StraßenkarnevalDrei Wochen vor dem Start weiß niemand, wie in Köln gefeiert wird

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Zülpicher Straße

Die Zülpicher Straße war am 11.11.2021 voll.

Köln – Bis zum Auftakt des Straßenkarnevals sind es nur noch dreieinhalb Wochen. Die Stadt hat bislang allerdings nach wie vor keine Pläne dafür, wie sie damit umgehen will, wenn an Weiberfastnacht inmitten der laufenden Omikron-Welle Tausende Menschen verkleidet auf die Straßen und Plätze strömen und dort feiern. Die unklare Lage sorgt bei Gastronomen und Karnevalsgesellschaften für Verunsicherung, weil niemand weiß, was möglich sein wird und was nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wie ist die aktuell geltende Regel für Veranstaltungen im Freien? Laut der aktuellen Coronaschutzverordnung (CSV) des Landes NRW, die bis 9. Februar gilt, sind Events bei entsprechenden Hygienekonzepten mit bis zu 750 Menschen möglich. Ein Fakt, mit dem sich der 1. FC Köln (Stadionkapazität: 50 000 Besucher) nicht abgeben möchte, zumal etwa in München derzeit 10 000 Zuschauer pro Spiel zugelassen sind. Der Verein überlegt, zu klagen und per einstweiliger Verfügung gegen diese Beschränkung vorzugehen. „Aktuell hängt vieles an der Entscheidung im Bereich Fußball“, ist sich Michael Gerhold, Präsident der Nippeser Bürgerwehr, sicher. Denn eine „Lex Carneval“ kann es nicht geben. Ein Beispiel: Das aktuelle Verbot von Tanzveranstaltungen gilt für Clubs und Diskotheken genauso wie für karnevalistische Bälle oder Partys.

Warum hat die Stadt bislang keine Planungen für den Straßenkarneval gemacht? Die Stadt zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass zuerst das Land eine Voraussetzung dafür schaffen muss, dass Maßnahmen zur Kontrolle des Straßenkarnevals rechtlich überhaupt möglich sind. „Es existieren derzeit keinen eigenen Planungen seitens der Stadt, da wir dafür die Rahmenbedingungen des Landes kennen müssten“, sagt Stadtsprecher Alexander Vogel. Je früher die Stadt diese bekommen könnte, desto besser wäre es für die Verwaltung und auch für alle weiteren Akteure wie Vereine und Gastronomen. „Die jetzige Verordnung läuft am 9. Februar aus – es wäre wünschenswert, wenn wir deutlich vor dem 9. Februar eine neue Corona-Schutz-Verordnung hätten, damit wir uns mit den dann notwendigen Planungen darauf einstellen können“, sagt Vogel.

Wie könnte das Land NRW die nötigen Voraussetzungen schaffen? Das Land könnte besondere Rechtsgrundlagen in der Coronaschutzverordnung schaffen, auf deren Grundlage die Stadt Allgemeinverfügungen erlassen kann. Eine solche besondere Rechtsgrundlage gab es zuletzt zum Jahreswechsel 2021/2022. Die Behörden konnten auf diese Weise Ansammlungen in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar auf publikumsträchtigen Plätzen und Straßen untersagen. Die Stadt könnte also Allgemeinverfügungen erlassen, die dann im Regelfall nicht die Zustimmung des Landes benötigen würden, so der Sprecher.

Könnte die Stadt Köln auch ohne das Land Maßnahmen ergreifen? Stadtdirektorin Andrea Blome hat zwar mögliche Verweilverbote für bestimmte Ort ins Spiel gebracht, dabei handelt es sich aber nur um eine „denkbare Maßnahme“. Aus infektiologischen Gründen müsste die Stadt diese per Allgemeinverfügung anordnen. Die wiederum bedürfe nach jetziger Rechtslage jedoch der Zustimmung des Landes, so der Stadtsprecher. Die Maßnahmen dürften außerdem nur dann angeordnet werden, wenn das durch ein besonderes regionales Infektionsgeschehen oder eine besondere Belastung der regionalen Krankenhäuser erforderlich wäre.

Wird es Open-Air-Veranstaltungen wie die traditionelle Eröffnung des Straßenkarnevals der Appelsinefunke auf dem Nippeser Wilhelmplatz geben? Nach derzeitigem Stand: Ja. „Wir wollen das möglich machen“, sagt Michael Gerhold. Der Wilhelmplatz soll mit Gittern abgesperrt werden, kontrollierter Einlass ist gestattet nur für Inhaber personalisierter Tickets nach 2G+-Regeln. Der Platz würde in drei Blöcke aufgeteilt, jeweils mit eigenem Eingang, Gastronomiewagen und Toiletten. „Wir wollen den Menschen die Angst nehmen“, sagt Ex-Prinz Gerhold. „Es ist besser, geschützte Räume anzubieten. Wir sind in engem Austausch mit der Stadt, unser Konzept geht weiter als laut aktueller CSV nötig.“ Das gelte für die derzeit möglichen 750 Besucher, wäre aber auch für deutlich mehr Menschen sicher möglich, wenn das erlaubt wäre. Die Karten seien nötig, um die Kosten für Absperrgitter und Security abzudecken. „Aber wir werden ein Kontingent kostenlos an Seniorinnen und Senioren verteilen“, so Gerhold.

Was passiert auf dem Kölner Alter Markt? Da der klassische Rosenmontagszug ausfällt, gibt es dort keine Tribünen wie sonst. „Wir wollen etwas machen“, sagt Präsident Hans Kölschbach, dessen Altstädter in diesem Jahr 100 Jahre alt werden. „Wenn Frau Reker mitmacht, sollte das auch gehen.“ Das Traditionskorps will eine Bühne und Tribünen aufstellen lassen für 750 Besucher. „Stadt und Land müssten über jeden froh sein, der etwas im öffentlichen Raum organisiert“, sagt der Altstädter-Boss, der darauf verweist, dass zwar die Inzidenzen steigen, aber die Krankheitsverläufe bei Omikron deutlich milder seien. „Ich glaube allerdings nicht, dass die Politik die Beschränkungen für den Karneval aus freien Stücken lockern wird“, sagt Kölschbach. Aber wenn mehr ginge, sei man flexibel. Organisieren soll die Veranstaltung Ralph Schlegelmilch, dem das am 11.11. mit der eigenen Ostermann-Gesellschaft am Heumarkt nahezu perfekt gelungen war. Da die Kosten für Tribünen vergleichsweise hoch seien, so Kölschbach, überlege man auch eine Mehrfachnutzung. So könnte der Sternmarsch freitags das Equipment nutzen, auch über andere, neue Formate an den weiteren Tagen werde nachgedacht.

Und das Funkenbiwak auf dem Neumarkt, das traditionell bei freiem Eintritt samstags stattfindet? Auch Rote-Funken-Präsident Heinz-Günther Hunold glaubt, dass gerade in der Pandemie Angebote im öffentlichen Raum nötig sind, „um den unorganisierten Karneval einzudämmen. Auch sollten wir Angebote, die erlaubt sind, formulieren, um Menschen vor Vereinsamung zu schützen.“ Deshalb halte man am Funkenbiwak fest, egal unter welchen dann geltenden Regeln, so Hunold, der den sozialen Touch der kostenlosen Volksveranstaltung hervorhebt. Auch müsse die Politik möglichst schnell klare Regeln für die Karnevalstage aufstellen. „Wir erwarten, dass es eine Öffnung für Outdoor-Veranstaltungen geben muss – ansonsten droht das Chaos.“

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Was sagen die Kölner Gastronomen zur aktuellen Situation? Die IG Gastro als Interessenvertretung befürchtet nach eigenen Angaben „weitreichende Restriktionen und Beschränkungen“. Stattdessen solle die Stadt dafür sorgen, dass der Zugang in die Gastronomie sowie in Säle, Stadien, bei Veranstaltungen und privaten Feiern nur Menschen mit Booster-Impfung und tagesaktuellem Negativ-Test gewährt werden soll. In den folgenden drei Wochen wäre das aus Sicht der IG Gastro ein starkes Argument, die Boosterkampagne nochmal anzuschieben. In den vermeintlichen Hotspots Quartier Latäng, Altstadt und Südstadt solle für Gruppen ab fünf Personen eine Impf- und Testpflicht gelten, unabhängig davon, wie die Regelung des Landes zu dem Zeitpunkt aussehen wird. Es soll nach Ansicht der Gastronomen keine zusätzlichen Bühnen oder Angebote, keine Ausschankwagen und keine Fressmeilen geben. Die Stadt solle zudem eine Kommunikationskampagne in anderen Bundesländern starten, die vermitteln soll, dass sich ein Besuch in Köln an Karneval in diesem Jahr nicht lohnen wird.

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