Klebriges Konfetti auf dem Alter MarktJecke trotzen dem Regen und feiern ausgelassen Wieverfastelovend

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Feiernde auf dem Alter Markt.

Jecke auf dem Alter Markt werfen Konfetti.

Der Dauerregen an Weiberfastnacht konnte die Stimmung bei der traditionellen Eröffnung des Straßenkarnevals nicht trüben.

Eine bunte Regenschirm-Polonaise tanzt durch die Menge auf dem Alter Markt, auf der Bühne spielen Cat Ballou „Gute Zeit“. Die Jecken wollen sich ihren Wieverfastelovend nicht vom Dauerregen kaputt machen lassen. Wer keinen Platz auf der überdachten Tribüne ergattert hat, der schunkelt eben mit Regencape oder Schirm, überall klebt nasses, rot-grünes Konfetti.

Fünf Minuten vor dem großen Konfetti-Countdown stimmt Prinz Sascha I. auf der Bühne a cappella „En unserem Veedel“ an, der Alter Markt singt und schunkelt mit dem Kölner Dreigestirn. Um Punkt 11.11 Uhr – der Countdown läuft nach Atomuhr – explodieren Konfettikanonen mit eben jenen Papierschnipseln in den Farben der Altstädter, die traditionell den Straßenkarneval auf dem Alter Markt eröffnen. Das Konfetti wirbelt fröhlich durch die Luft, die Jecken jubeln.

Konfetti klebt auf Regenschirmen.

Das rot-grüne Konfetti der Altstädter klebt an nassen Regenschirmen und Kapuzen.

Rund dreieinhalb Stunden vorher, es ist kurz vor acht Uhr morgens, versammeln sich die ersten Jecken am Hauptbahnhof. Von hier zieht die Große Allgemeine KG, begleitet von Abordnungen von rund 20 weiteren KGs und angeführt vom Bellejeck, zur Hofburg im Dorint Hotel am Heumarkt. Der Bellejeck ist eine historische Figur, gespielt wird sie von Alfred Wolf. „Das Wasser vun Kölle is jut, auch wenn es von oben kommt“, sagt Wolf lächelnd und läuft mit klirrendem Glöckchen durch den Nieselregen.

Prinz Sascha (M), Jungfrau Frieda (l) und Bauer Werner vom Kölner Dreigestirn feiern an Weiberfastnacht die Eröffnung des Straßenkarnevals auf dem Alter Markt.

Prinz Sascha (M.), Jungfrau Frieda (l.) und Bauer Werner vom Kölner Dreigestirn feiern an Weiberfastnacht die Eröffnung des Straßenkarnevals auf dem Alter Markt.

Eigentlich sollte auch ein Musikkorps mitziehen – das hat aber kurzfristig wegen des schlechten Wetters abgesagt. Kein Problem: Stattdessen springen Bernadette Blumenthal und ihre Freundinnen aus Zülpich ein. Sie sind schon mit Trommeln und Tambourinen angereist, gemeinsam singen sie auf dem Weg zur Hofburg „Viva Colonia“. Mit der Unterstützung des Musikkorps der Treuen Husaren „wecken“ sie dort das Dreigestirn für den ersten Auftritt eines langen Tages.

Dreigestirn wird zeitweise zum Zweigestirn

Besonders für Jungfrau Frieda wird es anstrengend. Friedrich Klupsch hat sich im vergangenen Jahr einen Muskelfaserriss im Becken zugezogen. Mitte Januar musste er wegen der alten Verletzung bereits einige Tage pausieren. In den vergangenen Tagen wurde er mehrfach behandelt, am Donnerstagmorgen verzieht er immer wieder vor Schmerzen das Gesicht. „Ich möchte heute den Tag bis zum Schluss erleben, deshalb habe ich mich für die Gehhilfen entschieden“, sagt Friedrich am Morgen. Aber 18 Auftritte im Akkord, das ist dann doch zu viel. Bei der Straßensitzung der Höhenhauser Naaksühle etwa treten Prinz Sascha I. und Bauer Werner als Zweigestirn auf.

Den Empfang der Oberbürgermeisterin im Historischen Rathaus machen die drei aber noch in voller Besetzung. Nach dem Appell der Blauen Funken in der Piazzetta wechselt Oberbürgermeisterin Henriette Reker schnell vom Frack der Blauen in die Uniform der Roten Funken. Im Hansasaal versammelt sich die Kölner Politik, verkleidet als Fußballfans, Bauarbeiter oder in rut-wiess. Bernhard Conin ist zu seinem 70. Geburtstag gleich mit der ganzen Familie gekommen, um dem Dreigestirn den Bürgerorden der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums zu übergeben.

Reker: „Am Ende reicht es nicht, die Vielfalt zu beschunkeln“

In ihrer Rede zur Eröffnung des Straßenkarnevals lobt Reker die Kölner Demonstrationen gegen Rechtextremismus, die zeigen würden, dass Köln so integrativ ist, wie es in „Unsere Stammbaum“ heißt. Aber: „Am Ende reicht es nicht, die Vielfalt zu beschunkeln. Sie konsequent zu leben, darauf kommt es an.“ Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn dankt ihr für die „klaren Worte“ und ruft auf einen friedlichen Wieverfastelovend ein dreifaches „Kölle Alaaf“ aus.

Henriette Reker empfängt im Rathaus das Dreigestirn.

Henriette Reker empfängt im Rathaus das Dreigestirn.

Friedlich bleibt es in der Altstadt allemal. Durch die Straßen huschen nur vereinzelte Jecken, sie suchen Zuflucht in den Altstadt-Kneipen, aus denen Musik schallt. Auch der Heumarkt bleibt verhältnismäßig leer. Wenige tanzen hier für sich zu der Musik, die vom Alter Markt übertragen wird. Marita Köllner hüpft über die Bühne, Cat Ballou singen „Et jitt kei Wood“ und die Höhner bringen die Jecken mit ihrer „Prinzessin“ zum Tanzen. Frontmann Patrick Lück ruft: „Macht weiter so. Lasst euch vom Regen nicht abschrecken!“ Das muss er der Menge nicht zweimal sagen, die fordert eine Zugabe und wird mit „Schenk mir dein Herz“ belohnt.

„Der Regen macht uns überhaupt nichts aus“, sagt Angelika. Sie steht mit ihren Freundinnen Silvia und Lisa unter dem Vordach eines Bierwagens, die blauen Perücken sind noch trocken. „Wir kommen seit mehr als 20 Jahren hierher, es ist so schön. Dafür stehen wir auch um vier Uhr morgens auf“, pflichtet Lisa ihr bei. Auch das als Riddler und Lucky Luke verkleidete Paar aus Frankfurt hatte eine lange Anreise. „Der Alter Markt ist für mich immer die erste Anlaufstelle. Die Musik, die Höhner sind auf der Bühne – das ist doch herrlich“, sagt der Mann mit Cowboyhut. Das findet auch Marco I. von den Loßröcke Boele aus Hagen: „Ich bin seit Jahren immer hier bei den Altstädtern. Das ist eine der schönsten Veranstaltungen, die draußen stattfindet.“ Regen hin oder her.

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