OB-WahlSo funktioniert Kommunalpolitik in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Wir erklären die Kommunalpolitik in Köln.

Wir erklären die Kommunalpolitik in Köln.

Köln – Am 13. September wählt Köln ein neues Stadtoberhaupt. Oberbürgermeister Jürgen Roters gibt die goldene, fast ein Kilo schwere Amtskette an seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger weiter – und mit ihr ein gewichtiges Amt.

Der Oberbürgermeister ist nicht nur der Repräsentant der Stadt und Vorsitzender des Stadtrates, er ist auch der Chef von 17.000 Mitarbeitern in der Stadtverwaltung.

Erst seit 1999 sind diese Funktionen in einer Person vereint. Vorher war ein vom Stadtrat gewählter Oberstadtdirektor Chef der Verwaltung; ein nur mit magerer Aufwandsentschädigung bedachter, ehrenamtlicher Oberbürgermeister hatte sich um die repräsentativen Pflichten und die Leitung der Ratssitzungen zu kümmern.

Alles zum Thema Henriette Reker

Ehrenamtler sollen Profis kontrollieren

Die Zukunftsgestaltung einer Millionenstadt als Aufgabe für einen Ehrenamtler? Seit der Einführung der Spielregeln für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg sind sich diejenigen, die Kommunalpolitik gestalten sollen, ziemlich sicher, dass man so etwas nicht als Freizeitpolitiker tun kann.

Es hat lange gedauert, bis der Gesetzgeber aus der Erkenntnis wenigstens für das Amt des OB Konsequenzen gezogen hat. Der Stadtrat ist dagegen weiter ein Gremium für engagierte Ehrenamtler mit Mini-Aufwandsentschädigung von 425,70 Euro pro Monat plus 17,50 Euro pro Sitzung.

Nur einige Spitzenfunktionäre sind faktisch Profipolitiker, indem sie über einen Geschäftsführer-Job, ein Landtagsmandat oder Sonderregelungen mit ihren Fraktionen abgesichert wurden. So sitzen 90 mehr oder weniger ehrenamtlich tätige Politiker im Stadtrat einem riesigen hauptamtlichen Apparat gegenüber – leicht vorstellbar, welche Auswirkungen dies auf den Ablauf von politischen Entscheidungsprozessen hat.

In unserer Grafik erklären wir die Rolle von Oberbürgermeister, Rat und Stadtverwaltung.

Die Aufgaben des Stadtrats

Der Stadtrat soll wichtige Weichen für die Zukunft stellen und dann die Umsetzung von Beschlüssen begleiten und kontrollieren. Damit hätte er genug zu tun. Doch in der kommunalpolitischen Praxis befasst er sich tatsächlich mit einer Vielzahl von Kleinigkeiten von Beamten-Beförderungen bis hin zu Kreisverkehren.

Im OB-Wahlkampf haben beide Favoriten für die Roters-Nachfolge, Henriette Reker und Jochen Ott, ein neues Verhältnis von Stadtrat und Verwaltung angemahnt. Der Rat spiele zu häufig Verwaltung und die Verwaltung mache zu häufig Politik, so Reker.

Die Einschätzung teilen viele, doch ganz so klar ist eine Trennung nicht zu ziehen: Das Amt des Oberbürgermeisters vereinigt die Verwaltungsleitung mit einer politischen Funktion im Entscheidungsprozess. Der OB leitet den sogenannten Stadtvorstand. In dem Gremium sitzen neben Stadtdirektor und der für die Finanzen zuständigen Kämmerin fünf weitere Dezernenten.

Im Gegensatz zu Amtsleitern sind sie politische Wahlbeamte, die vom Stadtrat für acht Jahr gewählt werden – unabhängig von der Amtszeit des OB oder der Wahlperiode eines Stadtrates. Der Stadtvorstand berät und entscheidet. Gibt es unterschiedliche Meinungen, stellt der OB eine „einheitliche Verwaltungsmeinung“ her, die dann bindend ist. Die Dezernenten haben aber die Möglichkeit, nach außen deutlich zu machen, wenn sie eine abweichende Meinung haben. Der Ort dafür ist der Hauptausschuss des Rates. In der Praxis kommt so etwas fast nie vor.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Warum der Kölner Stadtrat kein Parlament ist und woran es in der Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung immer wieder hakt.

Kein Parlament, keine Regierung

Arbeitsweise und Zusammensetzung des Stadtvorstandes machen deutlich, dass die üblichen Politik-Begriffe nicht taugen, wenn man die Funktionsweise von Kommunalpolitik in NRW beschreiben will. Der Stadtrat ist kein „Parlament“, weil er keine Gesetze macht. Und der Stadtvorstand ist keine „Regierung“.

Der Gesetzgeber hat diese unklare Rollenverteilung durchaus gewollt. In anderen Bundesländern gibt es andere Modelle, wo sich auch die Frage nach Verantwortlichkeiten besser beantworten lässt.

In NRW wird ein Miteinander von Rat und Verwaltung verlangt. In der Praxis funktioniert das aber oft nicht gut. So haben sich die politischen Akteure immer wieder dazu entschlossen, wie in einem richtigen Parlament Koalitionen zu verabreden.

Ein Blick in die Kommunalpolitik-Geschichte

Köln hat seit 1946, dem Jahr der ersten Nachkriegs-Kommunalwahl, bereits alle möglichen Kombinationen erlebt: Bis in die 1980er Jahre prägend waren vor allem Absprachen zwischen SPD und CDU, die sich auch ohne Verträge als außerordentlich belastbar erwiesen. Man verstand sich als „Kölsche Fraktion“, die möglichst viel für die Stadt erreichen wollte.

Die Kehrseite: Verabredungen über politische Tauschgeschäfte oder Postenbesetzungen, auf die sich manche bis heute berufen sollen, beförderten Klüngelei und Parteibuch-Karrieren. Zurzeit gibt es kein festes Bündnis im Stadtrat. SPD und Grüne verhandeln noch.

In unserer Grafik erklären wir die Rolle von Oberbürgermeister, Rat und Stadtverwaltung.

Will man den Entscheidungsprozess beschreiben, muss man außerhalb des Stadtrats beginnen. Er ist der Ort, wo der Prozess mit einer letzten Abstimmung endet. Fast immer ist vorher klar, wie es ausgeht, weil alles ausführlich in Ausschüssen, interfraktionellen Besprechungen oder Koalitionsgremien verhandelt wurde. Die ersten Weichenstellungen erfolgen in den Arbeitskreisen der Fraktionen. Vor der ersten öffentlichen Abstimmung, die meist in einem der 19 Fachausschüsse stattfindet, steht meist fest, wohin die Reise geht.

Der zweite für eine Kommune wie Köln typische Entscheidungsprozess nimmt seinen Anfang in den Ämtern der Stadtverwaltung. Die meisten Beschlüsse, die der Stadtrat fasst, gehen auf Vorlagen der Verwaltung zurück, die Mitarbeiter in den Fachämtern vorbereitet und formuliert haben. In die politischen Gremien kommt eine solche Vorlage aber nur, wenn sie der Oberbürgermeister „schlussgezeichnet“ hat – auch das beschreibt seine exponierte Stellung im Entscheidungsprozess.

Eine politische Entscheidung ist das eine; ob, wann und wie sie umgesetzt wird, ist damit aber noch nicht klar. Die Gründe dafür, das manches in Schubladen verschwindet, sind vielfältig: Mal blockiert ein Dezernent, oft sind andere Dinge wichtiger. Zunehmende bürokratische Vorschriften erschweren die Umsetzung. Nicht selten zwingt Personalmangel zu Verschiebungen.

KStA abonnieren