Personalnot in Kölner KitasVerbale Angriffe der Eltern erhöhen psychische Belastung bei Erziehern

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Menschen mit gelben Westen und Helm halten ein Banner in der Hand.

Kita-Fachkräfte demonstrieren vor dem Historischen Rathaus in Köln.

Kölner Kita-Fachkräfte demonstrierten, weil frühkindliche Bildung und verlässliche Betreuung nicht mehr gewährleistet werden können.

„Wir gehen unter“ steht auf dem Plakat, das die Kita-Fachkräfte vor dem Rathaus hochhalten. Mit einer von der Gewerkschaft Verdi initiierten Demonstration vor dem Jugendhilfeausschuss schlagen sie Alarm, weil die Lage angesichts des Fachkräftemangels in den Kitas immer untragbarer werde. „Eigentlich haben wir den gesetzlichen Auftrag, zu bilden, zu erziehen und zu betreuen. Aber wir können schon jetzt nur noch betreuen“, sagt Manuel Seelbach, Personalrat der Kölner Kitas, ernüchtert. Frühkindliche Bildung in den Kitas sei „nicht mehr möglich“.

Und nicht nur das: Inzwischen sei ganzheitlicher Kinderschutz oft nicht mehr gewährleistet, ergänzt Personalrat Alexander Bolg und beschreibt den Alltag in Kölner Kitas: Da würden aus der Not heraus immer wieder Vertretungskräfte in Gruppen geschickt oder die Gruppen je nach täglichem Personalstand neu zusammengewürfelt, teilweise würden Erzieherinnen kurzfristig wegen Notstands in andere Kitas abgeordnet. Wie solle da eine sichere Bindung entstehen? Zu einer Erzieherin oder auch in einer Kindergruppe?, fragt er sich.

Es gibt drei Verlierer: Die Kinder, die Eltern und das Personal.
Alexander Bolg, Personalrat der Kölner Kitas

Hinzu kommt das zunehmend gereizte Klima. Immer wieder erfahren Eltern kurzfristig wegen Krankheitsfällen von reduzierten Öffnungszeiten oder Gruppenschließungen. „Da ist eine zunehmende Not bei den berufstätigen Eltern, weil die ja auch Druck von ihren Arbeitgebern bekommen“, so Bolg.

Dieser Druck entlade sich inzwischen in teils unschönen verbalen Angriffen auf Kitapersonal, das sich ständig rechtfertigen müsse. Das führe zu steigendem Stress, höherer psychischer Belastung und damit noch mehr Krankheitsausfall. „Es gibt drei Verlierer: die Kinder, die Eltern und das Personal“, bringt er auf den Punkt.

Dabei spitzt sich der Personalmangel immer weiter zu: Schon jetzt sind in den 218 städtischen Kitas 200 Stellen unbesetzt. Das heißt: Im Schnitt fehlt in jeder Kita derzeit eine Fachkraft. In den nächsten Jahren wird sich der Mangel dramatisch zuspitzen: Die Stadt rechnet damit, dass bereits im Jahr 2025 bis zu 1400 Erzieherinnen und Erzieher fehlen könnten.

Bezogen auf ganz Nordrhein-Westfalen sind es nach einer Erhebung der Bertelsmann-Stiftung aktuell 24.400 Kita-Fachkräfte, die fehlen. Laut Städte- und Gemeindebund kann der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz schon jetzt landesweit nicht mehr vollständig erfüllt werden. Die Kitas würden unter diesen Bedingungen für einen langen Zeitraum weder die Bildung der Kinder noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten können, resümiert Verdi.

Daher fordert die Gewerkschaft von Bund und Ländern einen Stufenplan, in dem der weitere quantitative und qualitative Ausbau des Systems der frühkindlichen Bildung und der dafür notwendige Aufbau des Fachpersonals aufeinander abgestimmt werden. Außerdem brauche es „flankierende familien- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“, damit die Familien nicht unter dieser Versorgungsnotlage leiden. Für den Moment braucht es nach Ansicht der Demonstranten dringend Rahmenbedingungen, die auch in der Mangelsituation verlässliche Betreuung ermöglichen.

Kölner Kitas fordern Einschränkung der Flexibilität der Betreuungszeit

Der Kita-Personalrat fordert daher eine Einschränkung der Flexibilität in Form von 35-Stunden-Verträgen mit festen Bring- und Abholzeiten, die in allen Kölner Kitas einheitlich gelten sollten. Außerdem sollten für alle Familien, die mit der fixen Betreuungszeit nicht auskommen, täglich zwei weitere Randstunden angeboten werden, die durch Ergänzungskräfte abgedeckt würden.

Der Vorschlag geht über die angekündigten Maßnahmen der Stadt hinaus. Das Jugendamt hatte kürzlich angekündigt, dass jede Kita ab August für alle Eltern mit 35-Stunden-Verträgen mit dem jeweiligen Elternbeirat für die jeweilige Einrichtung verbindliche Bring- und Abholzeiten festlegen muss – etwa 7.30 Uhr und 14.30 Uhr. Die Verträge über 45 Stunden laufen derzeit noch normal weiter.

Kölner Kitas kürzen wegen Personalmangel Öffnungszeiten

Aber schon jetzt kürzen einzelne Kitas aufgrund der Personallage die Öffnungszeiten – teils über Wochen, teils über Monate. So etwa der die Kita Auerstraße in Nippes, wo diese gerade für nicht absehbare Zeit auf 35 Stunden reduziert werden mussten – egal welchen Vertrag man hat. In anderen Städten – wie etwa Aachen oder Bonn – sei diese Reduzierung der Öffnungszeit schon viel verbreiteter als in Köln, erläutert Bolg. So hat etwa Bonn mehr als ein Drittel der Kitas auf reine 35-Stunden-Plätze umgestellt.

Die Stadt setzt sich nach eigenen Angaben intensiv damit auseinander, wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann. Ein wichtiger Punkt ist die deutliche Ausweitung der Kapazitäten für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern durch eine Erweiterung des Berufskollegs in Ehrenfeld. Hierfür soll zeitnah ein neuer Teilstandort in einer Immobilie gebildet werden, für den eine Büroimmobilie gemietet werden soll.

Was kurzfristig helfen würde, wäre eine Verstetigung des sogenannten Alltagshelfer-Programms, fordert Verdi. Derzeit können die Kitas zur Entlastung eine hauswirtschaftliche Kraft einstellen, die bei den nicht-pädagogischen Aufgaben wie Küchendienst, Einkauf oder Reinigung unterstützen soll. Das durch das Land NRW finanzierte Alltagshelfer-Programm läuft allerdings am 31. Juli aus.

Sollte das Land dieses Programm nicht verlängern, müsse Köln das in Eigenregie umsetzen fortsetzen, fordert Kita-Personalrat Bolg. Am 26. Mai wird der Jugendhilfeausschuss in einer Sondersitzung darüber beraten, wie die Stadt dem Mangel begegnen soll.

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