Sieg über Fritz WalterWie dem SC Ford das „Wunder von Köln“ gelang

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Heinrich Lätsch (rechts) im Duell mit Fritz Walter.

Köln – An der Rennbahnstraße, auf Höhe der Hausnummern 115 bis 125, fristet eine der ältesten erhaltenen Fußballtribünen Deutschlands ihr trauriges Dasein. Zwar steht die Holz-Stahl-Konstruktion im Weidenpescher Park seit 1989 unter Denkmalschutz, doch ihr Erhalt scheint der Stadt Köln kein besonderes Anliegen zu sein. Ein bislang letzter Vorstoß zur Finanzierung einer Sanierung kam aus der Bezirksvertretung Nippes im Februar 2021. Passiert ist seitdem nicht viel. Das 1920 errichtete Bauwerk verfällt zusehends. Auf diesem traditionsreichen Fußball-Platz, der einmal zu den größten Stadien landesweit gehörte, fanden viele erinnerungswürdige Begegnungen statt. Etwa die Endspiele um die deutsche Meisterschaft 1905 und 1910. Ihren letzten großen Auftritt hatte die Tribüne als Kulisse für Sönke Wortmanns Film „Das Wunder von Bern“.

Bedauern über den Umgang mit dem historischen Ort verspürt auch Heinrich Lätsch. Hat der 85-jährige doch auf dem Areal sein größtes sportliches Erfolgserlebnis gefeiert. Aufgewachsen am Neumarkt musste Lätsch als kleiner Junge die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erleben. Auf Drängen seines Onkels verließ er 1943 mit der Mutter Köln um im Hunsrück Schutz vor den alliierten Bomberangriffen zu suchen. „In der Nacht nach unserer Abreise wurde unser Haus von einer Brandbombe getroffen“, so Lätsch. Nach der Rückkehr 1946 lebte Lätsch in Longerich – und blieb dem Viertel mehr als  50 Jahre treu. Mit Beginn seiner Ausbildung zum Maschinenschlosser 1952 trat er als A-Jugendlicher dem SC Ford bei, der Betriebsmannschaft der Ford-Werke und Vorgänger-Verein des heutigen CfB Ford Niehl.

Weltmeister in Köln

Am 20. Dezember 1958 gastierte im Stadion Weidenpescher Park mit dem 1. FC Kaiserslautern eine der stärksten Mannschaften der ersten Hälfte der 1950er Jahre. Gleich vier Endspiele um die Meisterschaft hatten die Pfälzer zwischen 1951 und 1955 erreicht. Dabei ging der Titel zwei Mal an die „Roten Teufel“. Die sogenannte „Walter-Elf“ stellte zudem das Gerüst der deutschen Elf, die 1954 in Bern den WM-Titel gegen die favorisierten Ungarn gewinnen konnte.

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Beim Freundschaftsspiel in Köln traten mit Fritz Walter, Werner Liebrich und Horst Eckel drei von fünf Weltmeistern des FCK an. Ottmar Walter musste wegen einer Verletzung passen, während Werner Kohlmeyer zwischenzeitlich zum FC 08 Homburg gewechselt war. Zustande gekommen war das Spiel durch Vermittlung eines ehemaligen Spielers des 1. FC Köln. Paul Mebus hatte 1954 ebenfalls im WM-Kader gestanden, war aber nicht zum Einsatz gekommen. Mebus verfügte über die entsprechenden Kontakte zu den ehemaligen Mitspielern. In diesen Tagen trainierte er den SC Ford.

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Heinrich Lätsch mit den Erinnerungen an das große Spiel.

Um dem vermeintlich übermächtigen Gegner aus der höchsten Spielklasse etwas entgegenhalten zu können, schickten die Kölner eine gemischte Mannschaft ins Rennen. Ungefähr jeweils die Hälfte der Spieler stammte vom damaligen Verbandsligisten VfL Köln 1899 – dem heutigen 1. FSV Köln 1899 – sowie dem SC Ford, der seinerzeit in 1. Kreisklasse spielte. Das entspricht nach heutigem Maßstab der dritten (VfL 99) respektive der fünften Liga (SC Ford).

Trotz Fritz Walter lief es nicht

In der Montagsausgabe vom 22. Dezember 1958 lautete die Überschrift zum Spiel im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Trotz Fritz Walter – es lief nicht“. Was war geschehen? Die Spielgemeinschaft der beiden Kölner Amateurvereine hatte den großen 1. FC Kaiserslautern vor 5000 begeisterten Zuschauern mehr als überraschend mit 1:0 geschlagen. Obwohl spielerisch nicht auf Augenhöhe hatte einer der Kölner Konter in der 55. Minute zum einzigen Tor des Tages durch Pohlkötter geführt. Im Spielbericht hieß es: „Die Kölner hielten das Spiel in der ersten Halbzeit fast offen und waren auch nach der Pause, obwohl im Felde klar unterlegen, durch weiträumige Vorstöße häufig genug torgefährlich, so dass sie nach reinen Chancen den Sieg schon verdienten.“

In der zweiten Halbzeit schließlich ersetzte Lätsch als Mittelläufer seinen Mitspieler Roters vom VfL 99 und trug so zu der kleinen Fußball-Sensation im Kölner Norden bei. Nach der denkwürdigen Begegnung saßen die Kontrahenten noch auf Einladung von Ford in einer Gaststätte einige Stunden zusammen. „Es waren schöne Stunden mit den Weltmeistern. Aber am nächsten Tag waren natürlich wir das Stadtgespräch“, erinnert sich Lätsch an den Trubel am folgenden Morgen.

Zur Erinnerung an das Duell mit den Weltmeistern besorgte sich Lätsch ein Foto, auf dem er im Zweikampf mit Fritz Walter zu sehen ist. „Ich habe das Foto dem Fritz Walter mit einem Autogrammwunsch geschickt und er hat es mir mit einem kleinen Brief zurückgesandt“, erzählt Lätsch vom Kontakt mit einem der bedeutendsten deutschen Fußballer.

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Eine Eintrittskarte mit Autogrammen der „Walter-Elf“.

Nur wenige Wochen nach dem überraschenden Sieg über den 1. FC Kaiserslautern erlitt Heinrich Lätsch eine schwere Miniskus-Verletzung, die das Ende seiner fußballerischen Karriere bedeutete. Doch hadern kam für den umtriebigen Lätsch nicht in Frage. Seine berufliche Laufbahn beim Autobauer brachte ihn ins mittlere Management, wo er bis zum Renteneintritt Ende 1992 für den Bau von Produktionsstätten zuständig war. Privat engagierte Lätsch sich beim Männergesangverein Quartett-Verein Köln-Longerich. Für die Organisation von Karnevalssitzungen wurde Lätsch vom Festkomitee Kölner Karneval mit der silbernen Ehrennadel ausgezeichnet.

Dem Fußball blieb er treu, als unregelmäßiger Besucher bei seinem SC Ford und dem 1. FC Köln. Wenn im Freundeskreis seines Sohnes eine Dauerkarte frei bleibt, ist er bis heute gerne im Stadion. Vielleicht ist dem ehemaligen Fußballer vergönnt, im Stadion Weidenpescher Park noch einmal einem Spiel beizuwohnen. Es muss ja nicht gleich eine erneute Sensation gegen den 1. FC Kaiserslautern sein.

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