen guten Ruf.
Copyright: Martina Goyert
Sie gelten als dreckig, eng und eklig – öffentliche Toiletten haben keinen guten Ruf. Viele Menschen in Deutschland sind unzufrieden mit Zustand und Verfügbarkeit und nutzen sie nur im Notfall. Das bestätigt auch eine YouGov-Umfrage im Auftrag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von Anfang November 2025. In Köln scheint die Situation nicht anders. Ein Lagebild.
Als die Kölnerin Angelika Christ 2021 mit ihren Schwestern nach einem Friedhofsbesuch an einer öffentlichen Toilette vorbeikam, fiel ihnen auf: Frauen müssen zahlen, Männer nicht. Für die vier Schwestern ein klarer Fall von Ungerechtigkeit. Sie schrieben an die Stadt Köln – und bekamen zur Antwort, die Ungleichbehandlung sei eine „notwendige ordnungspolitische Maßnahme“, um Wildpinkeln zu verhindern.
Christ wollte das nicht hinnehmen. Aus ihrer Sicht verletzte die Regelung den Gleichheitsgrundsatz. Sie forderte: Entweder sollen alle zahlen oder niemand. Nach Medienberichten wurde sie von der SPD gefragt, ob sie als sachkundige Bürgerin im Gleichstellungsausschuss mitarbeiten wolle. Aus ihrer Sicht habe sich die Lage seitdem nicht großartig verbessert.
Alles zum Thema AWB
- „Weder kostenlos noch barrierefrei“ Zu teuer, zu wenig, zu dreckig – Köln hat ein Toiletten-Problem
- Müllabfuhr Kartellamt verschärft Kontrolle über Müllriesen Remondis
- Nachhaltigkeit AWB Köln laden zu kostenloser Kleidertauschbörse ein
- Kriminalitätsbilanz Insgesamt mehr Straftaten, aber weniger Sexualdelikte am 11.11. in Köln
- Unfall auf Kölner Ringen 28-Jähriger kracht mit Pkw in Sprinter – 67-Jähriger schwer verletzt
- AWB im Einsatz Das Umfeld des Kölner Doms soll sauberer werden
- Graffitibeseitigung Gedenkort der Edelweißpiraten in Ehrenfeld wird häufig beschmiert

Angelika Christ ist mit der Toiletten-Situation in Köln nicht zufrieden.
Copyright: Charlotte Groß-Hohnacker
Vor Kurzem stolperte Christ erneut über ein Problem: Auf einem Hitzeschutz-Spickzettel für das Severinsviertel war eine Karte mit Trink- und Toilettenmöglichkeiten abgedruckt. Die Toilette am Severinswall war dort als „kostenlose barrierefreie Toilette“ markiert. Christ ist empört: „Die ist weder kostenlos noch barrierefrei, aus meiner Sicht. Barrierefrei heißt: Ich komme rein ohne eine Barriere.“
Tatsächlich ist sie nur kostenlos für Menschen mit „Euro-Schlüssel“, einem speziellen Türöffner für Menschen mit Behinderung. Christ selbst ist wegen einer schweren Erkrankung auf schnelle Toilettengänge angewiesen, hat aber kein Anrecht auf den Schlüssel.
Öffentliche Toiletten sind entscheidend für eine inklusive Stadt: für Familien mit Kindern, menstruierende Personen, ältere Menschen oder Obdachlose. Der Facharzt für Hygiene und Gesundheitsgeograf Prof. Dr. Thomas Kistemann hat für den Kölner Hitzeschutzplan rund 300 ältere Menschen befragt. Viele sagten ihm: „Wenn wir herausgehen, trinken wir nicht – es gibt ja keine Klos in Köln.“ Aus Sorge, keine Toilette zu finden, würden sie bewusst dehydrieren.
Gründe fürs Meiden von Toiletten seien mangelnde Barrierefreiheit, schlechte hygienische Zustände, Verzehrzwang in Gastronomien oder schlicht die Kosten. „Wir haben mit Menschen gesprochen, die es sich nicht leisten können, jedes Mal 50 Cent oder einen Euro für ein Bahnhofs-Klo zu zahlen.“ Köln sei damit nicht schlechter als andere Großstädte – aber typisch: Je größer die Stadt, desto größer das Problem. Kistemanns Lösung: mehr, bessere, barrierefreie Toiletten mit verlässlichem Reinigungsservice. Container allein seien dafür ungeeignet – zu pflegeintensiv und schnell verschmutzt.
„Nette Toilette“ – eine Hilfe mit Lücken
Konzepte wie die „Nette Toilette“, bei denen Händler und Gastronomien ihre WCs gegen eine städtische Aufwandsentschädigung kostenlos öffnen, sollen Abhilfe schaffen. In Köln heißt das System „Happy Toilet“. Knapp 70 Betriebe machen aktuell laut Stadt Köln mit – doch das Angebot ist nicht rund um die Uhr zugänglich. Und nicht alle Menschen können oder wollen Lokale betreten.
Dass Toiletten oft als „Nicht-Ort“ gelten, liegt laut der Humangeografin Lilith Kuhn vom Netzwerk klo:lektiv an ihrem schlechten Image und einem schambehafteten Umgang. In den meisten Städten gebe es zu wenige öffentliche Toiletten, politisch würden sie als Randthema behandelt.

Öffentliche Toiletten sind häufig ein Randthema in den meisten Städten.
Copyright: Charlotte Groß-Hohnacker
Der öffentliche Raum verändere sich: Marktplätze verlören an Bedeutung, Einkaufszentren und das Auto dominierten. So seien nicht mehr alle auf öffentliche Toiletten angewiesen, und insbesondere die Gruppen, die Toiletten am dringendsten brauchen, säßen nicht an den politischen Tischen, an denen darüber entschieden wird.
Architektur könne helfen: helle Räume, freundliche Farben, Einzelkabinen mit Waschbecken. „Tatsächliche Sicherheit wird jedoch über Sozialhilfe und Prävention geschaffen, nicht über Licht oder Musik auf der Toilette“, betont Kuhn. Köln lobt sie: Die Verwaltung beschäftige sich intensiv mit dem Thema, es gebe ein Konzept, und auch Menschen im Hauptamt kümmerten sich um das Thema.
Wie viele Toiletten braucht die Stadt?
Das Kölner Toilettenkonzept stammt von 2013 und sieht einen systematischen Ausbau vor – unter Vorbehalt der Haushaltsmittel. 2025 seien bisher acht zusätzliche Toilettenanlagen im Stadtgebiet in Betrieb genommen worden, so die Stadt. Doch nicht immer laufe es so gut: „Von geplanten neun Toiletten mit Frisch- und Abwasser im Jahr 2024 wurden sieben auf das Jahr 2025 geschoben (davon ist die Toilette auf dem Bahnhofsvorplatz noch nicht in Betrieb), zwei auf das Jahr 2026.“ Die nächste städtische Toilette kann auf www.toiletten.koeln gefunden werden. Die AWB betreut im Auftrag der Stadt die städtischen Toilettenanlagen und reinigt sie täglich.

Wer eine öffentliche Toilette in Köln sucht, findet in manchen Teilen Köln nur schwer eine.
Copyright: Bex Maher (aus: Beyond the Stall - Inklusives Toilettenkonzept für Köln)
Bex Maher, Absolventin der Technischen Hochschule Köln, hat in ihrer Masterarbeit 71 öffentliche Toiletten erfasst – ohne mobile und „Happy Toilet“-Anlagen. Von ihnen sind: 49 kostenlos, 45 barrierefrei, zehn mit Wickeltisch, fünf rund um die Uhr geöffnet, eine gleichzeitig kostenlos und mit Wickeltisch.
Sie hat Köln mit anderen Städten verglichen. In ihrer Auswertung wirkt die Versorgung hier schwach. In Köln kommen rund 15.400 Menschen auf eine Toilette, Touristen nicht mit eingerechnet. In Toronto sind es knapp 8.000, in Seattle 5.000, in Paris rund 1.300. „Berlin ist besser, Brüssel ist besser, Paris ohnehin“, sagt Maher. Eine verpflichtende Richtlinie gibt es in Deutschland nicht. Die „New York Public Bathroom Strategy“ von 2023 empfiehlt weniger als 2000 Menschen pro Toilette. Es ist einer der ersten Gesetzestexte, die den Toilettenbedarf in einer Stadt bestimmen. Um dem gerecht zu werden, bräuchte Köln 477 zusätzliche Anlagen.

Trockentoilette statt Dixieklo: Besucher des Volksgartens können die erste Holy Shit-Toilette ausprobieren.
Copyright: Charlotte Groß-Hohnacker
Abhilfe könnte das Konzept der Kölner Designerin Anastasia Bondar schaffen: „Holy Shit“, eine öffentliche Trockentoilette. Sie trennt Festes und Flüssiges, um die verdauten Lebensmittel zu recyceln, arbeitet ohne Wasser, nutzt Strohgranulat gegen Gerüche und ist deutlich geräumiger als Chemietoiletten. Derzeit steht ein Pilotmodell im Volksgarten.
Da Grünanlagen oft keinen Kanalanschluss haben, könnte sie eine nachhaltige Alternative sein. Städte wie Berlin, Leipzig, Wien, oder Zürich setzen schon jetzt auf Trockentoiletten. Vergleichbare Pilotprojekte, die eine Recyclinginfrastruktur für den „Holy Shit“ aufbauen, gibt es bisher nur in Eberswalde und Ollsen bei Hamburg. „In Köln arbeiten Stadt, Start-up, Abfall- und Abwasserwirtschaft erstmals gemeinsam an der Kreislaufschließung – das ist ein Novum“, so Bondar.


