Kölner MedienexperteWarum Facebook die Demokratie gefährdet

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„Der Staat muss eingreifen“

„Der Staat muss eingreifen“

Köln-Deutz – Herr Schwartmann, Ihre Forschungsstelle gibt es seit 2006 an der TH Köln. Was sind die Kernthemen Ihres Arbeitsbereichs, was macht ein Medienrechtswissenschaftler?

Ein Medienrechtswissenschaftler befasst sich mit klassischen Themen des Medienrechts, also etwa der Frage des Widerstreits zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten derjenigen, über die berichtet wird. Es wird aber auch zum Thema Rundfunkregulierung geforscht. Wie ist das Verhältnis zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den privaten Verlagen? Es geht auch zunehmend um Fragen der sozialen Medien und der Regulierung von Google und Facebook. Und auch um Rechtsfragen von Computer- beziehungsweise Onlinespielen.

Massiven Einfluss auf öffentliche Meinung

Was wird sich in den kommenden Monaten an der Forschungsstelle ändern?

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Wir arbeiten aktuell an einer Kommentierung zum Landesdatenschutzgesetz NRW und befassen uns danach mit der Neuauflage eines Kommentars zur Datenschutz-Grundverordnung und zum Bundesdatenschutzgesetz. Als Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung bin ich aktuell intensiv mit Arbeiten am Abschlussbericht befasst, den wir im Oktober vorlegen werden. Unser Studiengang geht im Herbst in den zwölften Jahrgang und wir arbeiten gerade an Neuerungen und Umstellungen im Rahmen der Systemakkreditierung. Alles was wir heute besprechen, kommt dort vor und ist Gegenstand unseres Lehrangebots in engerer Kooperation mit der Medienwirtschaft am Medienstandort Köln und darüber hinaus.

Die Medienlandschaft hat sich seit 2006 verändert. Welche Trends sind aus Ihrer Sicht bedeutsam?

Was sich massiv verändert hat, ist, dass Suchmaschinen und soziale Netzwerke hinzugekommen sind. Soziale Netzwerke werden nicht nur verstärkt genutzt, sondern haben einen massiven Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wenn Sie bei Facebook sind, bekommen Sie Inhalte nach persönlichen Vorlieben angezeigt. Diese werden aber auch durch die Interessen der Werbeindustrie verändert. Es besteht zudem die Gefahr, dass auch Interessen von Dritten eine Rolle spielen. Es kann eine Steuerung und im schlimmsten Fall eine Manipulation eintreten. Das steht nicht fest, aber die Gefahr besteht.

Sind Google und Facebook mittlerweile so stark, dass sie die Demokratie gefährden können?

Ja, das sind sie. Die Meinungsbildung in der Demokratie muss sich frei entfalten können. Wenn sich über soziale Netzwerke, die mit Hilfe von Algorithmen intransparent agieren, Meinungen beeinflusst werden können, kann das dazu führen, dass man sich plötzlich für andere politische Meinungen interessiert, als vorher. Hier müssen die Dienste verpflichtet werden, Transparenz zu erzeugen, damit wir wissen, was Facebook und Google mit den Informationen über uns machen.

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Das scheint aber nicht so einfach. Denn Unternehmen wie Facebook generieren so viel Vermögen wie mancher Staat.

Man muss auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Es muss Transparenz erzeugt werden über das, was soziale Netzwerke und Suchmaschinen tun. Sie müssen sagen, worüber sie Personendaten erheben, so dass sich jeder ein Bild darüber machen kann, ob man ihnen vertrauen kann. Da ist noch Luft nach oben. Transparenz erzeugt aber keine noch Meinungsvielfalt, sondern sie legt nur einen Missstand offen. Wir bekommen aber kein von den Datengiganten unbeeinflusstes Meinungsbild. Hier muss der Gesetzgeber tätig werden und eine Medienordnung schaffen, die auch im Wirkungsbereich von Google und Facebook eine plurale Vielfalt abbilden kann.

Da käme dann Ihr Zwei-Säulen-Modell ins Spiel ...

Richtig. Die erste Säule bildet unsere Wahrnehmung durch die Brille von Facebook oder Google ab. Sie basiert auf unseren Interessen und wird insbesondere durch Werbeinteressen beeinflusst. Wenn Sie sich immer nur für Burger interessieren, bekommen Sie nach der Werbelogik immer nur Fastfood angezeigt und keine Vollwertkost. Es ist grundsätzlich okay, den Menschen nur zu zeigen, was sie wollen und kennen. Der Mechanismus wird aber da bedenklich, wo man darauf angewiesen ist, vielfältig informiert zu werden und dafür seine Filterblase verlassen muss. Ein Beispiel: Es ist für die Demokratie wichtig, dass man im politischen Prozess über alle politischen Strömungen und Parteien informiert wird und nicht nur über die, die einen interessieren. Das System von Facebook und Google kann diese Vielfalt nicht abbilden, weil sie nicht auf persönlichen Interessen basieren darf. Für diese nicht personalisierte Vielfalt muss der Staat einen Rahmen schaffen. Die Idee der zwei Säulen ist: Google, Facebook und Co müssen aus ihrer jeweiligen Datenbasis aus Klicks, Likes und Suchanfragen nicht nur einen personalisierten Informationsstrang anbieten, sondern auch einen nicht personalisierten. Neben der persönlichen Vielfalt würde so eine plurale Vielfalt für jeden Nutzer abgebildet, die ihm nebeneinander angezeigt werden könnten.

Zur Person

Rolf Schwartmann ist Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der TH Köln und Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insbesondere öffentliches und internationales Wirtschaftsrecht an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln sowie Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD). Seit 2018 ist Schwartmann Mitglied der Datenethikkommission.

Bewerbungen für den Masterstudiengang Medienrecht und Medienwirtschaft an der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht sind noch bis zum 15. August möglich. Weitere Informationen gibt es im Internet. (ris)www.medienrecht.th-koeln.de/ 2019/05/ 28/bewerbungsstart-fuer-den-masterstudiengang-medienrecht

Wie wird sich die Medienlandschaft in den kommenden Jahren verändern?

Wir werden erleben, dass die Individualisierung der Meinungen durch die Verflechtung der sozialen Medien immer weiter voranschreitet. Soziale Medien werden immer mehr Daten und immer mehr Wissen anhäufen. Dieses Wissen wird sie mit immer mehr Macht ausstatten und diese Macht wird andere – nicht interaktive – Medien ins Hintertreffen bringen. Wir sehen das schon in der Werbewirtschaft. Man kann über die Nutzung sozialer Medien passgenau sehen, was den Nutzer interessiert. Um faire Marktbedingungen herzustellen und die Demokratie zu sichern, muss der Staat eingreifen.

Die Digitalisierung ist auch im Bereich der Hochschulen ein Thema.

Ich glaube, dass Digitalisierung als solche nicht per se einen Vorteil bietet. Man muss auf die Aufgabe der Hochschule schauen. Eine Präsenzhochschule, die Studierende in der persönlichen Interaktion unterrichtet, ist wegen des Grundkonzepts weniger auf digitalisiertes Lehren und Lernen angewiesen, als eine Fernhochschule. Es muss aber in den Kontext passen. Ausstattung der Studierenden mit digitalen Mitteln ist grundsätzlich ebenso wichtig, wie die Voraussetzungen der Digitalisierung zu lehren, also eine Computersprache und wie Algorithmen funktionieren.

Sie sind also gegen Online-Vorlesungen?

Nicht grundsätzlich, aber eine Hochschule, deren Konzept der Diskurs zwischen Lernenden und Lehrenden ist, sollte dazu stehen. Man kann besser in einer Präsenzveranstaltung auf Studierende eingehen als in einer anonymen Online-Veranstaltung. Ein Lehrkonzept, dass auf Anwesenheit ausgelegt ist, hat aus meiner Sicht hohen Wert.

Die Datenschutz-Grundverordnung bringt auch für Wissenschaftler Unsicherheiten mit sich. Können Sie das erläutern?

Die Datenschutz-Grundverordnung knüpft für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten an Erlaubnisgründe. Wissenschaftler können zu Forschungszwecken privilegiert Daten verarbeiten. Aber es gelten Regeln. In vielen Fällen muss man sich die Frage stellen, inwieweit man ohne Einwilligungen forschen darf. Das muss unter Juristen geklärt werden.

Was könnte einem Forscher im schlimmsten Fall geschehen?

Wer zum Beispiel eine medizinische Studie mit 20 Probanden durchführen möchte, wird dafür Einwilligungen einholen. Auf der Basis kann man Gesundheitsdaten benutzen, um zu forschen. Wenn nun zwei der 20 Probanden die Einwilligung widerrufen, hat der Forscher das Problem, dass möglicherweise die Forschungsergebnisse nicht mehr verwerten werden dürfen. Im schlimmsten Fall ist damit die gesamte Studie gefährdet.

Sie sind außerdem Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung. Was machen Sie dort?

Die Datenethikkommission befasst sich mit einem Fragenkatalog der Bundesregierung. Es geht unter anderem darum, wie künstliche Intelligenz in unser Leben eingepasst wird und wie der Zugang und Umgang mit Daten in verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen geregelt wird. Muss es ein spezielles Datenschutzrecht für die Forschung geben? Wie muss man soziale Medien und Suchmaschinen regulieren?

Der Kommissionsbericht ist für Oktober angekündigt. Was wird drin stehen?

Ich kann über das, was drin steht, keine Auskunft geben. Ich würde mir wünschen, dass wir eine geeignete Regulierung für soziale Medien und Suchmaschinen vorschlagen, um die Demokratiegefahren in den Griff zu bekommen.

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