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Erinnerung an Odeon-LichtspieleFrüheres Kino in Köln-Ensen wird abgebrochen

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Kino-Ensen

Das große Odeon-Kino bereicherte ein Jahrzehnt lang das Ensen-Westhovener Kulturleben. 

Als jetzt die Abbruchbagger anrollten, war die glanzvolle einstige Bestimmung des Hauses schon seit sechs Jahrzehnten Vergangenheit. An die Glanzzeiten des Odeon-Kinos an der Gilgaustraße erinnern sich nicht mehr viele der heutigen Bewohner von Ensen-Westhoven. Dabei war es mit 535 Plätzen einst eines der großen Lichtspielhäuser. Hier konnten sich mehr Menschen gleichzeitig amüsieren als selbst in den größten Sälen des an Gaststätten weiß Gott nicht armen Ortes mit damals 5500 Einwohnern.

Ben Hur oder Krieg und Frieden

Von 1953 bis 1962 genossen Zuschauermassen im Odeon vor allem Monumentalfilme wie Ben Hur, Krieg und Frieden oder Die zehn Gebote. Dann zog das Fernsehen in deutsche Wohnzimmer ein, und bei der Präsentation der neuesten Kinofilme wurden die großen linksrheinischen Spielstätten deutlich schneller beliefert als die Vorortkinos. Das Odeon Kino schloss 1962.

Jörg Pfennig, Archivar der örtlichen Bürgervereinigung, hat die Historie des jetzt abgebrochenen Gebäudes an der Gilgaustraße 40-42 erforscht und dabei Anekdoten aufgespürt, die ein höchst lebendiges Bild vom gelebten Miteinander im damals noch ländlich-dörflich geprägten Doppelort am Rhein vermitteln.

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Im Jahr 1951 geplant und 1953 eröffnet, bot das Lichtspieltheater Odeon demnach einen 30 Meter langen Kinosaal mit moderner Breitband-Leinwand, der hinter einem zweigeschossigen Wohn- und Geschäftshaus errichtet war.

Amüsante, fast filmreife Zeitgeschichte

Erbauer war Kaspar Schlang, dessen Tochter Marielu noch die Baupläne des Hauses und viele Erinnerungen an das Kino sowie die spätere Nutzung des Gebäudes hat. Pfennig hat daraus eine amüsante, fast filmreife Zeitgeschichte zusammengestellt.

Ensen-Westhoven war in den 1950er Jahren demnach als Unterhaltungsviertel mit einer Vielzahl von Gaststätten jeglicher Größe über die Porzer Stadtgrenzen hinaus bekannt. Mit dem Kino, das hinsichtlich Platzzahl und Ausstattung den Vergleich mit den Porzer Kinos „Scala“ und „Rheingold“ nicht zu scheuen brauchte, kam eine weitere Freizeit-Attraktion hinzu. Wie sich Marielu Uckermann entsinnt, befanden sich neben dem Eingang mit Bildern aus den aktuellen Filmen links ein Zigarren- und Lotto-Lädchen (Balzar) und rechts eine Drogerie (Kunze). Im Innenraum folgten Kasse und Schaukästen mit der Vorschau auf die nächsten Filme.

Nobler Sperrsitz für drei Mark 

Im Saal kostete der Eintritt für Plätze der Reihen eins bis fünf damals 50 Pfennig, die Mitte 1,50 Mark. „Und wer sich was gönnen wollte, wählte den noblen Sperrsitz für drei Mark“, berichtet Pfennig. Am Ende einer Vorstellung konnten Zuschauer durch drei große Flügeltüren seitlich direkt ins Freie gelangen. Eine Extra-Sensation war der Besuch des afroamerikanischen Opernsängers und Schauspielers Kenneth Spencer, der auf der Bühne des voll besetzten Lichtspielhauses auftrat. Spencer habe den Gästen einen bis heute unvergessenen Abend beschert, hat Pfennig erfahren.

Schon Anfang der 1960er Jahre lohnte sich der Betrieb des Kinos nicht mehr so recht – neueste Filme liefen eben vorrangig im Kölner Zentrum. 1962 wurde daher das Kino zu einer Gaststätte umgebaut. Zumindest der Name Odeon Klause hielt aber die Erinnerung an die Lichtspielzeit wach. Die beiden kleinen Ladenlokale zur Gilgaustraße hin wurden beibehalten.

Aus dem Kino wurde eine Kneipe mit Kegelbahn 

„Der Kino-Vorraum erhielt rechts Nischen mit Sitzplätzen und links einen Tresen, dahinter erstreckte sich ein Saal mit der Küche links und rechts abgetrennt lagen zwei Kegelbahnen“, brachte Pfennig in Erfahrung. „Kegeln war zu jener Zeit derart beliebt, dass die Kegelbahnen zweimal täglich, für 17 und 20 Uhr, reserviert werden konnten und immer ausgebucht waren“, schildert der Archivar. Es gab anfangs sogar noch Kegeljungen, die nach jedem Wurf die Kegel wieder aufstellten.

In der Odeon Klause wurde gefeiert, was es zu feiern gab, ob Karneval, Tanz in den Mai, Treffen des Heimatkreises Schlawe oder Kirmes. Auch die diversen Mannschaften des Fußballvereins SV Westhoven Ensen sowie der Spielmannszug hatten dort ihr Vereinslokal. Amüsiert erinnert Pfennig an mit der Kneipe verbundene Ereignisse, über die in Ensen-Westhoven heute noch gesprochen wird.

Mit dem Sportwagen in den Schankraum gefahren

Da gab’s den GT-Fahrer, der wegen einer Wette mit seinem Wagen über die Eingangsstufe der Odeon Klause in den Schankraum fuhr und vor dem Tresen parkte. Oder den Friseur, der die Haare wohl am besten schnitt, wenn er einige Kölsch intus hatte. Der habe häufig am Tresen gesessen und seinen Trink-Kumpanen auf Wunsch gleich im Lokal einen neuen Schnitt verpasst. Und dann die Erinnerung an Karnevalszeiten, wenn die Kneipe zum Kreditinstitut wurde: Wie Pfennig erfuhr, ließen nicht wenige Gäste zu Weiberfastnacht in der Odeon Klause einen Deckel anlegen, feierten und tranken in einem fort und bezahlten den Deckel erst beim Fischessen zu Aschermittwoch.

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Das Kneipensterben in Ensen-Westhoven begann dem Chronisten zufolge in den 1980er Jahren. 1982 wurde in der Odeon Klause das letzte Kölsch gezapft. Der Penny-Markt mietete die gesamte Geschäftsfläche einschließlich des ehemaligen Kinosaals, den zwischenzeitlich die Schlosserei Neumann genutzt hatte. Die hinteren Räumlichkeiten dienten als Lager.

Anfang der 2000er Jahre schloss die Ensener Penny- Filiale im Zuge wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Discounter-Kette. Nach einigen Jahren Leerstand zog dort das Geschäft „11 Teamsport“ ein und versorgte den mittlerweile auf mehr als 12 000 Einwohner gewachsenen Doppelort mit Sportartikeln. Das blieb so, bis das Haus jetzt niedergelegt wurde. Ganz zum Schluss wurde der Gebäudekomplex übrigens noch einmal zum Schauplatz gespielter Action, wie Pfennig schildert. Die schon leerstehenden Wohnungen im gleichfalls vom Abbruch betroffenen Haus mit der Nummer 36 wurden für Übungen der örtlichen Feuerwehr genutzt. Anstelle des ehemaligen Kinos und der Nachbargebäude entsteht jetzt ein weiteres modernes Haus, das sich in die inzwischen städtische Nachbarschaft des Ensener Ortszentrums einfügt. Der geplante mehrgeschossige Neubau hat Platz für 33 Wohnungen und vier Ladenlokale.

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