Kölner LandgerichtMissbrauchsprozess um Kinderfotografen wird fortgesetzt

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Das Kölner Landgericht.

Köln – Nacheinander als Zeugen haben am Donnerstag ein mutmaßliches Opfer sowie dessen Mutter vor dem Landgericht Köln in dem Prozess gegen einen 54-jährigen Fotografen wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauchs in der Zeit zwischen 1999 und 2020 ihre Aussagen abgegeben.

Als zentraler Streitpunkt zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellte sich dabei die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Erinnerungen an Geschehnisse heraus, die inzwischen mehr als 20 Jahre zurückliegen. So habe er als 8-Jähriger bereits etwa ein Jahr lang unregelmäßig als Fotomodell für die Agentur des Angklagten Achim L. vor der Kamera gestanden, schilderte der heute 29 Jahre alt Mann vor der großen Strafkammer.

Über die Shootings hinaus sei er dabei öfter mit L. zu Ausflügen unterwegs gewesen: Schwimmbad, Freizeitpark, aber auch Besuche in der privaten Kölner Penthousewohung des Fotografen waren demnach darunter. „Dort gab es Süßigkeiten, eine Spielkonsole und einen Beamer – das war beeindruckend und hat Spaß gemacht“, erläuterte Henry M. (Name geändert) auf die Fragen von Richter Peter Sommer über sein Verhältnis zum Angeklagten.

In kindlicher Verbundenheit L. gegenüber sei ihm dessen Aufforderung, sich auf seinen nur mit Unterhose bedeckten Schoß zu setzen, um weiter spielen zu dürfen, zunächst auch nur wenig befremdlich erschienen.

Erst als der Junge an zwei Abenden beim Angeklagten übernachtet habe, sei auch ihm bewusst geworden, so der Zeuge, „das hier etwas nicht stimmt“.

Im Halbschlaf habe L. einmal die kindliche Hand ergriffen und an sein Glied geführt, beim zweiten Mal habe der Erwachsene ihm die Hose ausgezogen und seinen Penis am Po des Jungen gerieben, führte M. weiter aus: „Das war nicht freundschaftlich, da hat etwas nicht gestimmt. das habe ich damals gemerkt.“

Mutmaßliches Opfer wird in der Schule auffällig

Seine Mutter, die zweite Zeugin des Tages, indes nicht. „Ich dachte, ein zweites Kind schläft ebenfalls dort, habe mir keine Gedanken gemacht und dem zugestimmt“, sagte Nadine M. (Name ebenfalls geändert). „Ich dachte, das sei wohl üblich, um das Vertrauen der Kinder für bessere Ergebnisse bei einem Shooting zu stärken“, blickte sie zurück.

Erst als ihr Sohn in den Wochen darauf Mitschüler vermehrt vulgär beschimpfte und seine Lehrerin die Mutter mit den Worten „bei Henry stimmt etwas nicht, er ist sehr auffällig“ informierte, sei es ihr „wie Schuppen von den Augen gefallen“ und sie brach den Kontakt zu L. und dessen Agentur sofort und vollständig ab. „Ich habe heute noch Schuldgefühle“, räumte die Mutter bei der weiteren Befragung in Saal sieben ein, auch, weil sie „aus Angst vor dem erfolgreichen L. und der Sorge um meinen Sohn“ damals von einer Anzeige gegen L. abgesehen hatte.

„Henry wechselte die Schule, es kehrte Ruhe ein“, sagte M. aus. Dass Schlafs- und Essstörungen sowie „Depri-Stimmung“ den Jungen weiter begleiteten, wie er sagte, führte 2012 zu einer Anzeige, die er als Erwachsener selbst initiierte.

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Nach einem Jahr Verhandlung wurde das Verfahren jedoch eingestellt: Zweifel an den Aussagen, zu wenig verwertbare Beweise und einem Medienbericht von 2021 zufolge auch Verfahrensfehler hatten dazu geführt.

Diese Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen griffen die Anwälte L.s auch am Donnerstag auf. „Es ist völlig unklar, an was der Junge sich noch erinnert, und was davon überhaupt seine eigene Erinnerungen sind“, merkte einer der drei Verteidiger an.

Dem widersprachen Staatsanwälte sowie Nebenkläger und hoben stattdessen hervor, dass nach so langer Zeit und trotz einiger Lücken bei Details oder Daten auch aufgrund der Aussagen weiterer mutmaßlicher Opfer durch kindliche Erinnerungen ein „konkret geplantes und sehr intelligent umgesetztes Schema beim Angeklagten“ deutlich werde, nach dem er sich immer wieder zunächst unauffällig das Vertrauen der Jungs erarbeitet haben könnte und dies möglicherweise in mehreren Fällen im schweren Missbrauch der Kinder gipfelte. Das Verfahren soll in Kürze am Landgericht fortgesetzt werden.

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