NiehlLkw-Fahrer entsorgen ihren Abfall und Urinflaschen am Straßenrand

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Niehl – Von den einst vielen Hundefreunden, die auf der weiten Brache im Niehler Industriegebiet ihre Lieblinge ausführten, ist Margit Mederer eine der wenigen Verbliebenen. Denn der immense Unrat, den vor allem hier rastende Fernfahrer und Privatleute hinterlassen, schreckt immer mehr Spaziergänger ab. „Früher waren hier viel mehr Gassigänger, aber hier kann man die Hunde wegen Scherben, Müll und teils gefährlichen Stoffen mittlerweile kaum noch frei laufen lassen“, so die Longericher Bürgerin. „Auch nahe der Scarletallee sieht es ähnlich wüst aus.“

Auf einem kurzen Rundgang mit ihr und dem Nippeser SPD-Bezirks-Fraktionschef Horst Baumann wird schnell klar, was sie meint. Entlang der Franz-Greiß-Straße, die von der Geestemünder Straße bis vor die Tore des 2015 eröffneten Güterzug- und Lkw-Terminals der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) durch Niemandsland führt, hat sich ein inoffizieller Lkw-Rastplatz etabliert. Beiderseits der Strecke türmt sich in den Abhängen und Büschen der Müll.

Eine Auswahl: leere Packungen der in Deutschland kaum verkauften „Bond“-Zigaretten mit Warnhinweisen in kyrillischer Schrift, ein paar Dosen „Atún Claro“ – eingelegter Thunfisch von der Eigenmarke der spanischen Supermarktkette Mercadona, Chips-Plastiktüten beschriftet in osteuropäischer Sprache sowie Hunderte Glas- und Plastikflaschen, teils gefüllt mit gelblicher Flüssigkeit. „Vermutlich Pinkelflaschen, die Fahrer während ihrer Reise angefüllt haben“, so Mederer.

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Ehrenamtler sammeln Müll der Lkw-Fahrer ein

Zudem ist der Boden längs der Strecke, vor allem an Büschen, übersät mit benutzten Taschentüchern und Toilettenpapier. Doch auch Privatleute scheinen den Ort anzusteuern, um ihren Sperrmüll loszuwerden – so finden sich Bauschutt, alte Farbeimer sowie etliche Säcke mit Isolier- und Dämmmaterial sowie Behälter mit Altöl.

Schon am Nachmittag parken rund 20 Lastwagen aus etlichen Ländern entlang der Straße. Gegen Abend, wenn die Touren enden, wird es richtig voll. Für die Fahrer hat Margit Mederer zum Teil Verständnis. „Die sind oft sehr nett. Vor allem Fahrer aus der Türkei sammeln meist ihren Müll in Tüten wieder ein; hat sie des Öfteren beobachtet. Es gibt einige Mülltonnen entlang der Straße, doch die quellen meist über. Einmal sammelte Mederer mit anderen Ehrenamtlern sowie Vertretern der Kreisjägerschaft freiwillig Müll auf; inzwischen sieht es aber wieder aus wie vorher.

Nachdem die Nippeser Bezirksvertreter von den Zuständen erfuhren, verabschiedeten sie einstimmig einen Dringlichkeitsantrag von SPD und CDU an die Verwaltung. Demnach soll die Stadt das Areal entlang Franz-Greiß-Straße und Scarletallee grundreinigen sowie größere und verschließbare Müllcontainer aufstellen. Außerdem sei zu prüfen, kostenlose oder günstige WC-Anlagen mit Waschgelegenheit aufzustellen. Eine vergleichbare Anlage am Kuhweg, unweit des Niehler Hafens, solle reaktiviert werden.

„Wir wurden von den Bürgern auf diese vergessene Gegend hingewiesen“, erläuterte Baumann. „Ich war von den Zuständen entsetzt; die Straße ist vermüllt und voller Fäkalien.“ Die reklamierte Dringlichkeit sei wegen eventueller Seuchengefahr gegeben, meint er. „Wir sind verpflichtet, den Fahrern die notwendigen Lokalitäten zur Verfügung zu stellen. Sie bekommen so wenig Geld, dass sie sich normale Raststätten-WCs nicht leisten können.“ Sein Fraktionschef-Kollege von der CDU, Christoph Schmitz, pflichtete bei. „Es ist eine Frage der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, man muss sich schon fragen, wo das Ordnungsamt da gewesen ist.“

Fernfahrer-Parkplatz?

Noch auf der Sitzung erläuterte der Leiter des Ordnungs- und Verkehrsdienstes, Jörg Breetzmann, die Schwierigkeiten. „Wir tolerieren solches Verhalten nicht und gehen bei Beschwerden dagegen vor. Wir betreiben jedoch keine Straßenreinigung oder WCs, sondern verfolgen Ordnungswidrigkeiten. Die müssen aber in dem Moment geschehen – wenn wir erst hinzugerufen werden, ist es nicht mehr beweisbar.“ Ein Fernfahrer-Parkplatz könnte eine Lösung sein, ergänzte der Nippeser Bürgeramtschef Ralf Mayer. „Er könnte genau die verlangte Infrastruktur plus Imbiss aufweisen. Aber niemand will ihn im eigenen Stadtbezirk haben, weil er mit Zufahrtsverkehr verbunden ist.“

Bei den Abfallwirtschafts-Betrieben (AWB) ist das Problem bekannt. „Wir wissen von den Zuständen dort“, so Wilfried Berf. „Wir haben dort Mülleimer aufgestellt, die wir regelmäßig leeren. Zudem stehen wir im Kontakt mit Bürgeramt und Verwaltung und reinigen den Bereich von Zeit zu Zeit. Aber allein durch uns ist das Problem nicht zu lösen.“ Michael Fuchs, Pressesprecher der HGK, verweist darauf, dass das Gelände an der Franz-Greiß-Straße nicht zum Unternehmen gehöre, sondern städtisch sei. Im übrigen handle es sich bei den Lkw in aller Regel nicht um Kunden des Terminals, jene würden meist direkt abgefertigt. Wer warten müsste, finde auch Stellplätze vor. „Lkw-Fahrer, die unser Terminal anfahren, können im Bürogebäude Toiletten benutzen.“ Übernachten könne man dort nicht, wohl aber an Raststätten und Autohöfen der Region.

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