Karneval in der PandemieKeine jecke Feiern auf den Kölner Straßen

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Heumarkt Weiberfastnacht 2021

Der Kölner Heumarkt (Archiv)

Köln – „Un mir rufe Alaaf un eröffne d’r Fastelovend op de’r Stroß – nor villeich e betzje stiller“, waren sich die Fastelovendsoberen in Anlehnung an den aktuellen Sessionshit von Brings einig. So ganz wollten die kölschen Jecken doch nicht auf die gewohnte Eröffnung des Straßenkarnevals verzichten. Nur ist in der Pandemie alles ein paar Nummern kleiner.

Zwei Stunden vor dem offiziellen Start geht es auf dem Markt in Nippes los. Das ist Tradition seit dem Jahr 1960. Normalerweise singen und schunkeln dort mehr als 2500 Menschen, wenn um 9.11 Uhr inmitten des Korps der Nippeser Bürgerwehr das jeweilige Dreigestirn auf der Bühne steht. Die Corona-Beschränkungen sorgten nun für eine erheblich abgespeckte Version. Außer Präsident Michael Gerhold bewegten sich noch Geschäftsführer Tom Lopez, Kommandant Mario Moersch und André Schneider, der Leiter der Musikfreunde Nippes, in großer Uniform zwischen den wenigen Obst- und Gemüseständen.

Dazu die neue Nippeser Bezirksbürgermeisterin Diana Siebert im grünen Lappenclown-Kostüm. Sie wollte den Appelsine-Funken den Schlüssel des Bezirksrathauses überreichen. Ansonsten wird der an Tanzmariechen Stina Pohl übergeben, aber die musste wie viele andere an dem Tag arbeiten – im Büro eines Autohauses in Engelskirchen. Als Mariechen-Ersatz übernahm Präsident Gerhold von Siebert den Schlüssel – „alkoholfrei, mit Maske und gebührendem Abstand“ . Nachdem Schneider noch auf der Trompete das Lied vom Veedel gespielt hatte – eilte Gerhold mit Kommandant Moersch zum Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße („Sonst gehen wir da mit dem gesamten Korps hin“), um den alljährlichen 1777-Euro-Scheck zu überreichen. Danach musste Gerhold noch für ein paar Stunden ins Büro. „Da lasse ich die Uniform an, außer mir ist ja auch keiner da.“

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Wo ansonsten Tausende jecke Wiever rund um die Tribünen der Altstädter feiern, herrschte fast gähnende Leere. Nur einige Dutzend Fotografen und Pressevertreter, die sich auf alles stürzten, was nur irgendwie nach einem kostümierten Jeck aussah, waren gekommen. Und die meisten von diesen waren dann auch noch Karnevalstouristen – aus dem Bergischen, aus der Eifel oder vom Niederrhein, die gucken wollten, ob „in Köln nicht doch gefeiert“ werde. Wurde dann auch ein bisschen – während zahlreiche Ordnungsamt-Mitarbeitern immer wieder mahnten, die Abstände einzuhalten und Masken zu tragen. Bestellt vom „Express“, plauderten und sangen Marita Köllner („Mir sin kölsche Mädcher“) und Björn Heuser zur Gitarre („Kölle sing“).

Darüber wurde fast der Countdown vergessen. Zehn, neun, acht..... Alaaf. Dafür übernahm die als Fastelovends-Virus verkleidete Petra Braun „aus Köln-Süd, aus Erftstadt“ Regie und Kommando. „Ich bin heute allein in die Stadt gekommen, aber in Köln bleibt man doch nicht lange allein.“ Und dann kam auch tatsächlich ein kleiner Mini-Zoch – zwei hintereinander her fahrende Rikschas, die mehrmals das Jan-von-Werth-Denkmal umrundeten. Darin saß Martin Bolder, Koch der Roten Funken, mit Dagmar Mielke von der Damengarde. Im zweiten Fahrzeug saßen Roter Funk Bruno Kiesberg und Ehefrau Sieglinde.

Die Kulissen aus dem Hänneschen sind ja derzeit im Foyer des Karnevalsmuseums aufgebaut, weil dort ja in den vergangen Tagen der Rosenmontagszug im Miniatur-Format aufgezeichnet wurde. Am Donnerstag diente die Hänneschen-Version von Alter Markt und Rathaus nun als Kulisse für eine corona-konforme Eröffnung des Straßenkarnevals durch das „echte“ Dreigestirn – als einen digitalen Gruß ins Homeoffice oder auf die heimische Couch. Gemeinsam mit Altstädter-Präsident Hans Kölschbach – das grün-rote Traditionskorps ist ja auch stets für das jecke Spektakel am Alter Markt zuständig – zählten Prinz Sven I., Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie den jecken Countdown runter: pünktlich um 11.11 Uhr. Als Zuschauer waren nur die Knollendorfer geladen. Und einige dieser berühmten Stockpuppen durften aus den Kulissen heraus im Konfetti-Regen „Alaaf“ rufen.

Von Karneval keine Spur. Wo normalerweise hunderte Jecken aus dem Hauptbahnhof kommen und in Richtung Altstadt laufen, ist kaum jemand zu sehen. Präsenz zeigt vor allem die Polizei, die mit fünf Einsatzwagen auf dem Vorplatz stand und den Bahnhof fest im Blick hat. Teams des städtischen Ordnungsamts kontrollieren Passanten. Keine großen Gruppen, kein Alkohol. „Die Lage ist völlig entspannt“, sagt Tim Walther vom Ordnungsamt.

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Kostümiert haben sich Sabine und Holger Kemper, die einen Spaziergang machen und sich die Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke als Ziel setzen. „Wir lassen uns nicht unterkriegen.“ Abends wollen sie mit acht Freunden feiern, mit Käsehäppchen und Kölsch – coronakonform per Videoschalte. Cornelia Gurtler und Petra Pulger trifft man am Heumarkt, wo sie die Passanten mit „Alaaf“ grüßen. Sie haben sich als Viren verkleidet und „wollen die anderen mit Frohsinn infizieren“. Doch die Atmosphäre sei traurig. „Mit Kostüm fühle ich mich wie ein Alien.“ Dass kein Alkohol verkauft und konsumiert werden dürfe, findet sie gut. Ein bisschen Feiern, das hätte ihr schon gefallen.

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