Extrem ungleiche VerteilungWo in Köln die meisten armen Kinder leben und wo die wenigsten

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Ein Kind sitzt auf einer Schaukel, sein Schatten ist auf dem Boden zu sehen, ebenso der Schatten einer weiteren Person.

Kinderarmut ist in den einzelnen Kölner Stadtteilen unterschiedlich stark ausgeprägt.

In einigen Kölner Stadtteilen sind mehr als 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen, in anderen weniger als 10 Prozent. 

In Köln ist mehr als jedes fünfte Kind arm, nämlich 22 Prozent der unter 18-Jährigen. In absoluten Zahlen sind das 39.493 von Armut betroffene Kinder und Jugendliche. Sie erhielten im Jahr 2022 sogenannte Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dazu zählen Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II (besser als Hartz IV bekannt, das seit 2023 durch das Bürgergeld abgelöst wurde). Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Anstieg um knapp 1000. Die Zahlen stammen aus dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Köln.

In den neun Kölner Stadtbezirken ist die Kinderarmut sehr unterschiedlich stark ausgeprägt: Die höchste Quote weist Kalk auf: 34,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dort auf die genannten Sozialleistungen angewiesen. Es folgen Mülheim (31,1) Porz (29,6) und Chorweiler (27,2 Prozent). Die niedrigste Armutsquote der unter 18-Jährigen belegt mit riesigem Abstand Lindenthal mit 7 Prozent.

Köln: In Kalk und Mülheim leben die meisten armen Kinder

Hinter diesen statistischen Zahlen stehen Zehntausende Kinder mit unterschiedlichsten Schicksalen und Biografien. Was sie dem Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge zufolge allerdings eint: „Ein Kind, das in Armut aufwächst, leidet tagtäglich Verzicht, Ausgrenzung und Scham. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter arm.“

Stadtteile mit den höchsten Armuts-Quoten sind linksrheinisch Chorweiler, Bocklemünd/Mengenich und Meschenich und rechtsrheinisch Kalk, Höhenberg, Neubrück, Gremberghoven und Finkenberg. Dort sind mehr als 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen; sie erhalten Sozialleistungen nach SGB II (zweites Buch des Sozialgesetzbuchs). Immer noch stark über dem stadtweiten Durchschnitt liegen mit einer Quote von 30 bis 39,9 Prozent vor allem rechtsrheinische Stadtteile – nämlich Flittard, Dünnwald, Stammheim, Mülheim, Buchheim, Buchforst, Humboldt/ Gremberg, Ostheim und Vingst – sowie linksrheinisch Seeberg und Lindweiler.

Das Foto zeigt den Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge.

Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge

Grundsätzlich hält Butterwegge es für irreführend, Menschen als arm zu definieren, wenn diese Hartz IV oder mittlerweile Bürgergeld erhalten: „Es sind nicht nur diejenigen arm, die Sozialleistungen beziehen.“ Viele eigentlich Leistungsberechtigte stellten aus Unwissenheit, Scham, Stolz oder Angst vor den Behörden gar keinen Antrag. Zudem seien es häufig nur ein paar Euro mehr, die dazu führten, dass Familien ihren Anspruch auf Bürgergeld verlören. Auch deren Kinder fielen dann aus der entsprechenden Statistik heraus. „Ich werfe den politisch Verantwortlichen vor, dass sie, anstatt die Kinderarmut konsequent zu bekämpfen, durch Reförmchen nur die Armutsstatistiken bereinigen. Ich nenne das einen Taschenspielertrick.“

Kinderarmut in Köln

Kinderarmut in Köln

Was auffällt ist, dass sich in einigen dieser Stadtteile die Armut in den vergangenen Jahren verschärft hat: Es gibt im Vergleich der Quoten von 2010 und 2022 besonders starke Anstiege von fünf Prozentpunkten und mehr. Das betrifft Meschenich, Höhenberg und Gremberghoven. Auch in Kalk und Finkenberg gibt es Zuwächse, allerdings liegen diese unter fünf Prozentpunkten.

Beim Blick auf die Stadtbezirke sticht als positives Beispiel Ehrenfeld heraus: Im Vergleich der Quoten von 2010 und 2022 sind diese um mehr als fünf Prozent gesunken. Armutsforscher Butterwegge hat dafür eine plausible Erklärung parat: „Ehrenfeld verbucht einen so großen Rückgang, weil es in diesem Zeitraum gentrifiziert wurde. Die armen Familien sind weg-, reichere Menschen zugezogen.“

Kölner Armutsforscher: Hohes Armutsrisiko für Alleinerziehende 

Das größte Armutsrisiko ist laut Butterwegge die Arbeitslosigkeit. Aber schon an zweiter Stelle stehen Alleinerziehende. Das spiegelt sich auch in den Kölner Statistiken wider: Fast die Hälfte (45 Prozent) der Alleinerziehenden in Köln erhält Sozialleistungen.

„Das wichtigste Werkzeug, um Alleinerziehende aus der Armut zu befreien, ist eine gute Betreuungsmöglichkeit für ihren Nachwuchs, damit sie arbeiten gehen können“, so Butterwegge. Daher sei ein ausreichendes Angebot an Kita- und Ganztagsplätzen für die Kinder von Alleinerziehenden essenziell. Doch ausgerechnet in den Stadtbezirken mit den höchsten Armutsquoten gibt es die wenigsten Kita-Plätze: Seit Jahren schon bildet Chorweiler das stadtweite Schlusslicht bei der Betreuung. Dort gibt es nicht einmal für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Kita-Platz. Nur etwas besser stehen Mülheim, Porz und Kalk da, doch auch diese Bezirke liegen deutlich unter dem stadtweiten Durchschnitt.

Das drittgrößte Risiko, in die Armut zu rutschen, haben Butterwegge zufolge nicht-deutsche Menschen. In Köln sind 28 Prozent von ihnen Empfänger von Sozialleistungen. Bei Nicht-Deutschen unter 18 Jahren trifft das sogar auf mehr als die Hälfte (54 Prozent) zu. Auch die Anzahl der Kinder hat Auswirkungen: Dem Forscher zufolge haben Familien mit mehr als zwei Kindern ein erhöhtes Armutsrisiko, was sich beim Blick auf die Kölner Statistik bestätigt: 17 Prozent der Familien mit einem oder zwei Kindern erhalten Sozialleistungen, bei Familien mit mehr als zwei Kindern trifft das auf 35 Prozent zu.

Zu möglichen Strategien gegen Kinderarmut sagt Butterwegge: „Die Kindergrundsicherung wäre eine Lösung, wenn man sie großzügig ausgestalten würde. Doch so, wie die Bundesregierung sie aktuell plant, bewirkt sie wenig.“ Von den 12 Milliarden, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus für die Kindergrundsicherung eingeplant hatte, sind lediglich 2,4 Milliarden übriggeblieben. „Das reicht hinten und vorne nicht, um Familien aus der Armut zu holen. Für eine armutsfeste und bedarfsgerechte Kindergrundsicherung wären mindestens 20 Milliarden Euro jährlich nötig“, fordert Butterwegge.

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