Kölschbar an der Lindenstraße„Kneipen laufen den Clubs in Köln den Rang ab“

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Malte (l.) und Dennis stehen an der Theke der Kölschbar.

  • Seit acht Jahren betreiben Malte Böttges und Dennis Busch die Kölschbar in der Lindenstraße.
  • Die beiden erfanden den „Mexikölner“ und den Gin „Linden No.4“. Der Dortmund-Fanclub „Domborussen“ hat hier sein Stammlokal.
  • Wir haben mit den beiden über das Kölner Nachtleben gesprochen, warum sie vor einigen Jahren zur Dortmund-Kneipe wurden, wieso sie Trash-TV wie die „Bachelorette“ zeigen und was das Rauchverbot für Vorteile hat.

Mit seiner alten Kneipentheke aus dunklem Holz, dem Kicker und dem typischen Kneipenmuff ist die „Kölschbar“ an der Lindenstraße ein uriges Plätzchen zum Fußballgucken und Abhängen. Den Szene-Faktor erfüllen dafür der übergroße, silberne Spiegel mit Glitzersteinen und das Hirschgeweih an der roten Wand.

Ironische Akzente, lauter Details an der Bar und Bierkästen, die zu Sitzgelegenheiten umgebaut wurden – eine stimmige Dosis aus Kuriosität und Gemütlichkeit. Der Wohnzimmer-Charakter kommt nicht zuletzt durch die überschaubare Größe auf. Und wenn es mal wieder Zeit für Fußball ist, wird neben den zwei Flachbildschirmen auch eine Leinwand ausgefahren. Wir haben die Betreiber Malte Böttges und Dennis Busch zum Gespräch getroffen.

Die Kölschbar ist eine Fußballkneipe. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Böttges: Gerade die Kölner sind immer noch jeck auf ihren FC. Wir sind aber mittlerweile eine Dortmund-Kneipe geworden, weil die Sky-Preise so angezogen wurden – in den letzten acht Jahren haben sie sich vervierfacht – und da viele FC-Fans Dauerkarten haben, saßen bei Heimspielen teilweise nur fünf, sechs Leute hier.

Zu den Personen und Zur Kneipe

Die Kölschbar-Betreiber Malte Böttges (35) aus Krefeld und Dennis Busch (36) aus Lohmar haben sich im Studium der Medienwirtschaft an der Rheinischen Fachhochschule kennengelernt. Seit acht Jahren betreiben sie die Kneipe an der Lindenstraße.

Schon während des Studiums war sie Stammkneipe mit Nebenjob. Als der Besitzer den Laden abgeben wollte, entschlossen sie sich, die Kneipe zu übernehmen. 2015 erfanden die beiden den „Mexikölner“, 2017 folgte der Gin „Linden No.4“.

Die Kölschbar ist nicht nur eine Ideenschmiede für neue Getränke, sondern hier schlug auch die Geburtsstunde des 80-köpfigen Kölner Männerchors „Die Grüngürtelrosen“, der Dortmund-Fanclub „Domborussen“ hat hier sein Stammlokal. (gam)

Ich selbst bin Dortmund-Fan, und bei Champions-League-Spielen haben viele Dortmunder die Kneipe aufgesucht. So haben sich auch viele Domborussen, Kölner Dortmund-Fans, hier niedergelassen. Jetzt sind wir also in erster Linie eine Dortmund-Kneipe, bei Parallelspielen strahlen wir die BVB-Spiele aus. Wenn es geht, zeigen wir auch Köln-Spiele, aber dafür gibt es ja viele andere Kneipen.

Wie haben die Gäste reagiert, als Sie verkündet haben, dass die Kölschbar eine BVB-Kneipe wird?

Böttges: Die Leute, die gesagt haben, dass wir das doch nicht machen können, haben wir gefragt, wie viele Spiele sie in der Saison geschaut hätten. Dazu konnten sie nichts sagen. Sie konnten es uns also nicht verübeln.

Busch: Wir haben ein offizielles Statement auf Facebook und Instagram gemacht, das ist bereits drei oder vier Jahre her. Das haben alle verstanden. Wir haben es den Gästen erklärt, und da gab es auch nicht groß Kritik.

Wie viel zahlen Sie für die Sky-Übertragungsrechte?

Busch: Wir haben mit 200 Euro angefangen, mittlerweile sind wir bei fast 800 Euro. Das ist teuer, vor allem, weil wir im Sommer drei Monate keinen Fußball zeigen, aber trotzdem weiter zahlen. Wir haben auch noch ein Abo für das „Schulz“ in Neuehrenfeld, das wir vor zwei Jahren übernommen haben. Also zahlen wir gleich doppelt: 1600 Euro. Das muss man erst einmal reinbekommen. Aber es lohnt sich tatsächlich noch. Es gab vor ein paar Jahren eine Erhöhung, bei der dann viele abgesprungen sind, was uns auch zugutekam. Die Leute schauen eben weiter Fußball.

Sie sind die Erfinder des „Mexikölner“. Mittlerweile vertreibt Gaffel den scharfen Tomatenschnaps. Haben Sie vor, weitere Trendgetränke zu kreieren und zu vermarkten?

Busch: Mittlerweile haben wir auch unseren eigenen Gin „Linden No. 4“ – eine Hommage an die Lindenstraße, auf der wir uns befinden. Wir haben eine kleine Geschichte um diesen Gin gesponnen: Der Apotheker Dr. Linden ist vor 100 Jahren aus England nach Köln gekommen, hat sich in der Lindenstraße niedergelassen und diesen Gin nach uraltem Rezept hergestellt.

Der Gin-Trend ist seit Jahren ungebrochen. Regionale Marken sprießen aus dem Boden. Was macht Euren Gin besonders?

Busch: Linden No. 4 ist sehr blumig – mehr als herkömmliche Gins – und wuchtig.

Die Kölschbar ist auch an Karneval ein beliebter Anlaufpunkt. Gibt es Parallelen beim Feiern nach einem Sieg im Fußball und an Karneval?

Böttges: Das ist was ganz anderes. Karneval ist bei uns hundertprozentig Kölsch. Wenn wir Fußball zeigen, herrscht zwar auch Stadionstimmung, aber nach dem Spiel geht der Abend normal weiter. An Karneval herrscht Vollgas. Von der Menschenmenge her ist es schon vergleichbar, wobei an Karneval immer noch ein paar mehr reinpassen, aber sonst nicht.

Sie bieten Public Viewing nicht nur mit Fußball an, sondern zeigen auch Trash-Fernsehsendungen wie die „Bachelorette“. Was reizt die Leute so am kollektiven Fernsehen?

Busch: Das ist bei uns aus der Not geboren, da im Sommer nicht viel los war und gerade die letzten beiden Sommer sehr heiß waren. Also kam die Idee auf, einmal die Woche „Bachelorette“ zu zeigen, was sehr erfolgreich war. Dann stellen wir Rosen auf den Tisch, halten alles etwas weiblicher und bieten auch spezielle Getränke an. Die Gäste sind zu 80 Prozent Mädels.

Dennis Busch und Malte Böttges (r.) in der Kölschbar

Dennis Busch und Malte Böttges (r.) in der Kölschbar

Böttges: Das Witzige ist, dass die Atmosphäre an den Abenden etwas von Fußballgucken hat: Die Leute raunen, ärgern, freuen sich genauso und lästern gemeinsam. Das funktioniert einfach. Wir haben mitbekommen, dass die Mädels sich zu fünft oder zu sechst zu Hause treffen, um das gemeinsam zu schauen. Dann muss das auch in der Kneipe gehen, haben wir uns gedacht.

Wie stehen Sie zum Rauchverbot in Kneipen?

Busch: Eigentlich war es das Beste, was passieren konnte. Wenn man in Hamburg in einer Pinte sitzt, stinkt man nachher wie ein Otter: von den Klamotten bis zur Haut. Die Bude ist einfach sehr schnell vollgequalmt.

Einigen Kneipen ging das Rauchverbot an die Existenz. Stehen bei Ihnen die Leute dann nicht gruppenweise draußen, während drinnen Leere herrscht?

Böttges: Andererseits passen dann auch wieder mehr Leute in den Laden, wenn viele draußen stehen. Wenn wir um Mitternacht die Fenster schließen, hören die Gäste draußen die Musik nicht mehr, und dann wird es mit dem Rauchen da draußen weniger. Überhaupt rauchen die Leute insgesamt weniger. Früher wurde hier Kette geraucht. Jetzt muss man raus, das Getränk drin lassen – die Hemmschwelle ist einfach größer.

Was sind die Herausforderungen für einen Kneipier?

Busch: Gastronomen haben mit anderen Gastronomen viel zu tun, ich würde sagen, sie sind leicht faul. Man muss schauen, dass man nicht so betriebsblind wird und dass alles ordentlich verläuft. Wir haben eine Festangestellte hier, die uns auch mal in den Hintern tritt, wenn wir etwas nicht sehen, was nach fast neun Jahren durchaus passieren kann.

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Man muss am Ball bleiben, auch was die Getränkekarte angeht. Vor fünf Jahren war Hugo das Trendgetränk. Das trinkt nun niemand mehr, wenn man das noch in der Karte hätte, wäre das falsch. Jetzt ist Lillet-Wildberry das große Ding. Da muss man einfach aufmerksam sein. Einmal im Monat bieten wir unser Frühschoppen am Samstag an. Die Leute sollen merken, dass hier etwas passiert, aber wir wollen es auch nicht überladen mit Programm. Sie wollen auch einfach mal nur ein Bier trinken.

Wie bewerten Sie das Kölner Nachtleben? Gehen Sie selbst gern woanders feiern oder trinken?

Busch: Das Nachtleben hat sich dahingehend verändert, dass die Leute weniger feiern gehen, sondern die Kneipen den Clubs den Rang abgelaufen haben. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich immer für die Theke entscheiden. Die Clubs müssen sich mehr ein Bein ausreißen als früher, um den Laden voll zu bekommen. So etwas wie den Rose-Club, der früher donnerstags immer voll war, gibt es irgendwie nicht mehr. Die Clubs hatten wahrscheinlich ein wesentlich größeres Problem mit dem Rauchverbot als die Kneipen. Wir gehen auch woanders etwas trinken, weil wir auch mal gern bedient werden. Hier kennen wir zwar viele Leute, aber dann sieht man auch direkt, wenn Gläser herumstehen, und dann ist man wieder im Job.

Wo gehen Sie gerne Kölsch trinken?

Böttges: Wir sind da grundsätzlich nicht festgelegt. Zum Beispiel im Trierer Eck in der Südstadt. Das ist ein Kultladen, der gut läuft: eine urige, alte Kneipe. Je kaschemmiger es ist, desto besser und mit Originalen an der Theke.

Sie haben vor zwei Jahren das „Schulz“ in Neuehrenfeld übernommen. Für welche Kneipe schlägt Ihr Herz mehr?

Busch: Wir haben das Schulz in der Landmannstraße vor zwei Jahren übernommen, weil der Besitzer des vorherigen „Who’s“ 2017 verstorben ist. Damit die Kneipe nicht verloren geht. Dort gibt es eine Betriebsleiterin, denn wir sind eigentlich immer hier. Das Schulz ist eine Veedelskneipe in Neuehrenfeld, viele Gäste sind Kölner. An Weihnachten zum Beispiel war die Kölschbar einmal geöffnet, da war kaum ein Mensch, weil alle zu Hause sind. Im Belgischen Viertel oder Kwartier Latäng hat man einfach viel Publikum von außerhalb. In Neuehrenfeld ist es so, dass alle in der Kneipe sind, weil sie eben dort zu Hause sind.

Wie geht es mit der Kölschbar weiter?

Böttges: Wir schauen, was kommt. Wir haben nie einen Businessplan für die nächsten Jahre geschrieben.

Was trinken Sie am liebsten?

Böttges: Jägermeister.

Busch: Kölsch.

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