Aymen G. soll laut Gericht erst einen Raub ermöglicht, dann bei der Polizei ausgepackt haben.
Aufklärungshilfe geleistetMildes Urteil im „Kölner Drogenkrieg“ – Richter belohnt Kronzeugen

Der Beschuldigte Aymen G. mit seinem Verteidiger Wolfgang Kutsch beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.
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Es war der erste Strafprozess zu den Vorkommnissen im „Kölner Drogenkrieg“ – und er endete am Montag für einen der drei Angeklagten mit dem Fazit: Verrat zahlt sich offenbar aus. So erhielt der 22-jährige Aymen G. trotz eines zusätzlichen Raubgeschehens eine vergleichsweise milde Strafe von sieben Jahren Gefängnis. Eine von ihm im frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens geleistete Aufklärungshilfe müsse honoriert werden, sagte der Vorsitzende Richter Michael Greve.
Köln: Angeklagter soll eigene Bande verraten haben
Geht es nach den Urteilsfeststellungen, so war Aymen G. im Juni vergangenen Jahres womöglich der Auslöser für den Drogenkrieg und die sich entladende Gewalt in Köln und dem Umland. Zum einen soll der junge Mann ein Teil der Kalker Drogenbande um den mutmaßlichen Boss Sermet A. gewesen sein. Dann soll er seine Gruppierung jedoch hintergangen und einer anderen Bande den Lagerort von 700 Kilogramm Marihuana verraten haben. Die Hälfte des Stoffes sei danach geraubt worden.
G. müsse sich zumindest im Rahmen der Beihilfe zurechnen lassen, dass eine Art Rollkommando die Lagerhalle in Hürth stürmte und den damaligen Bewacher Saddam B. niederschlug und fesselte. Einer der Täter habe B. gegen den Kopf getreten, was eine Platzwunde am Auge zur Folge gehabt habe. Dann sei dem Mann noch der Lauf einer Maschinenpistole in den Mund gesteckt worden. Mit 350 Kilogramm der Drogen, verstaut in einem Transporter, waren die Räuber unerkannt geflüchtet.
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Aymen G. hatte im Prozess vehement bestritten, seine eigenen Leute verraten zu haben und an dem Raub beteiligt gewesen zu sein. Doch Richter Greve und seine Kollegen sahen ihn aufgrund von Standortdaten auf dem Handy überführt. Die zeigten an, dass sich G. zum Tatzeitpunkt in unmittelbarer Nähe zum Tatort befunden habe. Daher könne man ihm mindestens die Rolle der Absicherung zurechnen. Für eine stärkere Beteiligung am Raub fehlten jedoch die Anhaltspunkte.
Köln: Landgericht honoriert Aufklärungshilfe bei der Polizei
Bei der Polizei hat Aymen G. seine früheren Kumpanen laut Gericht erneut verraten. Diesmal in der Rolle als Kronzeuge. G. habe sehr frühe Erkenntnisse der Ermittler im damals noch undurchsichtig erscheinenden Fall bestätigt und die Bandenstruktur rund um Schlüsselfigur Sermet A. offengelegt. Als Belohnung nahm das Landgericht in Bezug auf eine Beihilfe zu Drogengeschäften daher einen sogenannten minder schweren Fall an. Der Strafrahmen konnte daher erheblich vermindert werden.
Die beiden weiteren Angeklagten erhielten für Beihilfe zu Drogengeschäften mit sechs Jahren und siebeneinhalb Jahren Gefängnis ähnliche Strafen, obwohl sie in das spätere Raubgeschehen gar nicht involviert waren. Im Gegenteil: Einer der Verurteilten ist jener Saddam B., der als Bewacher in der Halle selbst zum Opfer wurde. Richter Greve stellte allerdings fest, dass er eben nicht ein „unbescholtener Bürger“ gewesen sei, sondern sich ja bewusst im kriminellen Milieu bewegte.
Köln: Verteidiger hatten Bewährungsstrafen beantragt
Das Verfahren wird wohl sicher den Bundesgerichtshof zwecks Überprüfung des Urteils beschäftigen. Denn während sich das Urteil etwa in dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafrahmen bewegt, hatten die Verteidiger auf Bewährungsstrafen plädiert. Die Anwälte hatten von Freundschaftsdiensten und untergeordneten Rollen gesprochen und eine Bandenmitgliedschaft verneint. Dem folgte das Landgericht nicht. Die Mitgliedschaft in der Kalker Gruppierung sei belegt.
Während noch weitere Prozesse rund um den Drogenkrieg laufen, steht das spannendste Verfahren am Landgericht noch aus. Bald nämlich muss sich die Schlüsselfigur Sermet A. auf der Anklagebank verantworten. Und zwar gebündelt für eine Vielzahl von Vorwürfen. Neben den Drogengeschäften soll er für Geiselnahmen und mehrere Explosionen vor Wohn- und Geschäftshäusern verantwortlich sein. Dem 22-Jährigen drohen 15 Jahre Gefängnis und die anschließende Sicherungsverwahrung.