Stau, Polizei, VerletzungenDie Bilanz des Klebeprotests auf der Aachener Straße

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Sechs Demonstranten blockieren eine zentrale Verkehrsachse im Berufsverkehr, drei davon kleben sich fest. Bei der Löseaktion gibt es Verletzte.

„Liebe & Mut“ hat sich Caroline Schmidt auf den Rücken ihrer linken Hand tätowiert, dazu ein Herz, alles in schwarzem, dünnen Farbstrich. Als Beamte einer technischen Spezialeinheit der Polizei um kurz nach 10 Uhr am Dienstagvormittag ein paar hundert Milliliter Sonnenblumenöl über Schmidts linke Hand gießen, beginnt für die 41-Jährige eine unangenehme Prozedur.

Abwechselnd mit Pinsel und Spachtel lösen die Polizisten die Hand von der Fahrbahn der Aachener Straße in Müngersdorf, Finger für Finger, verhältnismäßig zwar sachte und behutsam. Für Schmidt ist der Vorgang aber trotzdem schmerzhaft, ab und an verzerrt sie ein wenig das Gesicht. Einige Tropfen Blut verschwimmen auf dem aus der Nacht noch regenfeuchten Asphalt. Als Hand und Fahrbahn schließlich voneinander getrennt sind, ist eine von Hautverletzungen gezeichnete Handinnenfläche zu sehen.

Gut zwei Stunden hat Caroline Schmidt, Aktivistin der Klimabewegung „Letzte Generation“, am Dienstagmorgen an der Straße festgeklebt. Im Hauptberufsverkehr gegen 8 Uhr blockierten Schmidt und fünf Mitstreiterinnen und Mitstreiter drei Spuren der Fahrbahn in Richtung Innenstadt und rollten Transparente mit ihren Forderungen aus – ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen und ein bundesweites Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr.

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Schnell bildete sich ein erheblicher Verkehrsstau in Richtung Westen, der sich auch auf die Autobahn 1 und das Kreuz Köln-West ausbreitete.

Klimaprotest in Köln: Rentner reagiert ungehalten

Die meisten Menschen, die zum Stillstand gezwungen waren, reagierten ungehalten bis aggressiv. Das Anliegen der Protestgruppe – eine konsequentere Klimaschutzpolitik – teilen die meisten zwar, nicht aber die Art des Protests. „Ihr tut der Sache einen Bärendienst“, rief ein Passant den Aktivisten entgegen.

„Das Einzige, was die heute erreicht haben, ist ein langer Stau bis auf die Autobahn, der noch mehr CO₂ erzeugt“, sagte ein Handwerker, der nun direkt vor der Blockade stand und seinen Kunden die Verspätung mitteilen musste. Einen guten Meter fuhr er noch von der Haltelinie vor der Ampel auf die Aktivisten zu, als sie noch nicht festgeklebt waren, womöglich um sie doch noch zum Aufstehen zu bewegen – vergeblich.

Ein 85-jähriger Passant beschimpfte die Sitzenden, sie gehörten ins Gefängnis, oder sollten lieber arbeiten gehen. „Da lernen die Anstand.“ Die Blockade sei „der größte Fehler“.

Martin Kersting, ein 69-jähriger Radfahrer, der des Weges kam, verteidigte die Aktion. Diese habe „genau die Täter getroffen, die mit ihren Autos für den CO₂-Ausstoß verantwortlich sind“, sagte er. Die Art zivilen Ungehorsams erinnere ihn „an den Geist der 1960er Jahre“. Er selbst wolle angesichts seines Alters aber lieber nicht mitmachen, sagt er lächelnd. „Ich würde bei den Temperaturen sofort eine Lungenentzündung bekommen.“

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Als wenige Minuten nach Blockadebeginn die Polizei kam, klebten sich drei der sechs Aktivisten mit Sekundenkleber auf die Straße. Ruhig und besonnen erklärte der Polizei-Einsatzleiter die unangemeldete Demo für aufgelöst und sprach Platzverweise aus. Als die Demonstranten dem nicht nachkamen, wurden diejenigen, die nicht angeklebt waren, auf den Bürgersteig getragen. Die anderen wurden nach gut zwei Stunden mit Öl gelöst.

Außer Caroline Schmidt wurde ein weiterer Aktivist bei der Aktion ebenfalls an der Hand verletzt. Vor anderthalb Wochen war ein weiterer Demonstrant bei der Blockade auf der Cäcilienstraße ebenfalls an der Hand verletzt worden. Er trägt noch heute einen Verband.

Die sechs Aktivistinnen und Aktivisten wurden am Dienstagmorgen von der Polizei zum Präsidium ins Gewahrsam gebracht, um ihre Identität festzustellen. Am Nachmittag waren sie wieder auf freiem Fuß. Ihnen wurden Strafanzeigen wegen Nötigung angekündigt.

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