„Europa. Jetzt aber richtig“Mai-Demo lockt viele Kölner auf den Heumarkt

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Auf dem Heumarkt gab es die Abschlusskundgebung.

Köln – Rund 8000 Menschen haben am Mittwoch am Demonstrationszug und an der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds zum 1. Mai in Köln teilgenommen - deutlich mehr als im vergangenen Jahr. Offensichtlich sei „die Zeit reif, auf die Straße zu gehen“, sagte Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB-Stadtverbands Köln, auf dem Heumarkt.

Als Motto der Kundgebungen zum Tag der Arbeit hatte der DGB bundesweit das Motto „Europa. Jetzt aber richtig“ ausgegeben. „Gutes Leben erfordert auch gutes Geld für gute Arbeit“, sagte Roßmann. Dagegen stünden die Auswüchse einer globalen, unregulierten Ökonomie, in der Tarifstandards aufgeweicht und Arbeitszeiten „grenzenlos geöffnet“ würden. „Wir wollen flexible Selbstbestimmung für die Arbeitnehmer und nicht für das Kapital“, sagte der Gewerkschaftschef und erwähnte als positives Beispiel den Tarifabschluss, den die Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft im vorigen Dezember mit der Deutschen Bahn ausgehandelt hat; darin ist neben einer Lohnerhöhung vorgesehen, dass die Beschäftigten alternativ mehr Urlaub oder eine Arbeitszeitverkürzung wählen können. Als einen Erfolg gewerkschaftlichen Drucks wertete Roßmann auch, dass seit Anfang dieses Jahres Angestellte und Arbeitgeber die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung wieder paritätisch, also zu gleichen Teilen tragen.

Lang war die Liste der Fordernungen

Lang war die Liste seiner Forderungen. So müssten Frauen, die etwa in der in der Pflege, in sozial- und Erziehungsberufen arbeiten, besser bezahlt werden; das gelte auch für Zusteller, Leiharbeiter und Arbeitskräfte in Hotels und Gaststätten. Grundsätzlich plädierte Roßmann für eine deutliche Steigerung des Mindestlohns: „Zwölf Euro sind keine Utopie, sondern das Ziel, das wir möglichst schnell erreichen müssen.“

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In Köln, wo es notorisch an bezahlbarem Wohnraum mangele, müsse die Quote der Wohnungen mit Sozialbindung erhöht werden; beim Neubauprojekt „Deutzer Hafen“ sollten 70 Prozent des Wohnraums öffentlich-rechtliches oder genossenschaftliches Eigentum sein. Zum geplanten Personalabbau bei den Ford-Werken sagte der Kölner DGB-Vorsitzende, die Arbeitnehmer sollten bei der US-Mutter durchsetzen, dass am Standort Köln im Zeichen der E-Mobilität gute Produkte“, das heißt emissionsfreie Autos hergestellt würden, um Arbeitsplätze zu sichern.

„Radikale Neuorientierung bis hin zu einem sozialen, solidarischen und gerechten Europa“

Wenn „globale Herausforderungen“ den Menschen Angst und sie anfällig für populistische Strömungen machten, habe dies damit zu tun, dass die Politik keine „Lösungen für die Betroffenen“ entwickle. Daran knüpfte Arbeitsmarktforscher Steffen Lehndorff an. Durch ihre „neoliberale Politik“ hätten „sich als pro-europäisch verstehende Regierungen“, nicht zuletzt die Bundesregierung, vor allem nach der Finanzkrise 2008 dafür gesorgt, dass Nationalisten und Rassisten Auftrieb bekommen hätten. Er sprach sich für eine „radikale Neuorientierung hin zu einem sozialen, solidarischen und gerechten Europa“ aus.

Dazu gehöre unter anderem, massiv in moderne Infrastruktur zu investieren, statt öffentliche Ausgaben zu kürzen, das wirtschaftliche Gefälle innerhalb der EU mit „Transfers“ auszugleichen, „Tarifverträgen den Vorrang vor dem freien Wettbewerb zu geben“ und keine Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge zu verfolgen, sondern „legale Fluchtwege nach Europa“ zu schaffen und Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen, etwa durch den Abschluss „gerechter Handelsverträge“ mit afrikanischen Ländern. Wie zuvor schon Roßmann wandte sich Lehndorff gegen die Forderung von US-Präsident Trump, die Rüstungausgaben zu erhöhen; im Gegenteil müsse es darum gehen, Europa als „Friedensprojekt“ zu stärken.  

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