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Kölner Hochwasserexperte„Das hält kein Deich aus“

3 min

Reinhard Vogt leitet die Hochwasserschutzzentrale in Köln.

KölnHerr Vogt, in den vom Hochwasser betroffenen Regionen sind zahlreiche Deiche gebrochen. Waren die Bauwerke nicht stabil genug?

Reinhard Vogt: Ich befürchte, dass die Deiche in den Hochwassergebieten bis an die Belastungsgrenze Wasserdruck aushalten mussten und dem nicht gewachsen waren. Die Sandsäcke erhöhen den Druck auf den Deich von oben sogar noch. Das hält kein Deich aus. Das zeigt, dass man auf extreme Wasserstände ausgerichtet sein muss. Ein Deich sollte sogar ein leichtes Überströmen aushalten können. Das war dort nicht gegeben.

Woran erkennt man, wenn ein Deich zu brechen droht?

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Vogt: Ein Deich sollte so aufgebaut sein, dass Wasser durchsickern kann, das man auf der Landseite zurück in den Fluss pumpen kann. Die Durchsickerungen müssen ständig beobachtet werden, das machen so genannte Deichläufer. Wenn das Wasser hinter dem Deich verschmutzt aussickert, kann man erkennen, dass Feinsandteile ausgespült werden und die Struktur instabil wird. Dann wird es gefährlich.

Worin unterscheiden sich neue von alten Deichen?

Vogt: Neue Deiche sind nach einer bestimmten DIN-Norm gebaut, breiter und flacher als alte. Die alten Deiche dagegen sind relativ steil und entsprechen nicht dieser Norm. Darum ist es wichtig, dass alle Deiche der Norm entsprechend umgerüstet werden. Da gibt es aber noch Nachholbedarf. Bei dem gebrochenen Deich im bayerischen Deggendorf war Sanierungsbedarf vorhanden, der aber nicht durchgeführt wurde.

Wie wird ein Deich instand gehalten?

Vogt: Man muss den Deich regelmäßig auf Schwachstellen überprüfen. Zur Wartung gehört auch häufiges Mähen der Wiesen. Darauf wird aber teilweise aus Gründen des Naturschutzes verzichtet. Wenn das Gras aber zu lang ist, kann man den Deich nicht gut beobachtet, man sieht nicht so schnell, wo das Wasser austritt. Außerdem ist die Grasnarbe nicht so dicht.

Gibt es weitere Probleme?

Vogt: Wühltiere wie Bisamratten oder Maulwürfe zum Beispiel. Die ziehen lange Gänge durch den Bau, das gefährdet die Standfestigkeit. Die Tiere muss man entfernen, zur Not auch töten. Das ruft oft Tierschützer auf den Plan. Da muss ich mich aber fragen, was wichtiger ist: Der Schutz der Tiere oder der Schutz der Menschen.

Wer ist für die Wartung der Deiche verantwortlich?

Vogt: Jedes Bundesland für sich ist für die Wartung und Instandhaltung zuständig. Das hat früher zu grotesken Situationen geführt: Am Rhein zum Beispiel gab es unterschiedliche Deichhöhen am selben Abschnitt des Flusses. Rechtsrheinisch in Hessen war der Deich Höher als linksrheinisch in Rheinland Pfalz. Dazu gibt es zum Glück mittlerweile Länderabkommen.

Würde es helfen, einfach höhere Deiche zu bauen?

Vogt: Das macht aus meiner Sicht keinen Sinn, weil man das Problem einfach nur flussabwärts verlagert. Der Fluss wird schneller, Hochwasserwellen kommen zusammen, die Gefahr wird noch größer. Bestimmte Deiche wären vermutlich nicht gebrochen, wenn man sie rechtzeitig weiter ins Landesinnere verlegt hätte. Dann hätte der Fluss mehr Platz gehabt, sich auszudehnen und die Pegel wären niedriger gewesen.

Könnten die Deiche in Köln bei einem vergleichbaren Hochwasser ebenfalls brechen?

Vogt: Diese Gefahr besteht aus meiner Sicht nicht. Das liegt an der Bauweise der Kölner Deiche. Hier sind Spundwände in die Erde getrieben worden, die im Zweifel für sich alleine stehen könnten. In Worringen im Kölner Norden zum Beispiel haben wir 20 Metern lange Spundwände verbaut. Der Deich selber ist nur aufgeschüttetes Erdreich, hat kaum Funktion und sieht eigentlich nur gut aus.

Das Gespräch führte Brian Schneider