Kommentar zu Kardinal WoelkiBitte um Vergebung gilt nicht den eigenen Fehlern

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Woelki Weihnachten

Kardinal Woelki bei der Weihnachtsmesse 2020 im Kölner Dom

An Weihnachten ist in den Kirchen viel von Erlösung die Rede: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren“, heißt es jedes Jahr an Heiligabend. In der Stadt Köln hat es der Erzbischof dieses Jahr mit Selbsterlösung und Eigenrettung versucht. „Kardinal Woelki bittet um Verzeihung“, lautete die Schlagzeile vieler Berichte über ein „persönliches Wort“ Woelkis am Ende der Christmette. Er habe den Gläubigen, so der Kardinal, zu den Sorgen über Corona „leider noch eine Bürde hinzugefügt“. Das klingt stark. Aber wie das so ist mit Überschriften und griffigen Formeln: Man sollte auch das lesen, was sich darunter verbirgt.

Woelki bittet um Verzeihung für das Ertragen der Kritik

Woelkis Vergebungsbitte galt nicht etwa eigenen Fehlern, Versäumnissen, Ablenkungsmanövern und Täuschungsversuchen zu Lasten Dritter. Nein, der Kardinal bat Missbrauchsopfer, Seelsorger und Aktive in den Gemeinden und Verbänden lediglich um Verzeihung dafür, dass sie Kritik „ertragen“ müssten, der das Erzbistum und insbesondere auch er ausgesetzt sei.

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Bitte, entschuldigen Sie, dass ich kritisiert werde, obwohl ich alles richtig mache. Das ist also die Weihnachtsbotschaft des Kölner Erzbischofs, der sich damit kurzerhand selbst in den Status derUnfehlbarkeit befördert hat. Sachlich begründete Kritik? Kann es nicht geben! Was Missbrauchsopfer und Kirchenrechtler, Priester, Gemeindegremien und andere Bischöfe an Woelkis Agieren auszusetzen haben – alles nur eine unnötige Belastung. Darüber hinaus gibt es laut Woelkis eigenen Worten nämlich nichts, was er sich vorzuwerfen hätte. 

Woelkis Interpretation des Orwell-Klassikers im „Neusprech“

Für die irreführende, beschönigende und die wahren Probleme verschleiernde Rede der Mächtigen hat sich in Anlehnung an George Orwells Roman 1984 der Begriff „Neusprech“ eingebürgert. Woelkis jüngste Erklärung ist Neusprech in Vollendung, eine weitere Verbiegung der Wahrheit, eine schmerzhafte Verdrehung der Wirklichkeit.

Dem Ausverkauf von Worten wie „Verantwortung“ hat Woelki nun die Sinnentleerung der Vergebungsbitte folgen lassen. In seinem Statement ist nur wenige Sätze später von Aufrichtigkeit die Rede, von Woelkis Versprechungen, von Aufklärung und seiner „herzlichen Bitte“ um Geduld und Vertrauen. Dass auch diese Worte aus seinem Mund künftig hohl klingen müssen, hat der Kölner Erzbischof sich selbst zuzuschreiben.

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