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Mein Veedel
Mit der Chefin des Literaturhauses durchs Griechenmarktviertel

5 min
Eine Frau schaut in die Kamera, während sie durch eine schmale Straße geht.

Fischer spaziert gerne durch die kleinen Gassen im Griechenmarktviertel.

Wie eine Insel liegt das Griechenmarktviertel zwischen den Hauptstraßen Nord-Südfahrt, Blaubach und Cäcilienstraße. Es bietet viel Geschichte und versteckte Cafés.

„Ich habe mich für einen Spaziergang durch das Griechenmarktviertel entschieden, weil ich hier die meiste Zeit verbringe. Diese Gegend ist nichts zum Flanieren oder Schaufensterbummeln, aber sie steckt voller Kölner Stadtgeschichte“, sagt Bettina Fischer, die Chefin des Kölner Literaturhauses, das gemeinsam mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ für die Aktion „Ein Buch für die Stadt“ verantwortlich ist.

Eine Frau sitzt lesend vor einem Haus mit historischer Fassade.

Bettina Fischer, die Chefin des Kölner Literaturhauses, sitzt vor ihrem Arbeitsplatz, dem Haus Bachem, das aus dem 16. Jahrhundert stammt.

Ihr Arbeitsplatz liegt am Großen Griechenmarkt, weshalb ihr Viertel auch als Griechenmarktviertel bekannt ist. Es befindet sich in einem der ältesten noch erhaltenen Bürgerhäuser Kölns – im Haus Bachem, das seit 1938 im Besitz der Familie Limbourg ist. Die Ursprünge reichen zurück ins 16. Jahrhundert. Es zählt zu den wenigen Gebäuden der Stadt, die die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs unbeschadet überstanden haben. Das Haus war über Jahrhunderte mal Wohnhaus, Weinstube oder Brauerei – heute ist es eine Kulturstätte.

Umschlossen wird das Viertel von drei großen Verkehrsachsen – dem Blaubach, der Nord-Süd-Fahrt und der Cäcilienstraße – und wirkt dadurch fast wie eine Insel im Kölner Großstadttrubel. Wer diese Insel aber betritt, wird von Kultur und beeindruckender Architektur regelrecht empfangen.

Blick auf eine Kirche mit einem geöffneten Gittertor, das den Eingangsbereich der Kirche absperrt.

In der Kunststation St. Peter hängt das Rubens-Gemälde Kreuzigung Petri.

In der Kirche St. Peter finden nicht nur Gottesdienste statt – sie ist auch als Kunststation Sankt Peter international bekannt. Besonders beeindruckend ist das Gemälde „Kreuzigung Petri“ von Peter Paul Rubens, der bis zu seinem zwölften Lebensjahr im Sprengel der Pfarrei aufgewachsen ist.

Das Graffiti von Harald Naegeli wurde nach der versehentlichen Entfernung wieder aufgetragen

Gleich nebenan steht das Rautenstrauch-Joest-Museum und im ehemaligen Kirchenschiff von St. Cäcilien befindet sich das renommierte Schnütgen Museum für sakrale Kunst. „Wer nicht gerne ins Museum geht, dem empfehle ich den kleinen Innenhof zwischen den beiden Gebäuden. Unter den alten Kastanien trinke ich gerne einen Kaffee und muss jedes Mal schmunzeln über das Schicksal des Graffitis von Harald Naegeli“, erzählt Fischer, die in der Kölner Südstadt wohnt und täglich mit dem Fahrrad in ihr Arbeitsviertel fährt.

Der Schweizer Künstler sprayte in den 1980er-Jahren illegal ein Skelett auf das zugemauerte Westportal von St. Cäcilien. Das Werk wurde später als „Kölner Totentanz“ unter Denkmalschutz gestellt – bis im vergangenen Jahr eine Reinigungskraft der AWB, die das Graffiti fälschlicherweise für Schmiererei hielt, es kurzerhand entfernte. Es wurde aber nachgezeichnet und ist heute wiederzusehen.

Eine Frau sitzt in einem Innenhof unter einer großen Kastanie an einem Café-Tisch.

Fischer genießt die Ruhe unter den alten Kastanien, im Hintergrund das Graffiti "Kölner Totentanz" von Naegeli, das die AWB versehentlich weggeputzt hatte

Süßes oder Salziges, je nach Lust und Laune, holt sich Bettina Fischer im kleinen Eckbistro „Meinstein“. „Das ist nur einen Katzensprung vom Literaturhaus entfernt, nicht größer als ein Wohnzimmer, sehr minimalistisch eingerichtet, und der selbstgebackene Kuchen schmeckt einfach fantastisch“, erzählt sie, die hier gerne mit ihrem Team vorbeischaut.

Der Betreiber des Cafés steht neben einer Frau mit Kurzhaarfrisur, die einen lachsfarbenen Blouson trägt.

Bettina Fischer isst in dem kleinem Café Meinstein gerne mal ein Stück Kuchen.

Nach den Veranstaltungen im Literaturhaus ist es Tradition, die eingeladenen Autorinnen und Autoren zum Essen auszuführen. Seit Jahren setzt Gastgeberin Bettina Fischer auf die Traditionsgaststätte „Bei d’r Tant“. „Die Gastwirte sind unkompliziert, haben kölschen Geist, eine gute Küche und das Essen ist bezahlbar. Ich kann den überbackenen Camembert mit frittierter Petersilie empfehlen. Der Köbes sagte mal zu mir: ‚Ihr seid besser als jeder Stammtisch‘ – da fühlten wir uns richtig geadelt.“

Jenseits der Museen verändert sich die Gegend. Es gibt viele Gassen und kleine Häuser, in denen früher einfache Bürger lebten. An den Bächen arbeiteten Gerber und Färber. Straßennamen wie Griechenmarkt, Griechenpforte oder Agrippastraße erinnern an die römische und mittelalterliche Geschichte des Veedels, das auch Griechenmarktviertel genannt wird.

Eine kleine Gasse, in denen gerade Bauarbeiten stattfinden, ist zu sehen. Im Vordergrund hängt eine Erklärtafel an einem Haus mit lilafarbener Fassade zum Namen Griechenmarktviertel.

Fischer spaziert gerne durch die kleinen Gassen im Griechenmarktviertel.

„Meine Arbeitstage sind manchmal sehr lang. Um mich zu bewegen und den Kopf freizubekommen, gehe ich sehr gerne eine Runde spazieren. Ich finde hier nicht alles schön, aber es ist schön, dass man immer wieder etwas Neues entdecken kann.“

An der Ecke Fleischmengergasse liegt die Blumen-Boutique von Monika Schmitz. „Hier finde ich immer einen passenden Blumenstrauß, der zu den Lesungen passt – mal schlicht, mal opulent, aber immer mit viel Liebe zusammengestellt.“ Rund um die Fleischmengergasse und den Kleinen Griechenmarkt hat sich in letzter Zeit viel verändert. Immer mehr asiatische Läden haben eröffnet: Neben Lebensmittelläden und Bekleidungsgeschäften gibt es mittlerweile auch indische Cafés und Restaurants; fast ein kleines „Little India“.

Die Front eines Restaurants mit Namen Ginti & More ist zu sehen.

Das indische Restaurant „Ginti and More“ ist auch bei indischen Autoren, die im Literaturhaus zu Gast sind, sehr beliebt.

Bettina Fischer lädt ihre Gäste gerne ins „Ginti & More“ ein – ein Restaurant, das sogar bei indischen Autoren bestens ankommt. „Ich wünsche mir, dass hier noch mehr Gastronomie entsteht. Das Sternerestaurant von Julia Komp liegt direkt neben dem Literaturhaus  – da könnte ich mir gut eine Kooperation vorstellen.“ 

In direkter Nachbarschaft ist die Karl Rahner-Akademie

In guter Nachbarschaft steht das Literaturhaus mit der Karl Rahner Akademie. Sie ist nicht nur ein Ort für Debatten und Austausch zwischen Theologie, Gesellschaft und Kultur, sondern auch eine verlässliche Adresse, wo Bettina Fischer und ihr Team sich unkompliziert eine Leiter oder sogar einen Schraubenzieher ausleihen können. Ansonsten herrscht zwischen Agrippabad, Wasserturm-Hotel und Museumsinsel eher Ruhe. Doch das soll sich ändern: Mit dem Projekt „1000 Bäume und 1000 Stühle“ – initiiert vom Haus der Architektur Köln – will das Literaturhaus das Stadtklima verbessern und dem Viertel mehr Aufenthaltsqualität schenken.

Eine Frau steht in einem Blumengeschäft. Sie hält lachend zwei pinkfarbene Hortensienblüten in der Hand.

Bettina Fischer kauft den Blumenschmuck für die zahlreichen Veranstaltungen im Literaturhaus immer in der Blumen-Boutique in der Fleischmengergasse.

„Wir möchten den kleinen Platz vor unserem Haus beleben und mit der Nachbarschaft ins Gespräch kommen. Es werden dort natürlich nicht gleich 1000 Stühle und Bäume stehen – dafür fehlt uns das Geld. Aber wir wollen ein Zeichen setzen. Ich finde, man kann nicht genug Grün in einer Stadt haben. Und dieses Viertel hätte es wirklich verdient“, sagt Fischer, die 2022 zur Kulturmanagerin der Stadt Köln ernannt wurde.

Seit einigen Wochen steht auf dem kleinen Platz vor dem Literaturhaus ein öffentlicher Bücherschrank. Auf der Bank daneben sitzen nun häufiger Menschen. Sie lesen, stöbern oder unterhalten sich miteinander. „Dieser Bücherschrank ist für uns wie ein vorgelagerter Bote“, sagt Bettina Fischer. „Ein Ort, der sonst gähnend leer war, ist plötzlich belebt. Bücher stiften einfach immer ein Gespräch. Das macht mich zufrieden.“

Am 13. September, dem Tag des offenen Denkmals, öffnet auch das Kölner Literaturhaus seine Türen für alle, und vor dem Haus stehen dann Dutzende Stühle und Bäume. „Ich würde mich freuen, wenn dann ganz viele Kölner und Kölnerinnen den Weg in mein Griechenmarktviertel finden würden.“


Bettina Fischer empfiehlt:1. Eine Kaffeepause unter den alten Kastanien zwischen dem RJM und dem Schnütgen Museum, Cäcilienkloster 292. Ein Stück Kuchen im Meinstein, Leonhard-Tietz-Straße 4 3. Einen Besuch der Kunststation St. Peter, Jabachstraße 1