Kommentar zum Kölner ErzbistumVerrat an der christlichen Botschaft

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Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki

  • Unzähligen Menschen gibt der christliche Glaube an einen liebenden Gott Kraft.
  • Auch deshalb ist die Tatsache, dass die Kirche Geistliche gedeckt hat, die Kindern und Jugendlichen sexualisierte Gewalt angetan haben, schändlichster Verrat an der christlichen Botschaft.
  • Ein Kommentar.

Köln – Schaut auf das Kind! Das ist die Botschaft von Weihnachten, dem Geburtsfest Jesu. Alles, was in der Kirche geschieht, soll sich an dem Glauben ausrichten, dass Gott in diesem Kind Mensch geworden ist. Menschlichkeit ist damit in christlicher Perspektive keine nur innerweltliche Kategorie, kein bloßer Humanismus.

An der Menschlichkeit der Kirche entscheidet sich vielmehr die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft.

In nunmehr zwei Jahrzehnten wurde auf immer bestürzendere Weise klar, dass die katholische Kirche und ihre Führungseliten in den Bistümern, aber auch in Rom auf alles Mögliche geschaut haben mögen, aber nicht auf das Kind – nicht auf das Jesuskind in der Krippe; nicht auf Kinder, die Priestern und Ordensleuten in der Seelsorge anvertraut waren.

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Die Kirche hat Geistliche gedeckt, die Kindern und Jugendliche sexualisierte Gewalt angetan und damit – nicht selten „im Namen Gottes“ – auch den wohl schändlichsten Verrat an der christlichen Botschaft begangen haben. Wer daraus als Verantwortlicher in der Kirche keine umfassenden Konsequenzen zieht und alles Tun und Lassen an der Perspektive der Opfer ausrichtet, der hat schlicht seinen Job verfehlt.

Kirchenschutz vor Kinderschutz

Im Erzbistum Köln ist allein durch die jüngsten Berichte über Mehrfach-Intensivtäter aus dem Kölner Klerus klar geworden, wie unter dem früheren Kardinal Joachim Meisner mit Missbrauch umgegangen wurde: Kirchenschutz vor Kinderschutz – auf diese Formel des Tübinger Kirchenrechtsprofessors Bernhard Anuth lässt sich das System Meisner bringen.

Wer sich nur ein einziges Mal der Leidensgeschichte der Opfer ausgesetzt hat, dem kann das keine Ruhe lassen. Und wer im Erzbistum an der Vertuschung und Verharmlosung von Missbrauch beteiligt war, der sollte eigentlich nicht mehr ruhig schlafen. Es war eben nicht nur der verstorbene Kardinal. Generalvikare, Weihbischöfe, Personalchefs, Kirchenjuristen und enge Vertraute Meisners waren Mitwissende und Beteiligte, dass Täter unbehelligt blieben.

Dass diesen dadurch weitere Kinder und Jugendliche zum Opfer fielen, ist daran das Abscheulichste und Schauerlichste.

Jetzt sollen (es) Strafrechtsprofessoren, Anwälte, Gutachter richten. Richtig daran ist, dass sich die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auf eine solide Faktenbasis und eine auch juristische Bewertung stützen muss. Aber das ist bei weitem nicht ausreichend. In welchem Paragrafen des Strafgesetzbuchs oder des Kirchenrechts ist Kaltherzigkeit geregelt? Welche Strafe steht auf Gefühllosigkeit, Mangel an Empathie, Wagenburgmentalität?

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Es gibt für all diese Vergehen im Grunde nur ein Register. Es heißt: Gewissen. Und deshalb nützt es auch nichts, wenn Erzbischöfe und Kardinäle sich jetzt an Papst Franziskus wenden, damit dieser ihr Verhalten beurteilen möge. Auch ein Papst wird keine Norm finden, die es Kardinal Rainer Woelki verboten hätte, mit einem – wie ihm bekannt war – des Missbrauchs Beschuldigten seine Kardinalserhebung in Rom zu feiern. Demselben Beschuldigten übrigens, den das Erzbistum angeblich kurz zuvor seiner schlechten Gesundheit wegen nicht zu den Vorwürfen befragen konnte.

Glaube als fester Halt

Wenn die Zentralperspektive auf die Opfer gerichtet wäre, dann müssten ins weitere Gesichtsfeld auch alle Menschen geraten, die – buchstäblich – in bestem Glauben noch etwas von dieser Kirche erwarten: Kirchgänger, Gottesdienstbesucher, ehrenamtlich Engagierte, Aktive in Pfarreien und Verbänden, Mütter und Väter, die „auf das Kind schauen“. Unzähligen Menschen gibt der christliche Glaube an einen liebenden Gott Kraft. In Zeiten der Pandemie spüren viele, dass eine solche Verankerung festen Halt im Leben geben kann – und womöglich sehnen sich viele gerade in den Tagen des Advents besonders danach. 

Die Kirche soll diesen Glauben stärken. Sie hat das Evangelium zu verkünden, das „die Finsternis erleuchtet“. So steht es in den biblischen Texten. Damit das glaubwürdig gelingen kann, muss sie den Lichtstrahl der Wahrheit auf die eigenen Abgründe und Finsternisse richten.

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