Köln-DeutzAusgegrabene Stadtgeschichte auf der Rheinboulevard-Baustelle

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Archäologen graben die Toilettenanlage des ehemaligen Bahnhofs der Bergisch-Märkischen Eisenbahn aus.

Archäologen graben die Toilettenanlage des ehemaligen Bahnhofs der Bergisch-Märkischen Eisenbahn aus.

Deutz – 1700 Jahre Kölner Stadtgeschichte treffen am künftigen Deutzer Rheinboulevard zusammen. Überreste aus Römerzeit und Mittelalter werden allerdings künftig bis auf wenige Ausnahmen unterhalb des Panoramawegs verborgen bleiben. Die Neuzeit spiegelt sich hingegen deutlich sichtbar in einer 450 Meter langen Freitreppe wider, die das Rheinufer wie eine Tribüne säumt – und die kurz vor ihrer Fertigstellung steht.

Lediglich das Geländer und einige Mauerteile müssen noch vervollständigt werden, bis Ende April sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. „Wir wollen die Treppe noch in diesem Jahr freigeben, aber das wird frühestens im Herbst der Fall sein“, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamts. Eine Öffnung der Treppe bereits im April sei nicht möglich, da die Baustelle auf dem oberen Teil des Boulevards noch laufe. „Wir hätten dann keine Fluchtwege, deshalb müssen wir uns noch etwas gedulden“, so Bauer. Bis auf den letzten Papierkorb und das letzte Blumenbeet werde das gesamte Projekt wohl im April 2016 abgeschlossen sein.

Bahnhofsklo ausgegraben

Aktuell haben Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege, die am Rheinboulevard bereits seit 2008 Ausgrabungen vornehmen, einen Großteil der Baustelle in Beschlag genommen. Sie haben unter anderem die Toilettenanlage des ehemaligen Kopfbahnhofs der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft freigelegt, der ab 1879 gebaut wurde. Von der eigentlichen Bahnhofsanlage sind noch drei Joche, also gemauerte Bögen, und die Drehscheibe erhalten, auf der die Züge gewendet wurden. Während die Joche nach Fertigstellung des Rheinboulevards vollständig zu sehen sein werden, wird die Drehscheibe in Zukunft nur noch zwei Meter aus dem Boden herausragen. Der Rest, die Toilettenanlage und die unmittelbar angrenzenden Überreste von Alt St. Urban, der ältesten Kirche im rechtsrheinischen Köln, werden hingegen wieder im Erdreich verschwinden. Das Bauwerk, das vermutlich seit dem 8. Jahrhundert existierte, wurde mehrfach vergrößert, nach Beschädigungen wieder aufgebaut und schließlich 1784 durch ein Hochwasser endgültig zerstört. Das Fundament der Kirche soll künftig auf einer Rasenfläche nachgezeichnet werden.

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Unterhalb des Bahnhofs befinden sich zudem die Fragmente des Brückenkopfkastells Deutz, das in der Römerzeit im 4. Jahrhundert als Bastion gegen einfallende Germanen diente. „Das war eine mächtige Trutzburg“, sagt Marcus Trier, Leiter der Bodendenkmalpflege. Die Anlage sei 140 mal 140 Meter groß gewesen und habe über drei bis vier Meter starke Mauern verfügt. Die Archäologen entdeckten auch spärliche Baureste aus merowingischer Zeit.

Im preußischen Köln wurden die Tuffsteinmauern als Grundlage für ein neues Fort mit aufgesetzten Basaltmauern genutzt, das als Garnisonsstandort diente. Sichtbar erhalten bleibt der sogenannte „Schinkenkessel“, der Rest eines Halbturms, der in die Freitreppe integriert wurde. Die Hochwasserschutzwand zum Rhein wurde hier stellenweise versetzt gebaut, um die Überreste von Kastell und Fort zumindest im Untergrund sicherzustellen.

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