Kein Geld? Von wegen!Einmaliges Erbe der Kölner Stadtgeschichte verkommt zusehends

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Das Fort X im Agnesviertel mit dem benachbarten Rosengarten ist beliebtes Ziel. 

Das Fort X im Agnesviertel mit dem benachbarten Rosengarten ist beliebtes Ziel. 

  • Die bekannten preußischen Festungsanlagen in Köln sind die großen Werke des Inneren Festungsrings wie Fort I im Friedenspark, Fort IV im Volksgarten und Fort X im Agnesviertel mit dem Rosengarten.
  • Besonders das Fort X ist ein beliebtes Ziel unter den Kölnern. Doch das Gebäude und auch das Zwischenwerk Va in Müngersdorf verkommen zusehends.
  • Großes Problem ist die Feuchtigkeit. Warum passiert nichts? Kein Geld? Von wegen!
  • Barbara Schock-Werner spricht über das einzigartige Erbe der Kölner Stadtgeschichte.

Köln – Man muss kein glühender Fan der Preußen sein, um sich für die ehemalige Kölner Stadtbefestigung zu begeistern. In zwei Ringen von 1818 bis 1847 und von 1873 bis 1881 angelegt, handelt es sich um die größte preußische Festung im Westen des Reichs und um die umfangreichste Baumaßnahme des 19. Jahrhunderts in Köln. Ihr Einfluss auf die Stadtstruktur war immens.

Innere Festungsring in Köln

Sehr bekannt sind die erhaltenen großen Werke des Inneren Festungsrings wie Fort I im Friedenspark, Fort IV im Volksgarten und Fort X im Agnesviertel mit dem Rosengarten. Sie verdanken ihre Erhaltung einer einzigartigen Umgestaltung in sogenannte „Grüne Forts“.

Nach dem Ersten Weltkrieg konnte OB Konrad Adenauer die Siegermächte davon abhalten, den gesamten Äußeren Festungsring plattzumachen. 27 Kehlkasernen, die stadtseitig ausgerichteten Unterkünfte der Soldaten, durften stehenbleiben.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Davon sind heute immerhin noch 13 erhalten – sechs gehörten einst zu den großen Forts, sieben zu den kleineren sogenannten Zwischenwerken. Eines von ihnen steckt übrigens im Geißbockheim des 1.  FC Köln. Im Untergeschoss kann man die preußische Anlage noch sehen.

Öffentliche Grünflächen

Zwischen 1920 und 1923 wurden die Kasernen durch den Städteplaner Fritz Schumacher in ein neues Gesamtkonzept öffentlicher Grünflächen integriert. Davon profitiert Köln bis heute. Der Gartenbauer Fritz Encke entwarf zeitgleich 27 Parkeinheiten für die Forts, von denen noch vier vorhanden sind, unter anderem am Zwischenwerk Va in Müngersdorf.

Dort entstand auf Vorschlag Adenauers die „Freiluft- und Gartenarbeitsschule“ Freiluga. Sie sollte den Kölner Kindern Biologieunterricht in „grünen Klassenräumen“ unter freiem Himmel ermöglichen, am lebenden Objekt sozusagen. Das „Schulbiologische Zentrum“ mit seinem Neubau in der Nachbarschaft des Zwischenwerks setzt Adenauers Idee bis in die Gegenwart fort.

Hilferufe von Bürgerinnen und Bürgern

Nun erreichen mich seit Jahren Hilferufe von Bürgerinnen und Bürgern, die sich für den Erhalt und für eine würdige Präsentation der preußischen Befestigungen engagieren. Als einzigartiges Relikt ihrer Epoche und mit ihrer – entgegen manchen Vorurteilen – architektonisch durchaus ambitionierten Gestaltung aus Stilelementen des Klassizismus und des gründerzeitlichen Historismus könnten sie eine Attraktion für Touristen sein, argumentiert zum Beispiel der Verein Fortis Colonia.

Fort X und Zwischenwerk Va verkommen 

Zurzeit aber verkommen die Gebäude zusehends. Besonders gilt das für das Fort X und das Zwischenwerk Va. Hauptproblem beider Anlagen: die Feuchtigkeit. Die Decken müssten dringend gegen das Eindringen von Regenwasser geschützt werden.

Durch das Dach dringt Regenwasser ins Gebäudeinnere.

Durch das Dach dringt Regenwasser ins Gebäudeinnere.

In Müngersdorf kommt die Gefahr hinzu, dass bei Sturzregen das Wasser vom Schuldach gegenüber über den asphaltierten Vorplatz fließt und in das ebenerdige Zwischenwerk einbricht. Das sei bereits mehrfach passiert, klagt Ulrich Markert von Fortis Colonia und dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege. Bedroht sei dadurch nicht zuletzt ein wertvolles, mit Spendengeldern restauriertes Modellprofil des Rheintals vom Bergischen Land bis zur Ville, ein 2,5 mal 6,5 Meter großes historisches Wandschaubild im Inneren des Zwischenwerks.

Im Zwischenwerk Va sind ebenfalls Feuchtigkeitsschäden zu sehen.

Im Zwischenwerk Va sind ebenfalls Feuchtigkeitsschäden zu sehen.

Ich habe mich schlauzumachen versucht, woran es hängt und warum seit Jahren weder am Fort X noch beim Zwischenwerk Va etwas passiert. Kein Geld? Von wegen! Der Rat hat schon 2016 für Arbeiten am Fort X eine Summe von 3,5 Millionen Euro bewilligt. Und als Markert damals auch für das Zwischenwerk Va trommelte, für das seit 2014 ein Sanierungskonzept vorliegt, fanden sich dafür im Vorwahlkampf urplötzlich weitere 420 000 Euro.

Das Geld war erst einmal futsch

„Geld war immer da, aber nie so richtig“, sagt Architekt Karsten Monnerjahn, der bereits eine ganze Reihe von Vorarbeiten geleistet hat. Was das heißen soll? Ich erspare Ihnen ein Geflecht oder besser ein Wirrwarr von Zuständigkeiten städtischer Ämter. Nur so viel: Weil die eine Behörde vergessen hatte, bereits eingestellte Haushaltsmittel abzurufen, strich die andere den Etatposten; das Geld war erst mal futsch. Dann gingen allein bei der Umwidmung der Verantwortung für das Zwischenwerk Va vom Kulturamt auf das Jugendamt von den bewilligten 420 000 Euro übers Jahr 70 000 verloren. Ein Vorgang, für den die Stadt keine Erklärung hat. „Das lässt sich für uns nicht mehr nachvollziehen“, bekam ich zur Auskunft.

„Köln Auf den Punkt II“ – Autorenlesung in Nippes

Eine zweite Sammlung mit Barbara Schock-Werners Kolumnen ist soeben erschienen. „Köln auf den Punkt II“ enthält auch bisher unveröffentlichte Beiträge.

Barbara Schock-Werner und Joachim Frank, Köln auf den Punkt II. Mit der Dombaumeisterin a.D. durch die Stadt, Vorwort von Alice Schwarzer, Fotos von Csaba Peter Rakoczy, DuMont Buchverlag, 176 Seiten, 18 Euro. Erhältlich auch im DuMont-Shop, Breite Straße 80-90, und online: www.ksta.de/shop

Buchvorstellung mit Geschichten zur Entstehung und vielen Fotos am Donnerstag, 13. Juni, 20 Uhr, Buchhandlung Blücherstraße, Telefon 0221/97638 01. Karten 12 Euro im Vorverkauf, Abendkasse 14 Euro. (jf)

info@buecher-in-nippes.de

Falls Sie gerade bei der Erwähnung des Jugendamts gestutzt haben sollten: Damit hat es seine Richtigkeit. Sage und schreibe hat für eine preußische Kaserne von 1875 im Köln des Jahres 2019 die Abteilung Kita-Bau des Jugendamts den Hut auf. Wegen der benachbarten Freiluga, versteht sich. Versteht sich? Ich habe das nicht verstanden. Die Freiluga ist doch für Schulkinder da. „Da fragen Sie mich jetzt bitte nicht“, bat mich Heidi-Dorothee Felker, eine sehr nette, engagierte Dame von der „Stabsstelle Kita-Bau“, bei einem Ortstermin. Zu dem alten Gemäuer seien sie gekommen „wie die Jungfrau zum Kind“. Also, ich muss sagen: In Köln gibt es doch immer wieder was zum Staunen.

Fort X am Neusser Wall

Sanierungsbeginn in Müngersdorf sollte „noch im Laufe des Jahres 2018 sein“ schrieb die Oberbürgermeisterin an den Fortis-Colonia-Vorsitzenden Konrad Adenauer. Das war im vorigen Juli. Fast ein Jahr später ist – nichts passiert. Dass ihr die Festungswerke am Herzen liegen, betonte Henriette Reker in ihrem Schreiben ausdrücklich. Konkret bezog sich das auf Fort X am Neusser Wall, eine „sehr bedeutende und beeindruckende Anlage“, so die OB.

Auch da drängeln die privaten Denkmalschutzvereine wegen der Sanierung. In Teilen des Gebäudes sei das mit zwei bis zweieinhalb Meter Erdreich bedeckte Dach des Forts inzwischen so leck, dass man in den Räumen darunter „bei Regen duschen könnte“. Das erzählt Wilfried Ritter, Heimwart der Karnevalstanzgruppe „De Höppemötzjer“. Sie hat seit mehr als 30 Jahren Räume im Fort gepachtet, für Sitzungen, Mitgliederversammlungen und „fürs Amüsemang“. Die „Ratsbläser“, auch hier im Fort untergebracht, wussten sich nicht mehr anders zu helfen, als eine provisorische Plastikplane zu spannen.

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Die Erdabdeckung hätte eben kontinuierlich gepflegt werden müssen, was aber über lange Jahre vernachlässigt wurde, so dass wild ausgesäte Bäume bis auf 60, 70 Zentimeter Stammumfang heranwachsen konnten. Auch Teile der Fassade verfallen immer weiter. Etliche Zinnen waren so locker, dass sie herunterzufallen drohten. Sie mussten abgenommen und rückwärtig abgelegt werden.

An einigen Stellen sollen Bauzäune verhindern, dass Besucher des Forts sich der Fassade nähern. Vorsicht, Steinschlag! Und das an einem so beliebten und gut frequentierten Ort. „Je länger das Nichtstun dauert, desto größer werden die Gebäudeschaden“, warnt Henriette Meynen, die früher beim Stadtkonservator gearbeitet hat und sich wie kaum eine zweite mit den Kölner Festungswerken auskennt.

3,5 Millionen Euro sollten endlich fließen

Die 2016 bewilligten 3,5 Millionen Euro sollten nun endlich fließen, finde ich, so dass nach kleineren Vorarbeiten wirklich etwas geschehen kann. Ich frage mich ja überhaupt, warum der Stadtrat es sich gefallen lässt, dass Geld einfach verschwindet und Ratsbeschlüsse ignoriert werden.

Soweit ich höre, steht die Stadtverwaltung nämlich immer noch auf der Bremse. Ende 2018 hieß es, in zwei Jahren werde nun weitergemacht. Das wäre dann also im nächsten Jahr. Aber vielleicht sollte ich das lieber nicht so sagen. Denn welches nächste Jahr wirklich das nächste ist – das ist in Köln sehr ungewiss. Trotzdem beteuern die Festungsverteidiger von Fortis Colonia unverdrossen: „Wir sind optimistisch. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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