Interview mit MiljöKinder der Schäl Sick

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Im „Wolkeplatz“ rund 35 Meter hoch über der Kölner Altstadt: Nils Schreiber und Mike Kremer von Miljö.

Im „Wolkeplatz“ rund 35 Meter hoch über der Kölner Altstadt: Nils Schreiber und Mike Kremer von Miljö.

Köln – Bei vielen kölschen Musikern stehen derzeit Weihnachts- oder Jahresabschluss-Konzerte an. Das ist in Mode gekommen und Sie mit Ihrer Band Miljö machen auch mit.

Mike Kremer: Nicht ganz. Mit dem Hype um Weihnachten kann ich nicht so viel anfangen. Ich persönlich bin kein großer Fan von Weihnachtsliedern. Deswegen kann ich die auch nicht mit Überzeugung singen. Das lasse ich lieber.

Nils Schreiber: Ein Konzert zum Jahresabschluss machen wir aber schon. Das haben wird in den ersten beiden Jahren jeweils mit der Veröffentlichung eines Albums kombiniert. Jetzt haben wir zweimal kein Album gemacht, aber den Rhythmus beibehalten. Im Vorjahr sind wir erstmals im Club Bahnhof Ehrenfeld aufgetreten. Damals im kleinen Saal, jetzt im größeren. Und wegen der Nachfrage gleich zweimal – diese Woche Donnerstag und Freitag.

Warum macht man solch eine Jahresabschluss-Konzert?

Schreiber: Einmal für uns selbst, dann für unsere Fans. Da kann man das vergangen Jahr, das für uns sehr turbulent war, nochmals Revue passieren lassen.

Wie sieht Ihr Fazit aus?

Kremer: Wir hatten ein sehr gutes Jahr, bislang das erfolgreichste. Mit „Sulang die Leechter noch brenne“ hatten wir ein Sessionslied am Start, das beim Publikum gut ankam. Damit haben wir die „Top Jeck“-Hitparade bei Radio Köln gewonnen und sind bei „Loss mer singe“ auf dem zweiten Platz gelandet. Und wir durften auf einem Wagen im Rosenmontagszug mitfahren. Das ist doch echt ein Erlebnis.

Schreiber: Im Sommer ging es gleich gut weiter: Wir spielten auf der Saisoneröffnung des 1. FC und zweimal vor den Heimspielen. Dann waren wir als Support beim Stadion-Konzert von Brings und später bei deren Tour durch die Region mit dabei.

Liegt das daran, dass man bei derselben Plattenfirma unter Vertrag ist?

Kremer: Vielleicht auch. Aber die Brings-Kollegen mögen uns und unsere Musik. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Als Jugendlicher habe ich schon davon geträumt, einmal mit denen zusammen auf der Bühne zu stehen. Das waren für mich schon richtige Vorbilder.

Schreiber: Brings hat die kölsche Musiklandschaft verändert, eine Portion Rockmusik hereingebracht – auch in den Karneval. Wir haben ja als Schüler-Rockband angefangen. Das kam man in vielen unsere Lieder auch noch hören.

Kremer: Auch beim neuen Titel „Wolkeplatz“, mit dem wir in die Session gehen. Den Titel haben wir seit dem Sommer im Repertoire und der läuft gut.

Dazu gibt es ein Video.

Kremer: Das haben wir in einem Studio in Ehrenfeld und an Plätzen im Rechtsrheinischen, die uns wichtig sind, aufgenommen. Wir sind doch Kinder der Schäl Sick. Da sind wir zur Schule gegangen, da haben wir zusammengefunden, da wohnen wir. Ich bin durch den Wildpark in Dünnwald spaziert und Nils durch die Fabrikanlagen in Mülheim. Die anderen Bandmitglieder sind an den Poller Wiesen, im Rheinpark oder beim Streifzug durch Deutz zu sehen.

Ein richtig schönes Video – bis auf die Schlussszene, in der sich die fünf Bandmitglieder mit Kölschflaschen zuprosten. Muss solch ein Produkt-Placement eigentlich sein? Haben Sie das nötig?

Kremer: Das Video war schon sehr aufwendig und sehr teuer. Da hat die Gaffel-Brauerei, mit der wir seit einigen Jahren kooperieren, das mit finanziert. Alleine als Band hätten wir das nicht hingekriegt. Da hat man die Wahl, ob man ein cooles Video will für den Preis X, oder ein ganz cooles für den Preis drei mal X.

Im Gegenzug spielt man dann bei der Brauerei-Sause „Jeck im Sunnesching“ mit.

Schreiber: Diese Veranstaltung kann man so oder so sehen. Für junge Bands ist das auch eine Art Sprungbrett. Da kriegen Nachwuchsbands tatsächlich mal eine Chance, sich und ihre Musik zu präsentieren. Aber ob das gleich Karneval ist?

Kremer: Es ist eine Sommerparty im Kostüm, bei der die Leute Spaß haben. Warum auch nicht. In Köln ist doch immer irgendwie auch Karneval.

Was ist sonst für das nächste Jahr geplant?

Schreiber: Nach der Session spielen wir zwei Unplugged-Konzerte in der Volksbühne am Rudolfplatz. Das ist von der Vorbereitung her sehr aufwendig. Und ein neues Album soll kommen. Aber das zieht sich, weil wir alles auch selbst produzieren.

Die Band steht derzeit an der Schwelle von der Hobby-Kapelle zur Profiband.

Kremer: Vom Zeitaufwand her sind wir jetzt schon Profis. Vom Kontostand am Jahresende her noch nicht. Wir hören oft, dass wir direkt hinter Kasalla und Cat Ballou genannt werden. Das freut uns. Noch haben wir alle einen Job – zumindest halbtags. Ich arbeite als Informatiker für ein Öko-Strom-Unternehmen.

Schreiber: Und ich bin seit dem Sommer zurück an meiner alten Schule – als Studienrat für Sport und Englisch. Aber reduziert auf eine halbe Stelle.

Kremer: Viel Zeit für einen Job nebenbei wird es künftig vermutlich nicht geben. Jetzt sind wir ja schon fast jedes Wochenende unterwegs. Wir freuen uns erst mal darauf, was das nächste Jahr bringt und sprechen vielleicht in zwei, drei Jahren noch mal darüber.

Zu den Personen

Mike Kremer (31) ist Sänger und Gitarrist. Der studierte Informatiker wohnt mit Lebenspartnerin und einem Kind in Dünnwald. Nils Schreiber (30) singt, spielt Gitarre und Akkordeon. Er hat eine halbe Lehrerstelle an der Holweider Gesamtschule, ist verheiratet, lebt in Mülheim.

Die fünf Musiker von Miljö kennen sich von der Gesamtschule Holweide. Dort haben sie in Rock- und Punk-Bands gespielt, die mal „Crotte de Vache“ mal Bermuda hießen. Seit 2012 sind sie Miljö – mit mehr als 200 Auftritte im Jahr und einem Plattenvertrag beim Musiklabel „Rhingtön“.

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