Neuer Kölner Feuerwehrchef im Interview„Das geht bis hin zu tätlichen Angriffen“

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Der neue Kölner Feuerwehrchef Christian Miller.

  • Der neue Feuerwehrchef spricht über Störer bei Einsätzen und Angriffe auf Feuerwehrleute und Rettungssanitäter.
  • Außerdem erklärt er die Schwierigkeit, Nachwuchs zu gewinnen.

Köln – Herr Miller, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Polizisten werden während ihrer Einsätze vermehrt von Leuten beschimpft und angegangen. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich halte das für ein gesellschaftliches Problem. Wir haben im Rettungsdienst immer noch einen kleinen Bonus, aber der bröckelt nach und nach ab. Wir kommen ja, um zu helfen. Und manchmal werden wir leider aktiv daran gehindert. Beispielsweise nimmt es zu, dass Absperrungen missachtet werden. Das geht dann im Extremfall bis hin zu tätlichen Angriffen auf unsere Mitarbeiter.

Wie erklären Sie sich die Fehlentwicklung?

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Es ist schwierig, den einen alleinigen Grund herauszufiltern. Ein Gesichtspunkt ist sicher die Individualisierung. Jeder will sich frei entfalten, frei bewegen, hat seine eigenen Ziele vor Augen. Dann kommt ein Amtsträger und schränkt diese Freiheit aus notwendigen Gründen ein. Das wird nicht akzeptiert. Wobei fehlende Akzeptanz und Tätlichkeit sich ja stark unterscheiden. Warum jemand ohne ersichtlichen Grund Einsatzpersonal angreift, kann ich mir eigentlich nicht erklären.

Zur Person

Der promovierte Chemiker Christian Miller (43) ist neuer Chef der Berufsfeuerwehr und damit Nachfolger  von Johannes Feyrer, der am 1. Mai in den Ruhestand geht. Nach seiner  Ausbildung zum Brandmeister studierte Miller   Chemie 

Wie wollen Sie dem begegnen, dass Ihre Arbeit behindert wird?

Wir versuchen zu deeskalieren. Wenn es Anzeichen gibt, dass es zu einer Auseinandersetzung kommt, dann ziehen wir uns zurück. Wir werden nicht anfangen, Pfefferspray oder etwas ähnliches mit uns zu führen.

Sie können sich doch bei einem Brand oder einem Unfall mit Verletzten nicht zurückziehen.

In solchen Fällen fordern wir umgehend Polizeikräfte an, die uns schützen.

Das kostet Zeit...

..das ist eine aktive Behinderung unserer Arbeit, klar. Und das ist für die Opfer äußerst nachteilig.

Freut sich ein Feuerwehrmann, wenn er einen Einsatzbefehl bekommt? Es geht ja immer um eine Notsituation.

Ich denke, das hat zwei Seiten. Insgesamt wollen Feuerwehrleute schon zeigen, dass sie ihren Job beherrschen. Man hört auf der Wache bereits am Tonfall des Disponenten, wie hoch der Druck bei dem bevorstehenden Einsatz sein wird. Und es gibt bestimmte Stichworte, die den Adrenalinspiegel hochschnellen lassen. Zum Beispiel haben wir für Einsätze mit Menschenrettung eine Spezialansage. Die heißt: Feuer Zwei Ypsilon. Dann sind alle auf sämtliche Eskalationsstufen vorbereitet.

Warum Ypsilon?

Weil das ein seltener Buchstabe ist, den man beim Hören nicht verwechseln kann.

Haben Sie Einsätze erlebt, die Ihnen bis heute nahegehen?

Bei einem Frontalzusammenstoß wurden ein Vater und sein Kind schwer verletzt. Während sich ein Teil des Teams um den Vater gekümmert hat, ist uns das Kind buchstäblich unter den Händen weggestorben. So etwas lässt einen nicht los. Als ich noch bei der Freiwilligen Feuerwehr war, wurde ich zu einem Verkehrsunfall gerufen, bei dem ein Kamerad aus dem Sportverein unter dem eigenen Auto begraben lag. Wenn man dann in die Bergung gehen muss, das ist schon sehr belastend.

Sie haben zwei Kinder, wollen die auch mal zur Feuerwehr?

Meine Söhne sind drei und fünf, das heißt, sie stehen noch am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung (lacht). Aber natürlich haben sie Feuerwehrautos in ihrer Spielzeugkiste. Die sagen mir klipp und klar, wie der Playmobil-Einsatz zu verlaufen hat.

Wie sind Sie selber zur Feuerwehr gekommen?

Mein Vater war Feuerwehrmann, mein Bruder arbeitet bei der Bundeswehr-Feuerwehr. Ich stamme aus einer Feuerwehr-Familie und bin sozusagen von klein auf in den Beruf reingewachsen. Die Faszination hat aber über die Jahre eher noch zugenommen.

Welcher Aufgabe wollen Sie sich in Ihrem Job als Chef der Kölner Feuerwehr besonders widmen?

Sicherlich ist das Personalthema mit allen Facetten von großer Bedeutung. Es geht um Beteiligung der Mitarbeiter, interne Kommunikation und Nachwuchswerbung. Besonders an Ingenieuren für das mittlere Management haben wir derzeit einen großen Mangel. Da stehen wir in Konkurrenz zur Privatwirtschaft, in der höhere Gehälter gezahlt werden.

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Welche Möglichkeiten haben Sie im starren Tarifsystem des öffentlichen Dienstes?

Wir werden in Bezug auf die Gehälter nicht mit privaten Unternehmen gleichziehen können. Indem wir seit Anfang des Jahres diejenigen, die zusätzlich eine Ausbildung zum Notfallsanitäter gemacht haben, besser bezahlen, ermöglichen wir immerhin den Sprung in eine vorher nicht erreichbare Gehaltsstufe.

Wie viele Mitarbeiter fehlen Ihnen?

86 im Einsatzdienst. In dem Bereich haben wir aktuell 960 Stellen.

Und was verdient ein Beschäftigter bei Ihnen?

In der mittleren Beamtenlaufbahn beginnen die Kollegen, die alle eine Berufsausbildung abgeschlossen haben müssen, mit einem anfänglichen Monatsgehalt von ungefähr 2350 Euro. Das kann im Laufe der Jahre auf knapp 3400 Euro steigen. Wer mit Hochschulabschluss kommt, startet mit rund 2800 Euro. Später sind maximal 5600 Euro möglich. Hinzu kommen in beiden Fällen noch Familienzuschläge und Schichtzulagen. Das können je nach persönlicher Situation 500 Euro und mehr im Monat sein. Für die Beamtenlaufbahn sprechen auch die berufliche Sicherheit und die positiven Rahmenbedingungen.

Wie viele Frauen arbeiten bei der Feuerwehr?

Zurzeit sind es zehn. Die große Hürde ist die körperliche Leistungsfähigkeit, die der Eignungstest verlangt. Aber man kann die Fitness-Prüfung in dem Zusammenhang überdenken, weniger kraftbetonte Übungen zum Beispiel. Denn wir wollen mehr Frauen einstellen.

Stadtdirektor strebt Reformen an

Im vorigen Jahr gab es großen Unmut in der Belegschaft der Berufsfeuerwehr. Mitarbeiter beschwerten sich unter anderem, weil sie den Rettungsdienst überlastet sahen. Weitere Kritikpunkte waren mangelnde Einsatzfähigkeit im Brandschutz, der Schichtdienstplan, Gehaltseinbußen während einer dreijährigen Pflicht-Zusatzausbildung sowie der nach Auffassung von Mitarbeitern autoritäre Führungsstil des Feuerwehrchefs Johannes Feyrer. Stadtdirektor Stephan Keller berief Krisensitzungen ein und kündigte Reformen an. Im März will Keller erste Ergebnisse vorstellen. „Im Moment herrscht eine gespannte Ruhe“, sagte Keller. Die Mitarbeiter würden abwarten, welche Position der neue Feuerwehr-Chef bei den strittigen Themen einnimmt. (adm)

Ein Streitthema, das die Feuerwehr betrifft, ist die geplante Rettungshubschrauber-Station auf dem Kalkberg, einer ehemaligen Sondermülldeponie. Anwohner protestieren dagegen, der Stadtrat lässt die Verwaltung Ersatzstandorte prüfen, es droht eine Millionenpleite. Wie ist Ihr Standpunkt?

Ich kann weder etwas zur Vorgeschichte sagen, noch möchte ich eine Prognose abgeben. Zum Stand heute stelle ich fest: Wir haben eine nahezu fertiggestellte Hubschrauber-Betriebsstation. Und die Lage des Standorts hat aus Sicht des Rettungsdienstes Vorteile. Alles weitere entscheidet die Politik.

Was ist Ihr wichtigstes Ziel ?

Ich möchte die Kölner Feuerwehr zukunftsfähig machen. Digitalisierung, demografischer Wandel, Nachwuchsprobleme, Klima-Effekte, sicherheitspolitische Veränderungen – zu all dem müssen wir im operativen Bereich Antworten finden. Mal ganz einfach gesagt: Die Feuerwehr muss auch dann funktionieren, wenn das Stromnetz und das Datennetz ausfallen.

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