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Kölner Kneipen-KulturKarnevalsfamilie feiert „Loss mer singe“-Jubiläum im Herbrands

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Musikerinnen und Musiker stehen beim Jubiläum von „Loss mer singe“ auf der Bühne.

Zum 25-jährigen Bestehen feierte „Loss mer singe“ unter dem Titel „Vun Superjeilezick bes hück un wigger“ sein Jubiläum. Viele Wegbegleiter waren am Freitagaband (3. Oktober 2025) im Herbrands dabei.

Zum Jubiläum kamen viele musikalische Wegbegleiter zusammen. Es wurde diskutiert, gesungen und gefeiert.

„Wenn man singt, kann man gleichzeitig keine Angst haben.“ Diese Erkenntnis eines Neurologen hat Kasalla-Frontmann Basti Campmann einmal aufgeschnappt. Deshalb sei das gemeinschaftliche Singen so wertvoll und das Fundament einer kölschen Erfolgsgeschichte.

Als der Hobby-DJ Georg Hinz Anfang der 90er Jahre von Goch am Niederrhein nach Köln kam, interessierte er sich schnell für das kölsche Liedgut, erlebte in den Kneipen aber oft Schlagermusik.

„Loss mer singe“: 2026 gibt es mehr als 60 Veranstaltungen

Mit Freunden traf er sich in seiner Wohnküche in Nippes. Jeder bekam einen Zettel mit den Refraintexten, dann wurden die mutmaßlich besten Neuvorstellungen der Session abgespielt. Höhepunkt der kleinen Party war die Abstimmung über den Hit der Session. Seitdem hat sich nicht viel am Konzept geändert: Mitsingen, Mitfeiern, Mitstimmen, Mitmachen.

Der 11. November 2000 war ein markantes Datum. Vor dem Fernseher verfolgte der heute 60-Jährige die Sessionseröffnung vom Alter Markt. Die Höhner überließen damals bei ihrem Auftritt für ein Lied die Mikros einer neuen Gruppe namens Brings.

Das erstmals aufgeführte „Superjeilezick“ beeindruckte Hinz so, dass er noch schnell zum Saturn am Hansaring düste, um vor Ladenschließung um 14 Uhr die CD zu kaufen. Danach vervielfältigte er den Liedtext. Abends hatte er sich nämlich mit Freunden in der Eigelstein-Kneipe Lapidarium zum Feiern verabredet. Und da durfte dieser Newcomer-Song nicht fehlen.

Georg Hinz und Helmut Frangenberg im Talk.

Georg Hinz (r.) ist der Vater von „Loss mer singe“. Zusammen mit Helmut Frangenberg blickte er auf 25 Jahre Mitsingbewegung zurück.

Das Einsingen in den Karneval war der Startschuss von „Loss mer singe“. Was damals als Schnapsidee begann, ist mittlerweile längst Kult. Seit 25 Jahren ist die Mitsinginitiative nun eine feste Größe in der Kölner Kneipen-Kultur. Für die Musiklandschaft sind die Abstimmungen zudem ein wichtiger Indikator, welche Titel beim Publikum ankommen.

Karnevalsfamilie im Herbrands zu „Loss mer singe“

Zum Jubiläum traf sich am Freitagabend (3. Oktober 2025) die Karnevalsfamilie im Herbrands in Ehrenfeld. Zunächst gab es einen Festakt mit Talkrunden und Musik, anschließend wurde auf dem ganzen Gelände mit Live-Musik von Fiasko, Lupo, Halvlang und Stefan Knittler gefeiert. Karaoke, Lagerfeuersingen und Quizrunden ergänzten das Programm.

„Die Leute sagen im Oktober ja gern: ‚Jetzt geht es bald wieder los‘. Ich denke dann immer: ‚Es hat noch gar nicht aufgehört‘“, sagt Liedermacher Björn Heuser, der das Mitsingen wöchentlich im Gaffel am Dom und jährlich in der Lanxess-Arena zelebriert. Der Kölsche singt schließlich das ganze Jahr gern. Und die heimische Musiklandschaft wird immer größer und vielfältiger.

Basti Campmann im Gespräch mit Nici Kempermann.

Nici Kempermann führte als Moderatorin durch den Abend. Unter den Gästen war auch Kasalla-Frontmann Basti Campmann.

Deshalb wächst auch die „Loss mer singe“-Initiative immer weiter. In der kommenden Session sind mehr als 60 Veranstaltungen geplant, erstmals wird dabei auch in Stuttgart das kölsche Liedgut gefeiert. „‚Loss mer singe‘ war immer der Silberstreif am Horizont im Karneval. Wenn du da gewinnst, wusstest du, dass die Leute dir zugehört haben“, sagt Stephan Brings.

„Was dort in den Kneipen gut funktioniert, geht auch draußen in den Sälen“, findet auch Hanz Thodam von den Bläck Fööss. Der hatte sein erstes Erlebnis im Monheimer Hof. Damals war er mit zwei Songs seiner Ex-Band Hanak im Rennen. Zudem stand ein Song der Fööss, den er mitgeschrieben hatte, auf dem Zettel. „Ich war total gespannt, wie meine Lieder bei den Menschen ankommen“, sagt er. „Zu beobachten, wie sich die Leute bewegen und die Texte mitsingen, war einfach himmlisch.“

Die Rheinländer bei ihrem Auftritt auf der Bühne.

Extra für das Jubiläum standen die wiedervereinigten Rheinländer noch einmal auf der Bühne.

Brings und Kasalla sind in den vergangenen 25 Jahren die Seriensieger. Mit Kempes Feinest gewann im Vorjahr erstmals eine Band mit einer Frau an der Spitze die Gesamtwertung. Am 11. Januar 2006 gewann die Band Schmackes im Lapidarium mit dem Song „Dä Nubbel“ eine einzelne Wertung. Annette Fuchs präsentierte den Song deshalb noch einmal beim Jubiläum.

Extra zum 25-Jährigen kamen auch die Rheinländer noch einmal auf der Bühne zusammen. Sie punkteten früher auch bei den Kneipenevents und gewannen 2005 mit „Op die Welt“. Ein Jahr später siegten die Höhner mit „How do you do“. „Den Song haben sie eigentlich gar nicht live gespielt. Wir waren schon immer ein etwas anderer Kosmos“, sagt Helmut Frangenberg, einer der Mit-Initiatoren.

Nils Schreiber, Peggy Sugarhill und Johanna Eicker bei der Talkrunde.

Zu den Talkgästen gehörten auch Miljö-Frontmann Nils Schreiber, Peggy Sugarhill (M.) und Johanna Eicker.

Jedes Jahr werde die Auswahl der 20 zur Wahl stehenden Titel immer komplizierter, räumte er ein. Denn die Masse an gut produzierten kölschen Titeln wächst.

Und „Loss mer singe“ nimmt für sich in Anspruch, auch Newcomer zu fördern und den einen oder anderen Song abseits des Mainstreams zu nominieren. Ob der bereits sich jetzt abzeichnende Sessionshit „Karnevalsmaus“ von Druckluft zwingend in die Kneipentour gehöre, könne daher diskutiert werden.

Björn Heuser zusammen mit Stephan Brings.

Björn Heuser (l.) zusammen mit Stephan Brings. Der Liedermacher sang abends noch wie jeden Freitag im Brauhaus, der Bassist kam von der Aufzeichnung von „Fernsehgarten on Tour“ aus Völklingen zum Fest.

Doch da hat Kasalla-Sänger Campmann eine klare Haltung: „Ihr müsst das abbilden, was das Potenzial hat, ein Hit zu werden“. Ex-Fööss-Mitglied Bömmel Lückerath ist ein anderer Punkt wichtig: „Köln lebt von der kölschen Sprache und den kölschen Liedern. Wenn die Titel nicht mehr auf Kölsch gesungen werden, werden wir beliebig und die Inhalte nicht mehr überzeugend.“

Dass „Loss mer singe“ nicht nur für den Erfolg von kölschen Titeln entscheidend ist, konnte Miljö-Frontmann Nils Schreiber berichten. Sein Bandkollege Sven Löllgen hat beim Kneipensingen seine Freundin kennengelernt. Im Vorjahr war Hochzeit. „Das Singen verbindet und bietet Menschen einen Ort, um zusammenzukommen. Das ist wesentlich besser, als zu Hause zu bleiben und irgendwelche Internet-Postings abzusetzen“, sagt Schreiber.