Waren die Unfallzahlen während der Corona-Pandemie gesunken, haben sie seit 2022 kontinuierlich zugenommen. Das sorgt für Verspätungen.
2024 in KölnNegativrekord – Immer mehr Unfälle mit KVB-Bahnen

Eine Stadtbahn der KVB und ein Auto sind im April 2024 auf dem Bergischen Ring zusamengestoßen.
Copyright: Arton Krasniqi
Auf dem Gotenring in Deutz passiert am Donnerstaggenau das, was in Köln durchschnittlich eineinhalb-Mal pro Tag vorkommt: ein Zusammenstoß zwischen einer Stadtbahn der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und einem Auto. Dessen Fahrer hatte über die Gleise nach links abbiegen wollen. Eine typische Unfallursache.
Insgesamt waren die KVB-Bahnen laut Unfallstatistik des Unternehmens im vergangenen Jahr an insgesamt 545 Verkehrsunfällen beteiligt – so oft, wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Waren die Unfallzahlen während der Corona-Pandemie gesunken, sind sie seit 2022 kontinuierlich gestiegen. Die KVB registrierte damals 476 Unfälle, im Jahr 2023 waren es 536.
Nach Unfällen müssen häufig mehrere Linien getrennt werden
Die Zahl der Verkehrsunfälle wirkt sich unmittelbar auf die Pünktlichkeit aus, da viele Abschnitte in Köln von mehreren Linien befahren werden. Laut der KVB kommt es deshalb häufig vor, dass Linien getrennt werden müssen, bis die Polizei die Unfallaufnahme abgeschlossen hat. Alle Bahnen, die von einer solchen Trennung betroffen waren, sind anschließend mit teils erheblichen Verspätungen unterwegs.
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Wenn man also am Bahnsteig einmal wieder länger auf die Bahn warten muss, kann das daran liegen, dass es irgendwo im KVB-Netz einen Unfall gab. „Bei kleinen Unfällen versuchen wir, die Unfallaufnahme nach Rücksprache mit der Polizei so durchzuführen, dass der Linienbetrieb fortgesetzt werden kann. Bei größeren Schäden kommt es auch zur Trennung von Linien und Umleitungen der Bahnen auf andere Strecken“, sagt Paul Timmer, Leiter des Leitstellenmanagements.
Wie viele Verspätungen konkret durch Verkehrsunfälle verursacht werden, kann die KVB statistisch allerdings nicht ermitteln. Das sei technisch nicht möglich, da für die Datenermittlung verschiedene Systeme im Einsatz seien.
Unfälle, bei denen die Stadtbahnen beschädigt werden, haben zudem auch dauerhafte Auswirkungen auf den Fahrplan. Je nach Schwere des Schadens fallen manche Fahrzeuge monatelang aus. Vor allem bei Materialverformungen, also strukturellen Schäden, sind die Bahnen zum Teil mehrere Monate außer Betrieb.
KVB lässt Bahnen zum Teil in externen Werkstätten reparieren
Von den insgesamt 193 Zügen des Niederflurnetzes standen zuletzt im Durchschnitt pro Tag nur 132 zur Verfügung, weil neben der normalen Instandsetzung noch Wartungsintervalle, Hauptuntersuchungen und die Reparatur von Unfallschäden zu Buche schlugen. „Grundsätzlich wirkt sich jede Art von Unfall – ob kleiner Rempler oder größerer Sachschaden – auf die Fahrzeugverfügbarkeit aus. Problematisch wird es insbesondere dann, wenn mehrere Vorfälle in kurzer Zeit auftreten oder wenn Fahrzeuge mit hohem Teile- oder Instandhaltungsaufwand betroffen sind“, sagt Martin Süß, Bereichsleiter Werkstätten Stadtbahn und Bus bei der KVB.
Wenn die Werkstattkapazität nicht ausreicht oder der Schaden zu umfangreich ist, muss die KVB beschädigte Bahnen in externe Werkstätten bringen und dort instandsetzen lassen. Das Unternehmen beauftragt zuvor einen Gutachter, um den genauen Schaden festzustellen. Anschließend muss je nach Umfang der Reparatur eine europaweite Ausschreibung folgen. Auch das verlängert den Zeitraum, bis eine Bahn wieder Fahrgäste befördern kann.
Im Notfall setzt die KVB aber auch auf kreative Lösungen: Um unabhängiger von Lieferketten zu sein, prüft das Unternehmen auch alternative Beschaffungsmaßnahmen. So wurden bereits Scheinwerferträger von Fahrzeugen mittels 3D-Druck gefertigt und dann in die Fahrzeuge eingebaut.
Die meisten Unfälle (40, 6 Prozent) ereignen sich laut der KVB in Bereichen, in denen die Stadtbahnen nicht auf einer eigenen Trasse unterwegs sind – also dann, wenn sich Bahnen und Autos die Straße teilen. Als eine Hauptursache für Zusammenstöße nennt das Verkehrsunternehmen das Linksabbiegen von Autofahrern über die Gleise (68,4 Prozent). Die häufigste Ursache für schwerere Unfälle ist das Linksabbiegen von Autofahrern trotz Rot zeigender Ampel (neun Prozent).
Auf welcher Linie es besonders viele Unfälle gibt, hängt ebenfalls damit zusammen, ob auf vielen Abschnitten der Strecke eine eigene Gleistrasse zur Verfügung steht oder sich Bahn und Auto die Straße teilen. Dementsprechend passieren auf der Linie 17, die vor allem im Nord-Süd-Tunnel unterwegs ist, die wenigsten Unfälle. Auch die Linien 16 und 18, die größtenteils über vom Autoverkehr getrennte Trassen verfügen, haben in Bezug auf ihre Gesamtlänge eine vergleichsweise geringe Unfallzahl.
Auf den Linien 1, 3, 4, 5, 7, 4 12, 13 und 15 zählt die KVB hingegen aufgrund ihrer vielen straßenbündigen Abschnitte und Überwege eine höhere Anzahl an Zusammenstößen. Als Ursache für äußerst selten vorkommende Unfälle in der U-Bahn nennt die KVB unerwartete Bremsungen, bei denen Fahrgäste im Zug, die sich nicht gut genug festhalten, zu Fall kommen und sich dabei verletzen.
KVB will die Zahl der Verkehrstoten dauerhaft auf null senken
Unfälle mit Bauarbeitern am Gleis seien indes aufgrund eines hohen Sicherheitsaufwandes und der Qualifikation des Fahrpersonals so gut wie ausgeschlossen, sagt die KVB. Auch Arbeitsunfälle beim unplanmäßigen Aus- und Einsteigen des Fahrpersonals auf der Strecke seien durch regelmäßige Arbeitsschutzkurse auf ein Minimum reduziert worden.
Unfallhäufungen an einer bestimmten Stelle im KVB-Netz seien nicht erkennbar, so das Unternehmen. Da die Betriebsleitung nach jedem schwereren Unfall Maßnahmen zur Vermeidung von Folgeunfällen veranlasse, sei das „extrem unwahrscheinlich“. Die letzte nennenswerte Häufung auf der Luxemburger Straße habe im Jahr 1990 zur Einführung der „Rot-Dunkel“-Signalisierung an Fußgängerüberwegen geführt. So verbessere die KVB an Unfallstellen die Sichtverhältnisse, passe die Signalisierung vor Ort an und kläre die Fahrerinnen und Fahrer bei Fortbildungen über besonders kritische Gefahrstellen auf.
Die Schwere der Unfälle ist nach Einschätzung der KVB durch die Gestaltung der Fahrzeuge und Betriebsanlagen in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Während die Bahnen in den 1970er und 1980er Jahren aufgrund ihrer herausstehenden Kupplungen oftmals Menschen unter den Zug zogen, sorge die Frontgestaltung der aktuell eingesetzten Fahrzeuge dafür, dass Menschen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr überrollt werden. Auch die Zahl der bei Unfällen durch die Kupplungen tödlich verletzten Beifahrer in Autos sei zurückgegangen. Im vergangenen Jahr gab es lediglich einen Verkehrstoten bei einem Stadtbahnunfall – dabei handelte es sich jedoch um einen Suizid. 21 Menschen verletzten sich schwer, 238 leicht.
Das ist aus Sicht des Unternehmens immer noch zu viel. Die KVB strebt für die Zukunft eine „Vision Zero“ an, will die Zahl der Verkehrstoten also dauerhaft auf null reduzieren und auch dafür sorgen, dass sich weniger Menschen schwer oder leicht verletzen. Das zum Stadtwerkekonzern gehörende Unternehmen testet dafür derzeit Prototypen verschiedener Fahrassistenzsysteme, die in neue Stadtbahnen eingebaut werden sollen. Sie verfügen über mehrere Kameras und sollen auch linksabbiegende Autos frühzeitig erkennen, um Unfälle zu vermeiden.


