Kleinstes Straßenfest von KölnSchluss mit dem Glitzerfummel

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Lotta Lametta (r.) mit Mary Roos

Köln-Innenstadt – Es war schon dunkel, als Lola Lametta am Sonntagabend beim wohl kleinsten Straßenfest Kölns – im Thürmchenswall zwischen Turiner Straße und Domstraße – nach dem Showauftritt mit seinem Travestie-Ensemble vom Publikum mit lautstarkem Beifall gefeiert wurde. Im goldenen Glitzerfummel stand Kölns Kult-Transe („Gegen diesen Begriff habe ich nichts. Da kann ich schon trennen zwischen Job und Alltag“) im Scheinwerferlicht auf der Bühne, zog sich dann mit schnellem Griff die hochtoupierte blonde Perücke vom Kopf und zupfte sich die angeklebten, langen, schwarzen Wimpern ab, um nach und nach wieder zu Klaus Duch zu werden.

Für den war es nach Liedern wie „Ich steh das durch“ (Margot Werner), „Ein Tag wie heute“ (Ute Freudenberg) und „I'll never love this way again“ (Dionne Warwick) auch der wohl endgültige Abschied von seiner Rolle als Lola Lametta. Und den hatte ihm zuvor Schlagersängerin Mary Roos mit einem knapp einstündigen Auftritt versüßt. Wobei sie live gesungen hatte, während es bei Lola Lametta stets Playback war. „Ich kann doch überhaupt nicht singen“, verriet Duch lachend.

Eine der Königinnen der Nacht

30 Jahre lang zählte er in Köln in einer Vielzahl an stets wechselnden Kleidern zu den Königinnen der Nacht. Auf seinen 15 Zentimeter hohen High Heels stöckelte er von Sartory bis Maritim über die großen Bühnen der Stadt, genauso wie durch die kleinen und plüschigen Clubs und die düsteren Kaschemmen. Er war Grand Dame und feine Lady, bewegte sich mal zu den Songs von Marlene Dietrich und Hildegard Knef oder formte die Lippen schön synchron zu Songs der Pop-Geschichte.

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Die Frauenrolle hatte er von der Pike auf gelernt – im legendären Hotel Timp am Heumarkt. „Damals habe ich noch als Anästhesie-Krankenpfleger im OP gearbeitet – zunächst in Düsseldorf, dann 15 Jahre im Marien-Hospital.“ Ende der 80er Jahre begründete er die erste Weihnachtsshow der Stadt. Zum Motto „Lola Lametta goes X-Mas“ organisierte er alljährlich eine aufwendige Show im Sartory und sammelte jeweils Zehntausende Euros, die er an die Aidshilfe und ähnliche Projekte spendete. So lernte er auch Mary Roos kennen, die zweimal als Stargast auftrat und mit der er eine langjährige Freundschaft hegt.

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Klaus Duch in seiner Szene-Kneipe "Haus Fox"

Doch im Gegensatz zu Lola Lametta, der nun wieder dauerhaft zu Klaus Duch wird und sich ins Rentnerdasein zurückziehen will („Ich werde jetzt 65 und gebe im März die Kneipe auf. Da habe ich den Pachtvertrag nicht mehr verlängert“), macht die Sängerin noch lange nicht Schluss. „Ich will schon seit drei Jahren aufhören, aber es kommt immer irgendetwas dazwischen“, verriet die 69-Jährige, die von ihrem Bühnenpartner, dem Komiker Wolfgang Trepper, stets als „Helene Fischer aus der Bronze-Zeit“ angekündigt wird.

Seit 60 Jahren steht die aus Bingen stammende Sängerin auf der Bühne. „Premiere hatte ich als Neunjährige hier in Köln im Edelweiß auf dem Ring, das Hans Herbert Blatzheim, dem Stiefvater von Romy Schneider, gehörte.“ Damals hieß sie Rosemarie Böhm. Später sang sie bei Udo Werners Talentprobe am Tanzbrunnen, ehe sie 1972 mit „Nur die Liebe lässt uns leben“ und 1984 mit „Aufrecht geh’n“ am Grand Prix d’Eurovision teilnahm.

Präsidentin der deutschen ESC-Jury

Noch in diesem Jahr war sie beim Eurovision Song Contest Präsidentin der deutschen Jury und nahm an der fünften Staffel der Vox-Reihe „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ teil. Aus der Sendung hatte sie nun Titel von Mark Forster, Revolverheld und Johannes Oerding im Repertoire. „Sei ungewöhnlich, sei schräg und speziell, sei extravagant und originell. Mit eigenem Stil wie sonst keine Person. Sei ganz du selbst, denn alle anderen gibt es schon“, heißt es da, und diese Zeilen passten auch genau auf Lola Lametta, dem dabei ein paar Tränchen im Gesicht standen. „Es macht keinen Spaß mehr, auch wenn ich mehr Fummel zu Hause habe als Klamotten für den Alltag. Travestie ist eine untergehende Kultur. Es gibt ja keine Geheimnisse mehr im Leben. Die große Illusion, die die Travestie-Künstler einst vermittelten, interessiert heute nicht mehr.“ Norbert Ramme  

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