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TierhilfeErste Adresse für gefiederte Notfälle

Lesezeit 4 Minuten

Mathilde Holz päppelt Entenküken auf.

Porz – Mathilde Holz hat ihr Leben lang gesucht. Nach dem richtigen Job, ihrer Berufung. Danach, Erfüllung in der Arbeit zu finden. Doch wenn die 58-Jährige heute im Schatten des großen Walnussbaums neben ihrem Haus steht und ihrem Mann beim Füttern der Tiere zusieht, dann ist sie glücklich. Um sie herum schnattert und krächzt es, in den Gehegen rund um den alten Baum wird hektisch mit den Flügeln geschlagen – der Appetit ist groß. Obwohl es lebhaft zugeht und gleich hinter der Wand, die das Grundstück in Porz begrenzt, die Autobahn 4 entlangdonnert, sind der Garten und die Gehege ihr Ruhepol.Mathilde Holz hat ihr Glück gefunden: Sie verhilft verletzten oder gestrandeten Vögeln zu einem Neustart ins Leben. 58 Vögel leben aktuell bei ihr und ihrem Mann in Porz. „Die meisten Tiere betreuen wir nur wenige Wochen. Entweder ziehen wir sie auf und wildern sie aus, wenn sie flügge sind. Oder wir pflegen sie gesund und entlassen sie danach wieder in die Freiheit“, erklärt Holz. Verhätschelt werden sollen die Tiere nicht, denn die Vogelmutter sieht ihre Enten, Schwäne, Krähen, Gänse und Möwen als Wildtiere, die unabhängig vom Menschen zurechtkommen sollen.

So wie die elfköpfige Entenfamilie, die sich gerade wild schnatternd um die Füße ihres Mannes schart. Da werden die Flügel gespannt und geschubst, was das Zeug hält. Jede möchte die erste sein, die den Schnabel ins Futter taucht.

Entenfamilien sind nicht die einzigen, die in Porz Zuflucht und eine Starthilfe ins Leben finden. Auch Krähen, eine genesene Nilgans und eine verletzte Elster werden im Augenblick von Familie Holz gepflegt.

Doch immer wieder landen bei Mathilde Holz und ihrem Mann gefiederte Notfälle, die von einer Verletzung oder Behinderung so gezeichnet sind, dass ein Leben in Freiheit nicht mehr infrage kommt. So wie Donna, die blinde weiße Stockente, die in einer ebenfalls flugbehinderten Möwe eine Blindenführerin gefunden hat und sich mit ihr einen eigenen Teich teilt. Oder wie Sparky, der freche Schwan, der bei Familie Holz Herrscher über den größten Teich direkt vor der Wohnzimmerterrasse ist und Gästen gern in die Kaffeetassen schaut. Der große weiße Vogel ist auf einem Auge blind. „Ihn auszuwildern würde sein Ende bedeuten“, erklärt Hans, der sich wie seine Frau gut mit den Bedürfnissen der Tiere auskennt und als Ehrenamtler die Greifvogelstation Gut Leidenhausen betreut. „Fliegen mit eingeschränktem Sichtfeld ist bei Schwänen unmöglich. Sie würden sofort irgendwo vorprallen. Schwäne brauchen einen Anlauf, um in die Luft gehen zu können. Den hat er hier bei uns nicht, und das ist seine Lebensversicherung.“ Sparky hat sich damit ganz gut abgefunden. Er hilft dabei, den jungen Enten, die in seinem Teich schwimmen lernen, die Verkehrsregeln auf dem Wasser beizubringen. Oder er radiert in Windeseile das Salatbeet aus, wenn Vogelmutter Holz wieder einmal vergisst, das Törchen zum Gemüsegarten zu schließen.

Dennoch: Den Vögeln ihre Freiheit zurückzugeben, sie fliegen zu lassen, das ist das Ziel ihrer privaten kleinen Vogelstation und für Mathilde Holz zur Lebensaufgabe geworden. Dabei hätte ihr Leben vielleicht anders verlaufen können. Als Mathilde mit 16 Jahren die mittlere Reife machte, organisierte sie sich ein Praktikum im Zoo. Doch der Vater verbot es ihr. Seine junge Tochter allein in die große Stadt zu fahren. „Das kam damals nicht infrage“, erinnert sich die 58-Jährige, die dann eine Lehre zur Friseurin antrat, weil sie etwas Anständiges lernen sollte. Ihren Lebenstraum hat sie sich dennoch erfüllt: „Einen fleißigen Mann und viele Tiere“, sagt sie augenzwinkernd mit Blick auf ihren Enten fütternden Gatten.

Außerdem, findet Mathilde Holz, die Vögel geben viel zurück. Unangenehm wird es nur, wenn Graupapagei Gonzo vor Besuchern das Wort ergreift. Der hat lange bei einem Alkoholiker in Kalk gelebt, spricht die Sprache der Straße und hat einen Hang zur unflätigen Ausdrucksform. „Von der Schwiegermutter bis zum Versicherungsvertreter hat der bei uns in der Küche schon jeden auf Übelste beschimpft.“ Macht nichts, die Vogeleltern können drüber lachen.