Neue Liebe zum SpazierengehenKölner strömen in Parks und Grünanlagen der Stadt

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Spaziergänger im schneebedeckten Grüngürtel am Sonntag

Spaziergänger im schneebedeckten Grüngürtel am Sonntag

Köln – Auf einer Wiese im Volksgarten spielen zwei Jugendliche Frisbee, am Kahnweiher beobachtet eine grauhaarige Frau Enten, während hinter ihr Kinder im Klettergerüst hängen. Der Park ist am Samstagnachmittag gut besucht, auch wenn da noch keine Spur von Schnee zu sehen war. Die eine oder andere Maske am Kinn erinnert an die Pandemie – den Grund, weswegen die Kölner zurzeit nicht in Museen, Geschäfte oder Restaurants gehen können.

„Es bleibt nichts anderes übrig als Spazierengehen“, sagt Bastian Roetz. Er ist zu Fuß unterwegs, während seine Tochter Pauline auf ihrem neuen Hoverboard fährt – einer Art elektronischen Skateboard. „Ich habe versucht es zu fahren und beschlossen, dieses neue Corona-Hobby lieber ihr zu überlassen“, sagt der 44-Jährige und lacht. Er ist in Kurzarbeit und versucht, durch tägliche Spaziergänge den Kopf frei zu bekommen. Auch Nachrichten verfolgt er regelmäßig, um im Tagesrhythmus zu bleiben. „Ich denke zurzeit über den Sturm auf das Kapitol nach, eine Meldung, die mal nicht direkt mit Corona zu tun hatte“, sagt er.

Online-Unterricht erschwert den Alltag in der Pandemie

Auch seine Tochter hat sich inzwischen an den Alltag in der Pandemie gewöhnt: „Es ist aber schwerer, Noten im Online-Unterricht zu halten, weil man sich nicht gut melden kann“, sagt die Sechstklässlerin. Sie vermisst vor allem ihren Eislauf-Unterricht. Bis der wieder losgeht, ist das Hoverboard ihre sportliche Alternative.

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Auch Mona M. und Benno V. wollen sich an diesem Nachmittag etwas bewegen, sie stehen bei den Tischtennisplatten im Park, und spielen sich mit geliehenen Schlägern den kleinen Ball zu. Aus einer Musikbox kommt leiser Rap, beide sind zum ersten Mal hier: „Ich würde bei dem Wetter eigentlich lieber in ein Café gehen“, sagt M. Sie studiert Erziehungswissenschaften an der Uni Köln, und ist mit den Online-Vorlesungen unzufrieden: „Dozenten sind von der Technik überfordert und mit dem Stoff kommen wir nur langsam voran.“ Das bereite ihr Sorge. V. studiert Geographie und hat Seminare, die kleiner und besser organisiert seien. Weniger Kopfschmerzen also. Im Oktober kamen beide aus Aachen für ihr Studium nach Köln – Kennenlernwochen und Treffen mit Kommilitonen gab es noch keine. V. findet das richtig: „Ich nehme Corona inzwischen ernster als noch im März und halte mich strikt an alle Auflagen.“

Neue Seiten der Stadt entdecken

Am Decksteiner Weiher sind viele Jogger unterwegs. Ein Schwan schwimmt den Weiher entlang, zur Freude der kleinen Greta. Sie ist zwei Jahre alt und mit ihren Eltern hier: „Der Zoo hat zu, da dachten wir, wir kommen aus Vogelsang mal hierher zum Spazieren“, sagt ihre Mutter Marina Hebber. Die 35-Jährige hält Greta im Arm und ist schwanger, in zwei Wochen könnte es so weit sein: „Es ist leider alles ein großes Hin und Her, vor allem die Kommunikation der Maßnahmen könnte besser sein.“

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„Ich habe das Gefühl, junge Leute nehmen Corona ernster als die Risikogruppe“, sagt Giulia Marchese. Zwei ihrer Großeltern waren mit Corona infiziert, was die 26-jährige Studentin noch vorsichtiger werden ließ. Sie freut sich über die Impfung und will bis zu ihrer Dosis durchhalten. „Ich wohne in einer WG, so kann ich immerhin mal andere Leute in der Küche treffen.“ Ihre Freundin und Begleiterin bei diesem Nachmittagsspaziergang, Elena Sebening, wohnt in Klettenberg, und findet auch positive Seiten am Lockdown: „Obwohl ich seit Jahren hier lebe entdecke ich Köln durch die vielen Spaziergänge neu.“

„Es gibt eben nichts anderes zu tun“

Für Michael Haupt ist die Runde um den Weiher nichts Neues; seit sechs Jahren geht er sie mit seiner Rauhaardackel-Dame Frida regelmäßig. „Heute ist es voller, als es sonst an einem Samstag wäre. Es gibt eben nichts anderes zu tun.“

Solange Abstände eingehalten werden und Frida sich wohlfühlt, kommt er gerne her. Haupt ist in Kurzarbeit, er arbeitet in der Gastronomie: „Viel von den Finanzhilfen hat mein Betrieb nicht gesehen“, sagt er. „Aber meckern hilft keinem. Ich glaube, die Politik wird den Lockdown verlängern, es wird keinen Karneval geben.“ Der Kölner versucht sich auf einzelne, zukünftige Ereignisse zu freuen: Das nächste FC-Spiel oder seinen 60. Geburtstag im April, zum Beispiel. „Ich hoffe nur wirklich, dass der Lockdown nicht so lange geht.

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