Kölner Corona-ProtokollRapper Goldroger: „Viele Lieder werde ich nie live spielen“

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CP-Goldroger

Rapper Goldroger

  • „Die Krise macht etwas mit uns“ heißt es oft. Was das ist, erfahren wir am besten, wenn wir Menschen begleiten.
  • In der Serie „Kölner Corona-Protokolle“ erzählen ab sofort regelmäßig fünf Menschen, was die Pandemie mit ihnen macht: Sie gefährdet ihre Gesundheit, ihre Freiheit, ihren Beruf und ihre Träume.
  • In dieser Folge erzählt Rapper Goldroger offen von seinen Gefühlen und Sorgen in der Corona-Krise.

Köln – Als die Fallzahlen Mitte November gestiegen sind, war ziemlich bald klar, dass wir unsere Tour wegen Corona zum dritten Mal verschieben müssen. So gefrustet wie bei der ersten und zweiten Absage war ich nicht – man hat sich inzwischen fast daran gewöhnt, dass es komplett unsicher ist, wie sich die Pandemie entwickelt und wann wir wieder auf der Bühne stehen können.

Es liegt außerhalb meiner Macht, deswegen habe ich versucht, möglichst pragmatisch damit umzugehen. Habe neue Songs eingespielt, ein bisschen Werbung gemacht, Freunde und Familie getroffen, gechillt. 

Eine statt drei Tourneen, im besten Fall

Ich kenne Bands, die haben ihre Merch, T-Shirts, Poster, Flyer und sowas jetzt zum dritten Mal umsonst gemacht, die müssen das Zeug irgendwie übers Internet verticken, um nicht darauf sitzen zu bleiben. Wir haben dieses Mal zum Glück noch nichts gedruckt.

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Mir geht es mental gut gerade, und trotzdem bin ich natürlich immer mal wieder gefrustet. Erhofft war, dass ich zu meiner Trilogie „Diskman Antishock“ vielleicht drei Touren spiele – jetzt wird es, wenn Corona es zulässt, diese eine sein. Man kann aber auch nicht wirklich mehr als 20 Tracks pro Set spielen, das heißt viele neue Lieder wurden dann nie wirklich live gespielt.

Songs entwickeln sich beim Live-Spielen

Das ist total schade, weil sich das Bild der Songs oder die Songs selber live ja erst richtig entwickeln. Das Publikum gibt dir Feedback, die Leute rasten aus oder sind ruhiger als gedacht, sie sprechen auf einen Beat oder eine Zeile besonders an, und das nehme ich auf, spreche mit meinen Leuten drüber und verändere vielleicht etwas - all das gibt es seit zwei Jahren nicht, und wird es für viele Tracks auch nie geben.

Unsere Tour soll jetzt Ende Mai starten. Im Moment sieht es wieder ganz gut aus, es wird gelockert, man hat den Eindruck, dass nach und nach alle Einschränkungen fallen, und im Frühsommer macht das Virus ja eh meistens Pause. Hoffentlich können die Leute dann ohne Maske und Abstand kommen, nicht wie vergangenen Spätsommer, als wir ein paar Gigs hatten, zum Beispiel auf dem Reeperbahn-Festival in Hamburg, es aber viele Auflagen für sowas gab.

„Coronakonfrom“ fehlt etwas

Ich gehe sonst eigentlich nach jeder Show noch zum Merchandising-Stand und bleibe so lange, bis alle ein Foto oder so haben. Meine Community kommt aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, und einigen reisen von weiter an ein zu den Shows, da ist es ja das mindeste, dass ich mir danach auch Zeit für die Leute nehme. Wenn die Shows aber „coronakonfrom“ sein müssen, wird das schwer – und da würde schon etwas Wichtiges fehlen im Zweifel.

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Wenn die Tour startet, muss klar sein, dass wir sie auch durchziehen können: Der Horror wäre, wenn einer aus der Crew Corona kriegt und wir deswegen mittendrin Konzerte absagen müssten. Viele aus der Szene, die ich kenne, kämpfen immer noch mit der Situation. Keine Shows und damit fehlende Einnahmen sind ein Grund, der andere ist, dass sich durch den Fokus aufs Digitale die Halbwertzeit von Songs, Bildern und Videoclips nochmal dramatisch verkürzt hat. Die Tourneen sind da eigentlich ein gutes Korrektiv: Wenn Du unterwegs bist, spielst Du jeden Abend, es gibt automatisch immer genug coolen Content, der diesen Hunger nach Neuem stillt, während du als Musiker einfach mal das Ding machen kannst, um das es im Endeffekt geht und das den Akku auflädt - von Stadt zu Stadt reisen und auf der Bühne vor echten Leuten stehen.

Gespräch mit Lars Klingbeil

Zwischendurch habe ich mal Lars Klingbeil angeschrieben (SPD-Generalsekretär, die Red.), von dem ich wusste, dass er meine Musik kennt, er hat mich danach sogar zurückgerufen und sich angehört, warum wir als freie Künstler Sorgen haben – das Gespräch war super cool und ich hab mich voll darüber gefreut. Viele Kreative fühlen sich in der Pandemie nach wie vor nicht gehört, aber bei ihm hatte ich schon das Gefühl, dass er sich das Thema zu Herzen nimmt und ihm diese Musikszene wichtig ist. 

Die positive Seite von Corona

Wenn eine Sache an der Pandemie positiv ist, dann vielleicht die, dass die Wissenschaft jetzt zumindest in Teilen der Gesellschaft mehr gehört wird. Wenn Corona dann letztlich dazu führen könnte, dass ein Unternehmen wie Biontech, das ja auch an Krebsmedikamenten arbeitet, jetzt die Ressourcen hat, dass Krebs vielleicht zehn Jahre früher besiegt werden kann als in einem alternativen Universum, wäre das unterm Strich ein schöner Effekt.

Vorläufig glaube ich aber, dass die Hunderte von Milliarden, die die Lockdowns kosten, eher dazu beitragen, dass am Ende zu wenig in den Klimaschutz investiert werden kann – sowohl finanziell als auch zeitlich.  Da bringt es uns dann leider auch nichts mehr, wenn wir zwar Krebs heilen und hundert werden können, aber der Lebensraum fehlt.

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