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Kalligraphie in KölnDer städtische Schönschreiber

Lesezeit 4 Minuten

Meist verwendet Friedrich Dedden schwarze Tusche, manchmal kommen auch Farben und sogar Blattgold zum Einsatz.

Köln – Jedes Mal, wenn über die Zukunft der Schreibschrift diskutiert wird, gehört Friedrich Dedden zu denjenigen, die am heftigsten den Kopf schütteln. Der 63-Jährige ist zwar niemand, der im Urlaub gleich den Stift zückt, um anderen eine Ansichtskarte zu schreiben. Aber er hat in seinem Leben schon unzählige Stunden am Schreibtisch seines Arbeitszimmers in Dünnwald verbracht und mit äußerster Sorgfalt Buchstaben aneinandergereiht. Ein Dasein ohne Handschrift ist für ihn unvorstellbar.

Meistens verwendet Dedden schwarze Tusche, die er mittels unterschiedlich breiter Bandzugfedern auf Papierbögen aufträgt. In Ausnahmefällen kommt auch Blattgold zum Einsatz. Beim Besuch von Papst Benedikt XVI. anlässlich des Weltjugendtages in Köln benötigte er sogar Gold und Silber, um das päpstliche Wappen zu zeichnen und die Visite des höchsten Repräsentanten der Katholischen Kirche im Goldenen Buch anzukündigen. Friedrich Dedden ist der Kalligraph der Stadt Köln und somit derjenige, der die Basis dafür schafft, dass berühmte Gäste ihre Unterschrift auf eine kunstvoll vorbereitete Seite setzen können.

„Des Daseins eigentlichen Anfang macht die Schrift“, steht in wohlgeratenen Lettern auf einem gerahmten Bogen in Deddens Arbeitszimmer. Wo sonst würde der Satz des griechischen Philosophen Heraklit besser passen als bei dem Kölner, der sich seit Jahrzehnten mit Schönschrift beschäftigt. Bis heute bewahrt der 63-Jährige sein Übungsheft aus dem Jahr 1962 auf, in dem seine ersten Versuche mit Kunst- und Plakatschrift zu sehen sind. Es habe ihm immer Spaß gemacht, mit der Feder zu arbeiten, erklärt Dedden, während er eine Mappe durchblättert und verschieden gestaltete Texte zeigt.

Der Kölner hat eine größere Sammlung von Texten, die für ihn beziehungsweise für sein Leben Bedeutung haben. Das können philosophische Erkenntnisse oder Auszüge aus religiösen Schriften sein oder auch humorige Weisheiten wie die von Kurt Tucholsky: „Die Basis einer gesunden Ordnung ist der Papierkorb.“ Dedden drängt es jedenfalls dazu, solche Zitate in eine schöne äußere Form zu bringen. Nebenbei hat das für ihn „auch etwas Beruhigendes, fast Therapeutisches.“ Er könne das Menschen, die unruhig seien, nur empfehlen, betont er.

Dedden hat sein Handwerk Anfang der 80er Jahre bei Werner Eikel gelernt. Der verstorbene Professor für Grafik-Design an der Fachhochschule in Aachen habe seinerzeit in der Kölner Handwerkskammer Kalligraphie gelehrt, und ihm sei da erst klar geworden, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten die Kunstschrift eröffne. Als man 1994 an den Sozialarbeiter im Jugendamt herantrat und ihm sagte, dass jemand fürs Goldene Buch gesucht werde, musste der zweifache Familienvater nicht lange überlegen und übernahm den Nebenjob.

„Wenn man so eine tolle Sache machen darf, gibt man sich natürlich noch mal mehr Mühe“, sagt der Ruheständler und schildert seine Highlights, zu denen der Weltwirtschaftsgipfel 1999 zählt, als er diversen Staatschefs – darunter Bill Clinton und Boris Jelzin – die Seite im Goldenen Buch bereiten durfte. Dedden schreibt jeden Text vor und bringt das Geschriebene per Computer auf die passende Größe. „Es müssen ja die Proportionen gewahrt bleiben.“

Kalligraphie „macht Mühe, erfordert Geduld und Disziplin“, sagt der städtische Schönschreiber, dem bei aller Sorgfalt natürlich auch mal ein Fehler unterläuft. Zur Not müsse dann die Rasierklinge her, meint der Experte und fügt hinzu, dass ihm das bisher glücklicherweise nie im Goldenen Buch oder im Gästebuch passiert sei, für das er ebenfalls zuständig ist. Den Text bekommt Dedden jeweils vorgegeben; hinsichtlich der Schrift werde ihm eine gewisse künstlerische Freiheit gewährt.

Am 23. März verewigten sich die Bläck Fööss im Goldenen Buch, und zwei Tage später war Dedden sogar selbst anwesend, als Astronaut Alexander Gerst seine Unterschrift ins Gästebuch setzte. Das jüngste Werk des Kalligraphen ist der Name des Konrad-Adenauer-Preisträgers: Vitali Klitschko, früherer Profiboxer und amtierender Bürgermeister von Kiew, nahm vor zwei Wochen die Auszeichnung entgegen – und unterschrieb im Goldenen Buch. Gleich unter den akkuraten Buchstaben von Friedrich Dedden.