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Ticket Nummer einsErster Linienflug nach dem Krieg – Lufthansa-Maschine landet 1955 in Köln-Wahn

Lesezeit 4 Minuten
Nach dem Abschluss ihres Lehrgangs warten die ersten Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter im Frühjahr 1955 vor einer Convair-Maschine auf ihren Einsatz.

Nach dem Abschluss ihres Lehrgangs warten die ersten Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter im Frühjahr 1955 vor einer Convair-Maschine auf ihren Einsatz.

Am 1. April 1955 landet auf dem späteren Flughafen Köln-Bonn die erste Nachkriegs-Linienmaschine der Lufthansa. Ein Rückblick.

Flugverspätungen sind besonders in den Abendstunden ein häufiges Ärgernis Reisender. Ein neues Phänomen sind sie indessen nicht. Die Geschichte der zivilen Luftfahrt nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt gleich mit einer Verzögerung. Für 10.05 Uhr ist die Landung des ersten Linienfluges der Lufthansa am Freitag, 1. April 1955, auf dem offiziell noch militärisch genutzten Flugplatz in Köln-Wahn avisiert.

Peter Maria Busen, Bonns Oberbürgermeister, ist am Morgen zusammen mit Stadtdirektor Langendörfer und mit vier in Seidenpapier gewickelten Bröckemännchen aus Marzipan und Bildbänden über die Stadt Bonn in die Heide geeilt, um die Besatzung und Passagiere zu begrüßen. Doch erst um 10.10 Uhr meldet sich der Pilot aus der silbergrauen Convair CV-340 per Sprechfunk an.

Mit Verspätung gelandet

Eine Viertelstunde braucht es allerdings noch, bis der Tiefdecker aus München kommend auf der Wahner Querwindbahn aufsetzt. Busen und Langendörfer verkürzen sich die Wartezeit derweil im Flughafenrestaurant mit dem Begrüßungschampagner.

Zwei Jahre zuvor haben der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Bundesbahn gemeinsam die Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf (LUFTAG) gegründet und mit der Ausbildung von Piloten und Kabinenpersonal begonnen. Angesiedelt wird sie in Köln. Im Jahr darauf kauft man die Markenrechte an der in Liquidation befindlichen Deutschen Lufthansa AG. Rechtlich will man mit der tief ins NS-Regime verstrickten Firma nichts zu schaffen haben. Aber der klangvolle Name soll schon sein. Und alte Fachleute sind auch wieder an Bord.

Schon zwei Monate bevor mit den Pariser Verträgen zum 5. Mai 1955 das Besatzungsstatut endet und die Bundesrepublik rechtlich ein souveräner Staat wird, heben die Alliierten auch das zivile Flugverbot über Deutschland auf und genehmigen den Kauf von vier Convair-Maschinen für den Regionalverkehr und später von vier Super Constellation von Lockhead für die Fernstrecke. Letztere sind damals state of the art. Heute könnten sie locker unter dem Flügel eines Airbus 380 parken.

Die Convair CV-340 „Metropolitan“ war von 1955 bis 1968 im Einsatz.

Die Convair CV-340 „Metropolitan“ war von 1955 bis 1968 im Einsatz.

Am 1. März 1955 beginnt der Probebetrieb: Um 18.30 Uhr setzt eine Maschine mit deutsch-britischer Besatzung von Hamburg kommend auf der Wahner Betonbahn auf. Schon einen Monat später könnten deutsche Kollegen übernehmen, berichtet der junge Captain Brown den anwesenden Reportern, den man von der englischen Staatslinie British European Airline (BEA) abgeworben hat.

Die Stewardessen Jutta und Rosemarie in dunkelblauen Lufthansa-Kostümen freuen sich über Präsentflaschen Kölnisch Wasser, auch wenn die erste Etappe auf dem Weg nach München in der abgeschlossenen Druckluftkabine ohne besondere Vorkommnisse verlaufen sei. Auch zwei junge Herren sind zur Bedienung der bis zu 44 Passagiere abgestellt und haben nach eigener Aussage wochenlang einen formvollendeten Diener geübt.

Köln-Wahn, der spätere Flughafen Köln-Bonn gilt 1955 nicht nur als Hub zum Anschluss der provisorischen Hauptstadt Bonn an die Welt. Nachdem sich die Alliierten 1957 ganz von dort zurückziehen, verfügen die beiden Rheinstädte über das damals größte Flughafengelände Europas. In den Rathäusern träumt man zusammen mit Flughafendirektor Steinbach von einem großen Drehkreuz. Zumindest hat der erste Probeflug etliche Ersatzteile im Gepäck, damit künftig eine sichere Wartung auch hier erfolgen kann.

17 Stunden für den Sprung über den Atlantik

Als erster Nachkriegskunde hat der Kaufmann Wittlinger aus Hamburg das Ticket Nummer 1 von München nach Hamburg zum Preis von 79 Mark gelöst. Ein Bonusprogramm wie Miles & More gibt es damals noch nicht, aber dafür eine Briefmarkenlupe für den Erstkunden. Schließlich bringt die Bundespost aus Anlass des Erstfluges eine Sondermarke heraus.

Auch zwei junge Damen „auf Vergnügungsreise“ sind am 1. April unter den ersten elf Fluggästen. Geduldig lassen alle die feierliche Begrüßung über sich ergehen. Ähnliches habe man bereits in München und Frankfurt erlebt und sich deshalb die Verspätung eingefangen, berichtet einer.

Was noch etwas improvisiert wirkt, entwickelt sich rasch zum großen Geschäft. Schon im Mai geht es für die Lufthansa erstmalig ins europäische Ausland. Am 8. Juni 1955 hebt eine „Super Connie“ der Lufthansa dann zum ersten Linien-Luftsprung über den Atlantik ab. Hatte sie es bei der Auslieferung in einem Direktflug geschafft, braucht der nur 37 Meter lange Strahltriebwerk-Flieger mit Passagieren und Gepäck an Bord nun vier Tankstopps in Düsseldorf, Irland und Island. 17 Stunden dauert die Reise nach New York insgesamt. Aber das ist viel schneller als eine Dampferfahrt in vier bis sechs Tagen. Für das Flugzeug-Modell hat sich die Lufthansa übrigens angeblich entschieden, weil der Hersteller mit Schmiergeldern unter anderem an Franz-Josef Strauß nachgeholfen hatte.

Eine Hoffnung geht bei aller Euphorie indessen nicht auf: Auch wenn die Lufthansa ihren Firmensitz in Köln behält, entwickeln sich Hamburg Fuhlsbüttel und Frankfurt am Main zunehmend zu ihren Drehkreuzen für die Fernstrecke, etwa in den Nahen Osten oder nach Südamerika. Daran ändert sich auch nichts, als Bundeskanzler Konrad Adenauer im Herbst 1955 zwei „Super-Connies“ chartert, um mit seiner Regierung von Köln nach Moskau zu jetten, um die Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen zu verhandeln.

In Reaktion auf das lukrative Chartergeschäft wird vielmehr wenige Wochen später der Deutsche Flugdienst als Charter-Tochter der Lufthansa mit weiteren Reedereien und der Bundesbahn gegründet, der Vorläufer der späteren Condor.