Stadt will reagierenAnwohner fordern harte Maßnahmen gegen Tuner-Szene am Poller Rheinufer

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Junge Männer stehen auf der Alfred-Schütte-Allee zwischen geparkten Autos und rauchen Wasserpfeife.

Szene aus dem Frühjahr 2021: Seit Jahren ist die Alfred-Schütte-Allee zwischen Südbrücke und Bushaltestelle abends ein beliebter Treffpunkt

Anwohner übergeben am Dienstag im Porzer Rathaus eine Anti-Raser-Petition. Die Stadt plant bereits  konkrete Maßnahmen in Poll.

Von einem klassischen „Raser-Unfall“ mag niemand sprechen bei der Polizei, aber dass der 21-jährige Unfallfahrer von der Siegburger Straße in Deutz am Abend des 7. Januar vermutlich schneller als erlaubt unterwegs war, als er einen Fußgänger totfuhr, darauf haben die Ermittler Hinweise. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigt das. Elektronische Daten vom Fahrzeug sollen diesen Verdacht begründen, heißt es. Wie schnell genau der Mercedes unterwegs war, muss nun ein Gutachter klären.

Ebenfalls noch unbewiesen ist, aber vermutet wird, dass der 21-Jährige in der Poser- und Tuner-Szene in Köln verkehrte, die sich unter anderem auf der Alfred-Schütte-Allee an den Poller Wiesen trifft. Polizisten sollen das Fahrzeug, mit dem der Verdächtige den Unfall verursacht haben soll, auf einem Video erkannt haben, das in der Szene kursiert. Ob der Verdächtige an jenem Abend des 7. Januar gegen 23.30 Uhr auch von der Alfred-Schütte-Allee kam, ist dagegen unklar.

Unfallfahrer aus Köln-Deutz gibt Führerschein ab

Der Mercedes ist auf den Vater des Beschuldigten zugelassen. Seinen Führerschein hat der 21-Jährige inzwischen abgegeben. Damit kam er wohl einem Beschluss des Amtsgerichts vor, den Staatsanwaltschaft und Polizei ohnehin beantragt hatten oder dies beabsichtigten. Der Verdächtige habe eingeräumt, am Steuer gesessen zu haben und wolle sich der Verantwortung stellen, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Für manchen Anwohner der Alfred-Schütte-Alle indes, die der Stadt Untätigkeit bei der Bekämpfung der Raser- und Tuner-Szene vor ihrer Haustür vorwerfen, war der Unfall in Deutz nur eine Frage der Zeit. Einer erinnert an den tödlichen Raser-Unfall 2015 am Auenweg, bei dem eine 19-jährige Radfahrerin starb. Er sagt: „Es muss wohl erst etwas passieren, bis gehandelt wird.“

Am Dienstag wollen die Anwohnerinnen und Anwohner im Porzer Rathaus eine Petition überreichen an die Porzer Bezirksbürgermeisterin Silke Stiller (CDU) und ihren Amtskollegen Andreas Hupke (Grüne), zuständig für Deutz und die Innenstadt. 2160 Unterschriften hat die Initiative „gegen die Raser-und Poser-Szene und die Verwahrlosung der Poller Wiesen“ im Internet gesammelt. Darin fordern sie die Behörden zum „zeitnahen Handeln“ auf. Dem Beschwerdeausschuss des Stadtrats liegt die Petition bereits vor.

Polizisten kontrollieren einen Autofahrer auf der Alfred-Schütte-Allee in Poll.

Polizisten kontrollieren einen Autofahrer auf der Alfred-Schütte-Allee in Poll.

Man wolle den tödlichen Unfall auf der Siegburger Straße keinesfalls instrumentalisieren, betont auf Anfrage Gerald Diepolder, der Sprecher der Initiative. „Aber vielleicht hätte es ihn nicht gegeben, wenn die Stadt die Alfred-Schütte-Alle schon im Vorjahr für die Szene unattraktiv gemacht hätte.“

Entsprechende Vorstöße und Eingaben von Anwohnerinnen und Anwohnern bei der Verwaltung sowie bei der Polizei gibt es schon seit mindestens vier Jahren. Auch wenn die Poser, Raser und Tuner sich in den vergangenen Monaten witterungsbedingt seltener an den Poller Wiesen getroffen haben – für das Frühjahr und den Sommer befürchtet Diepolder „Schlimmes“, sagt er.

Was schiefläuft in Poll, beschreibt die Nachbarschaft in ihrer Petition mit eindringlichen Worten: „Es wird mit lauter Musik, quietschenden Bremsen, kreischenden Insassen durch unsere Stadtteile gerast. Es beginnt tagsüber und steigert sich besonders nachts, ohne Rücksicht auf Verluste. Bestärkt werden die Raser durch ein Publikum in der hell beleuchteten Alfred-Schütte-Allee, welches ungehemmt lärmt, überlaut Musik hört, Müll hinterlässt und Verdampfer und Shisha-Qualm verbreitet. Anwohner trauen sich gar nicht mehr, an den Rhein zu gehen, besonders unsere älteren Nachbarn können einem unkontrollierten Raser nicht mehr ausweichen. In unseren Vierteln wohnen viele Kinder, die massiv gefährdet sind.“ Auch von Schüssen in die Luft aus fahrenden Autos heraus wird berichtet.

Anwohner in Köln-Poll wollen Tempo 30 und feste Blitzanlagen

Von der Stadt fordern die Unterzeichner unter anderem feste und mobile Blitzanlagen, Tempo 30 und eine Fahrradstraße zwischen Drehbrücke und Poller Hauptstraße, Zebrastreifen und mehr Kontrollen durch Ordnungsamt und Polizei.

Die Stadtverwaltung betont auf Anfrage, man wolle „voraussichtlich“ im dritten Quartal 2023 damit beginnen, verkehrsberuhigende Maßnahmen auf der Alfred-Schütte-Allee umzusetzen. Einiges sei bereits geprüft worden und werde gerade im Detail geplant. Zwischen der Südbrücke und der Müllergasse zum Beispiel soll das Parken neu geordnet und Mittelinseln auf der Fahrbahn installiert werden.

Bis Ende März will die Verwaltung die Politiker in der Bezirksvertretung genauer darüber informieren. Auf dem Abschnitt zwischen Drehbrücke und Südbrücke soll zudem eine Fahrradstraße eingerichtet werden. Erst wenn all diese Arbeiten abgeschlossen seien, könnten feste Blitzanlagen aufgestellt werden.

Am Kennedy-Ufer in Deutz, vor dem RTL-Gebäude, gilt seit vier Monaten zudem bereits ein absolutes Halteverbot zwischen 18 und 6 Uhr. Auch dort trifft sich die Poser-Szene regelmäßig, vor allem abends und an den Wochenenden. Die Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung seien „fast täglich“ unterwegs, um die Einhaltung des Verbots zu kontrollieren, teilte ein Stadtsprecher mit.

Vielen Anwohnerinnen und Anwohnern geht das zu langsam, sie wünschen sich schnelle und konsequente Maßnahmen – und einen „Runden Tisch“ mit der Verwaltung, Anliegern und Anwohnern. Es sei unbegreiflich, schreibt die Initiative, dass die betroffenen Bürger bislang nicht angehört worden seien. Das zumindest ändert sich heute im Porzer Rathaus.

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