Wohnungsnot„Manche leben 15 Jahre in der Notunterkunft“ – Diese Kölnerin hilft Geflüchteten bei der Wohnungssuche

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Kohestan Raasti steht an der Tür der Caritas-Büroräume in Sülz.

Kohestan Raasti hilft Geflüchteten, eine Wohnung zu finden. Das wird immer schwerer.

In Köln wird es immer schwerer für Geflüchtete, Wohnungen zu finden. Kohestan Raasti hilft bei der Vermittlung und stößt oft auf Grenzen. 

Kohestan Raasti kennt die Dankbarkeit, wenn sie einer Familie geholfen hat, nach Jahren in einer Sammelunterkunft eine Wohnung zu finden. Sie kennt den Frust, wenn auch die 20. oder 30. Wohnungsbesichtigung mit einer Absage endet. „Leider“, sagt die Sozialarbeiterin der Caritas in ihrem Büro im Keller der St. Karl-Borromäus-Kirche an der Zülpicher Straße, „gibt es auch die Geflüchteten, die seit mehr als zehn, manche seit 15 Jahren in einer Notunterkunft leben und keine Wohnung finden – und die Geflüchteten aus der Ukraine sehen, die nur für kurze Zeit mit in der Unterkunft leben, um sofort weiterzuziehen in eine Wohnung“.

Die Auszugsmanagerin kennt den Krieg aus eigener Erfahrung

Raasti kennt den Krieg aus eigener Erfahrung. Sie ist in Marivan aufgewachsen, einer kurdischen Stadt im Iran. „Wir haben zu Beginn des ersten Golf-Kriegs dort gelebt und die Giftgasanschläge miterlebt, bei denen sehr viele Menschen auf fürchterliche Art gestorben sind“. Sie weiß, dass Menschen, die Krieg erlebt haben, nach der Flucht einen Rückzugsort brauchen – und Unterstützung beim Ankommen in der Fremde.

Die 42-jährige Kölnerin arbeitet im städtischen Auszugsmanagement – einem im Jahr 2011 vom Stadtrat beschlossenen Projekt, in dem neun Sozialarbeiterinnen und -arbeiter von Caritas, Rotem Kreuz und Kölner Flüchtlingsrat Geflüchteten helfen, eine Wohnung zu finden.

Kohestan Raasti stellt Kontakt zu Vermietern her, sie akquiriert Wohnungen, erklärt Zahlungs- und Vertragsmodalitäten, Hausordnung, Mülltrennung. Sie kommt mit zu Besichtigungen, organisiert, wenn nötig, die Kaution. Nach Abschluss des Mietvertrags bleibt sie drei Monate lang Ansprechpartnerin für die Menschen. „Wir sind Mittlerinnen zwischen Eigentümern und Geflüchteten“, sagt Raasti. „Wir helfen nicht nur bei der Bürokratie, sondern berücksichtigen, wo die Menschen herkommen und wie es ihnen geht. Und wir versuchen, Vermieterinnen und Vermieter zu überzeugen, wie wichtig es ist, an Geflüchtete zu vermieten.“ Es gehe um Menschenwürde, „und um den sozialen Zusammenhalt in der Stadt“.

Die Wohnungsangebote haben abgenommen in Köln

Die Hilfsbereitschaft von Eigentümerinnen und Eigentümern habe seit dem Ukraine-Krieg stark zugenommen, sagt Raasti. Das sei wunderbar, „aber es führt natürlich auch zu Konflikten. Wir haben Familien aus verschiedenen Herkunftsländern, die seit 2015 in Gemeinschaftsunterkünften leben, andere noch viel länger. Wir möchten Menschen unabhängig von ihrer Herkunft vermitteln – leider rennen wir damit nicht immer offene Türen ein“.

Viele Menschen erführen bei der Wohnungssuche Ablehnung und Diskriminierung. „Dazu kommt das Problem des immer größer werdenden Wohnungsmangels: Die Angebote haben stark abgenommen.“ Im Jahr 2020 hat das Auszugsmanagement 407 Geflüchteten bei der Vermittlung in 130 Wohnungen geholfen. 2021 konnten 334 Menschen in 110 Wohnungen vermittelt werden, 2022 immerhin noch 284 Geflüchtete in 103 Wohnungen.

Wie es ist, als Geflüchtete nach Deutschland zu kommen, in einer Notunterkunft zu leben, diskriminiert zu werden und vergeblich nach einer Wohnung zu suchen, weiß Raasti aus eigener Erfahrung. Sie war zehn, als ihre Familie aus dem kurdischen Teil des Iran mit ihr und ihren zwei Brüdern flüchtete und zunächst in einer Sammelunterkunft in Alfter-Oedekoven landete. „Sieben Monate haben wir in einer Turnhalle ohne Rückzugsmöglichkeit gelebt“, erinnert sich Raasti.

Über Freunde ergatterten sie eine kleine Wohnung am Kölnberg in Meschenich. „Dort will man nicht unbedingt aufwachsen, aber für uns war es ein Riesenschritt, eine eigene Wohnung zu haben.“ Immer wieder habe sie die Erfahrung gemacht, nicht genügend Zuspruch zu erhalten: „Viele Lehrerinnen und Lehrer haben mir vermittelt, dass ich es nicht schaffen werde. Ich sollte auf die Hauptschule statt auf die Realschule, später lieber eine Ausbildung machen als Abitur und studieren.“

Mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, fühlt Kohestan Raasti sich verbunden: So ist Nizaqete Bislimi-Hošo aus dem Kosovo, deren Familie über viele Jahre nur geduldet in Deutschland lebte, eine Freundin von ihr. Bislimi ist heute Buchautorin und Anwältin in der Kanzlei, die einst beim Asylverfahren ihre Eltern half – sie vertritt Menschen, die nur geduldet sind in Deutschland.

Es reicht nicht, das iranische Regime zu verurteilen und ein paar kleine Sanktionen auszusprechen.
Auszugsmanagerin Kohestan Raasti

Bei Kohestan Raasti spielt die eigene Geschichte ebenfalls eine Rolle für ihre Arbeit. „Ich weiß, wie wichtig es ist, eine Wohnung zu haben, um anzukommen: Nach der Flucht Ruhe zu finden, die Sprache zu lernen, Arbeit zu finden – und seinen Platz in der Gesellschaft“, sagt sie. „Leider nehmen Empathie und Solidarität ab, je weiter ein Krieg oder Konflikt entfernt ist.“ Auch der kulturelle Hintergrund spiele eine große Rolle.

Mit Sorge und Hoffnung blickt Raasti in den Iran. In ihrem Büro hängt ein Bild von Jina Mahsa Amini, einer jungen Kurdin, mit deren gewaltsamem Tod die Protestbewegung in ihrem Heimatland begann. „Tausende Menschen riskieren täglich ihr Leben, damit das Terrorregime irgendwann ein Ende hat“, sagt sie. Der Iran unterstütze die Terrororganisationen Hisbollah und Hamas, liefere Waffen an Russland, kämpfe an der Seite des syrischen Diktators Assad, lasse Regimegegnerinnen und -gegner wahllos hinrichten.

„Die Bundesrepublik Deutschland hat eine große Verantwortung“, sagt Kohestan Raasti. „Es reicht nicht, das Regime zu verurteilen und ein paar kleine Sanktionen auszusprechen. Deutschland ist bis heute der größte Handelspartner des Iran in Europa. Das finde ich traurig und nicht hinnehmbar.“

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