Wohnen am RheinKölner Campingplatzbetreiber: „Wir leben, wo andere Urlaub machen“

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Das Ehepaar Berger betreibt den Campingplatz in Rodenkirchen und wohnt auch dort.

Susanne und Bernhard Berger wohnen und arbeiten direkt am Rhein. Sie betreiben den Campingplatz in Rodenkirchen.

Familie Berger führt den Campingplatz in Rodenkirchen direkt am Rhein. Sie berichtet, was das Arbeiten und Leben am Wasser bedeutet.

Der Rhein bestimmt alles. Den Job, die Freizeit, den Alltag. Die Bergers wohnen und arbeiten direkt am Fluss, am Stromkilometer 681, um genau zu sein. Bernhard Berger betreibt Deutschlands ältesten Campingplatz an der Rodenkirchener Riviera in dritter Generation, gemeinsam mit seiner Frau Susanne und Sohn Benedikt Berger. Dem Rhein verdankt Bernhard Berger sogar seine Existenz, wie er sagt: „Ohne Rhein gäbe es mich nicht.“

Um diese Aussage zu verstehen, muss man weit zurückblicken: Im Jahr 1931 legt Bernhard Bergers Großvater, Jakob Berger, mit einer Zeltwiese den Grundstein für den heutigen Campingplatz. Im Jahr 1950 ist es noch möglich, den Rhein schwimmend zu durchqueren. So hat es auch Bernhard Bergers Vater Herbert gemacht: „Er ist in Poll ins Wasser gegangen, hat sich dann mit Freunden an einen der langsam fahrenden Lastenkähne gehängt, bis Rodenkirchen ziehen lassen und ist dann am Rheinkilometer 681 an Land gegangen.“ Dort, am Trinkbüdchen des „Bootshaus Berger“, lernt sein Vater seine Mutter Anneliese kennen, die in Rodenkirchen geboren und aufgewachsen ist. Sie verlieben sich, heiraten, gründen eine Familie.

Ein historisches Foto zeigt Menschen in Badekleidung vor einem Trinkbüdchen um 1950.

An diesem Trinkbüdchen lernte Bernhard Bergers Mutter Anneliese (Mitte) im Jahr 1950 ihren Mann Herbert kennen.

Inzwischen hat sich die einstige Zeltwiese zum Großbetrieb mit 250 Campingstellplätzen, Biergarten, Hotel und Restaurant entwickelt. Das Bootshaus gibt es nicht mehr, dort befinden sich nun Rezeption und Restaurant. Geblieben aber ist das Leben am Fluss. „Ich habe noch nie woanders gewohnt und kann mir das auch nicht vorstellen“, sagt Bernhard Berger. „Womöglich würde sonst seine Seele sterben“, fügt Susanne Berger hinzu, die seit Ende der 1980er Jahre mit auf dem Campingplatz wohnt. Die 56-Jährige ist in Rodenkirchen aufgewachsen, Bernhard kennt sie seit der Schulzeit. Die beiden Kinder Benedikt und Verena sind inzwischen 29 und 26 und vor einigen Jahren ausgezogen – wohnen allerdings beide noch in Rodenkirchen.

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Hier gehört das Hochwasser einfach dazu

„Wir arbeiten und leben da, wo andere Urlaub machen.“ Und das weiß der 57-Jährige auch nach all den Jahrzehnten noch zu schätzen: „Wenn ich von unserem Wohnhaus oder dem Campingplatz aus in diese Szenerie gucke, genieße ich das. Ich bin jeden Tag dankbar, hier zu wohnen.“ Natürlich sehe das bei „Schietwetter“ etwas anders aus. Und bei Hochwasser sowieso. Doch das Hochwasser gehört dazu. „Der Rhein war vor uns da, mit dem Hochwasser lernt man zu leben“, sagt Bernhard Berger.


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Und so ist der gesamte Platz entsprechend eingerichtet: Die gesamte untere Ebene, die Waschräume und die Rezeption werden bei Hochwasser geflutet. Vorher werden die Waschmaschinen aus den Waschräumen herausgeholt. Und der Wohnbereich der Bergers liegt im oberen Gebäudebereich. „Viele versuchen, ihre Häuser dicht zu machen und vor dem Wasser zu schützen. Wir nicht“, sagt Bernhard Berger. „Wir tragen alles nach oben, das Wasser kann in die unteren Bereiche fließen und wenn es wieder weg ist, machen wir sauber und räumen wieder ein.“ Seine Frau ergänzt: „Wir leben sehr flexibel.“ In der Coronazeit sei diese Fähigkeit, spontan zu reagieren und Pläne zu ändern, sehr hilfreich gewesen.

Bernhard und Susanne Berger sitzen auf einer Bank am Rodenkirchener Rheinufer.

Lieblingsplatz direkt am Wasser: Bernhard und Susanne Berger sitzen auf einer Bank am Rodenkirchener Rheinufer.

Wie es auf dem Gelände bei Hochwasser aussieht, zeigen alte Fotos in der Rezeption: überflutete Waschräume, den unter Wasser stehenden Campingplatz, Benedikt und Verena als Kinder in einem Boot. Der Campingplatz steht bereits bei einem Pegel von 6,80 Meter unter Wasser. Bisheriger Höchststand war für die Bergers ein Pegelstand von 10,69 Meter im Januar 1995 – das zweite sogenannte Jahrhunderthochwasser innerhalb kurzer Zeit übertrumpfte noch das von Weihnachten 1993 um sechs Zentimeter.

Benedikt Berger steht an der Markierung Rheinkilometer 681.

Benedikt Berger unterstützt seine Eltern beim Betreiben des Campingplatzes.

„Beim ersten Jahrhunderthochwasser war ich mit Benedikt schwanger und beim zweiten war er noch ein Baby. Wir waren zehn Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten“, erinnert sich Susanne Berger. Ab einem Pegel von 8,40 Meter sind die Bergers vom Wasser eingeschlossen und leben mitten im Rhein. „Die Kinder wurden mit dem Boot zur Schule gefahren, das fanden die cool.“

Köln: Campingplatz in Rodenkirchen leidet unter Hochwasser-Folgen

Für Bernhard Berger gibt es große Unterschiede beim Hochwasser: „Wenn es nicht gerade ein Jahrhundertereignis ist, muss man ein Winterhochwasser sportlich nehmen.“ Anders sei die Sache bei einem Juli-Hochwasser, mitten in der Camping-Hauptsaison.

Das bisher schlimmste sei das im Juli 2021 gewesen: Im zweiten Corona-Lockdown war der Campingplatz sieben Monate geschlossen. Als gerade einmal sechs Wochen wieder geöffnet war – internationale Gäste waren noch nicht wieder zurück – kam die Jahrhundertflut. „Von der Wasserhöhe war es für uns nicht dramatisch.“ Doch das Wasser stieg in kürzester Zeit sehr stark. „Wir mussten den Platz in weniger als 24 Stunden räumen.“ Anschließend die Schlammrückstände zu beseitigen und den Platz möglichst schnell wieder herzurichten, sei „sehr viel Arbeit“ gewesen. Durch die Corona-Einbußen habe man unter großem Druck gestanden. „Das war kein schöner Sommer.“

Die Treppen führen zu den Waschräumen des Campingplatzes.

Die Treppen führen zu den Waschräumen. Die untere Ebene wird bei Hochwasser geflutet. Daher liegen auch die Wohnräume der Bergers in oberen Stockwerken.

Lieber erinnern sich die Bergers an besonders schöne Sommer. Etwa an den Weltjugendtag 2005, als viele junge und internationale Gäste kamen und gemeinsame Waldmessen feierten. Oder an das Sommermärchen 2006, als während der Fußball-WM viele englische Anhänger zu Gast waren: „Seitdem bin ich Fan von englischen Fans“, sagt Bernhard Berger.

Köln-Rodenkirchen: Rund um Ostern ziehen die Besuchszahlen an

Jede Jahreszeit hat ihre Vorzüge und sorgt für Abwechslung. Susanne Berger genießt besonders die Atmosphäre im Herbst, „wenn der Nebel aufsteigt und ich mit den Hunden einen frühen Morgenspaziergang mache“ und die Schiffe vorbeiziehen. Rund um Ostern ziehen die Besuchszahlen an, die im Sommer ihren Höhepunkt erreichen und im Herbst wieder abklingen. Weihnachten kommen viele Tagesgäste und Weihnachtsmarktbesucher. Zwischen den Jahren ist die einzige Zeit im Jahr, in der der Campingplatz für einige Tage schließt. Das ist für Familie Berger die Zeit, um zu regenerieren.

„Gastgeber sein ist unsere Berufung“, sagt Bernhard Berger. Aber hin und wieder brauche es dann doch mal eine Auszeit. Die nehmen sie sich in ihrem „zweiten Zuhause“, wie Susanne Berger sagt, in ihrem Wohnwagen auf einem Mini-Campingplatz in Holland. Allerdings selten länger als ein Wochenende.

Nur ein einziges Mal waren die Bergers drei Wochen am Stück im Urlaub. „Ich brauche das nicht, da bekomme ich Heimweh“, sagt Bernhard Berger. „Wir haben die Welt bei uns, wir müssen nicht raus in die Welt.“ Besser könne es ohnehin nirgends sein: „Wir wohnen sieben Kilometer vom Dom entfernt, sind in 20 Minuten in der Innenstadt und wohnen trotzdem in einer dörflichen Idylle. Köln ist schon schön!“

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