Krise im Erzbistum KölnViele Religionslehrer wollen nicht mehr unterrichten

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Religionsunterricht

Viele Schüler wählen Religionsunterricht ab.

Köln – Die Krise der Missbrauchsaufarbeitung und die Vertrauenskrise der Kirche haben auch unmittelbare Auswirkungen auf den Religionsunterricht an den Schulen im Erzbistum Köln. Sie erhalte immer wieder Meldungen von Religionslehrerinnen und Religionslehrern, die ihre Lehrerlaubnis zurückgäben oder gar aus der Kirche austräten, sagt Agnes Steinmetz, Vorsitzende der Vereinigung katholischer Religionslehrerinnen und -lehrer im Erzbistum.

Hinzu kämen viele, die derzeit mit dem Gedanken spielten, den Schritt aber noch nicht umgesetzt hätten. „Das sind keine Einzelfälle“, betont sie. Dem Vernehmen nach gibt es bereits erste Grundschulen, an denen der Religionsunterricht aus diesem Grund nur noch eingeschränkt erteilt werden kann.

Unvereinbar mit dem Gewissen

Die Lehrkräfte erlebten, dass Schüler massiv nachfragten – vor allem natürlich an den weiterführenden Schulen. Vielen sei es zunehmend unmöglich, die Kirche zu verteidigen, schildert Steinmetz. Das Entsetzen über die Missbrauchstaten sei für die katholischen Lehrkräfte zu einer schweren persönlichen Belastung geworden.

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Sie könnten die Arbeit nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren. „Viele unterrichteten mit einer starken inneren Distanz zur Amtskirche“ Der Zwiespalt ist offensichtlich: Denn offizieller Auftrag der Religionslehrer ist, die Lehre der Kirche vorzustellen.

Kölner Religionslehrer tritt nach Pensionierung aus Kirche aus

So sei es auch ihm ergangen, erzählt Bernhard Rempel. Der Religionslehrer an einem Gymnasium hat jetzt doch noch bis zur Pensionierung durchgehalten. „Direkt danach bin ich aus der Kirche ausgetreten.“ Er habe diese Zerrissenheit massiv erlebt und den ständigen Spagat nur hinbekommen, „weil mir die Vermittlung der Botschaft Jesu so wichtig war.“ Gleichzeitig ging das für ihn nur, indem er den Schülerinnen und Schülern den Standpunkt der Amtskirche referiert, aber auch klar gemacht habe, „dass es innerhalb der Kirche auch andere Standpunkte gibt“.

Und das er auch selbst Position bezogen habe. „Jungfrauengeburt, Sexualmoral, Zölibat – bei all diesen Themen habe ich den Schülern vermittelt, ihren Verstand nicht an der Garderobe abzugeben. Mein Ziel war nicht die Vermittlung vermeintlicher Glaubenswahrheiten. Ich wollte meine Schülerinnen und Schüler zum Denken bringen.“

Bedingungen der Missio überprüfen

Nach Angaben des Erzbistums handelt es sich bei Religionslehrern, die ihre kirchliche Bevollmächtigung zur Erteilung des Faches – die so genannte Missio Canonica – zurückgeben um „Ausnahmefälle“. Seit dem Sommer 2020 hätten 21 Religionslehrerinnen und -lehrer diesen Schritt getan. Steinmetz nimmt das anders wahr und kann das nicht als Randphänomen betrachten.

Sie sorgt sich um den Bedeutungsverlust oder gar den Exitus des Faches Religion an den Schulen: Erstens könnten sich Referendare abgeschreckt fühlen, sich überhaupt noch um die katholische Lehrerlaubnis zu bemühen.

Missio Canonica fordert Leben nach Grundsätzen der Katholischen Kirche

Denn: Die Missio Canonica verlangt von Religionslehrenden, dass sie „in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der Lehre der Katholischen Kirche beachten“. Da müsse man sich dringend fragen, ob die Bedingungen noch stimmen, die etwa für Homosexuelle oder wiederverheiratete Geschiedene einen ständigen Zwiespalt bedeuteten.

Viele hielten ihr Leben „unter der Decke, weil ihnen das Fach wichtig ist“. Sie fürchtet, dass dazu immer weniger am Lehramt interessierte Studierende bereit sind. Die Bedingungen der Missio Canonica müssten überprüft werden, fordert sie. „Das zu lösen ist ganz dringend: Das, was jemand in Treue lebt, kann den Bischof nicht interessieren.“

Erosion der Schülerschaft

Abgesehen von der Sorge um künftig ausreichend Lehrkräfte, treibt Steinmetz und Rempel die Erosion in der Schülerschaft um. „Wenn Großeltern und Eltern in Scharen aus der Kirche austreten, werden sie ihre Kinder auch nicht mehr ermutigen, den katholischen Religionsunterricht zu besuchen.“ Diese wählten dann praktische Philosophie statt konfessionelle Religion. Selbst getaufte Schülerinnen und Schüler meldeten sich in zunehmender Zahl vom Religionsunterricht ab.

Dabei ist der Religionsunterricht in der Schule angesichts zunehmender Säkularisierung der einzige Raum, in dem Kinder und Jugendliche noch mit der christlichen Botschaft und den religiösen Fragen nach Sinn in Kontakt kämen.

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„Mit der Zukunft des Religionsunterrichts steht perspektivisch auch die Zukunft der Kirche auf dem Spiel“, sagt Steinmetz. Genau so sieht das auch Bernhard Rempel. In einem persönlichen Schreiben an Kardinal Woelki habe er auf die Probleme hingewiesen und ihn aufgefordert, endlich mit Mut, die Schritte des Synodalen Wegs mitzugehen.

Als dieses ohne persönliche Antwort blieb, machte er seinen Austrittstermin beim Amtsgericht. „Wie sollen junge Menschen noch zur Religion finden?“, fragt er sich. „Wenn nichts passiert, wird es eine Jugend ohne Gott.“

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