Millionen-Acker Sürther AueWarum ersteigert Bieter viel zu teures Land?

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Panoramablick vom Sonnenblumenweg über den versteigerten Acker Richtung Südwesten: links der Bebauungsrand von Sürth, mittig die Straße „In der Aue“, rechts der schon verkaufte Bauernhof.

Panoramablick vom Sonnenblumenweg über den versteigerten Acker Richtung Südwesten: links der Bebauungsrand von Sürth, mittig die Straße „In der Aue“, rechts der schon verkaufte Bauernhof.

Köln – Ein Acker, der bei Hochwasser schnell überschwemmt wird, in dessen Sicht- und Geruchsweite sich eine Raffinerie befindet und der auch in Zukunft nicht in Bauland umgewandelt wird – Investoren reißen sich in der Regel nicht um ein Grundstück mit dieser Beschreibung. Trotzdem hat ein privater Bieter jetzt ein solches Areal am Sürther Leinpfad für 900000 Euro ersteigert – und das, obwohl ein Bausachverständiger den Verkehrswert vorab auf lediglich 184000 Euro geschätzt hatte.

Noch bemerkenswerter ist allerdings der Umstand, dass die Stadtverwaltung ebenfalls mitgeboten hat und bereit war, 853000 Euro in das Ackerland zu investieren. Wie unbedingt die Stadt das Grundstück haben wollte, verdeutlicht sich daran, dass ein Mitarbeiter des Amts für Liegenschaften 23 Gebote abgab und für eine Versteigerung sorgte, die an Spannung kaum zu überbieten sein dürfte.

Erbengemeinschaft konnte sich nicht einigen

Der Saal in den Räumen des Amtsgerichts am Reichenspergerplatz ist an diesem Tag so gut gefüllt, dass mehr als ein Dutzend der Interessenten stehen müssen. Die Zwangsversteigerung war zustande gekommen, weil sich eine Erbengemeinschaft zerstritten hatte und das gemeinsame Eigentum aufgelöst werden sollte. Unabhängig voneinander werden zwei Grundstücke angeboten: Ein 75000 Quadratmeter großes Areal am Sürther Leinpfad direkt am Rheinufer, sowie ein weiteres Gelände an der Brühler Landstraße.

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Auch die Stadt bietet lange mit

Ein Immobilienentwickler, der vor kurzem bereits einen angrenzenden Bauernhof ersteigert hatte, gibt das Erstgebot ab. Der sonnengebräunte Mann, bekleidet mit einer Trainingshose und einem Freizeithemd, steigt mit 250000 Euro ein. Er unterhält sich mit den beiden Brüdern, die als Vertreter der Erbengemeinschaft auftreten, und ihrem Anwalt – man kennt sich.

Danach erhebt sich ein Mann mit einem kurzärmeligen, weißen Hemd und stellt sich dem Rechtspfleger, der die Zwangsversteigerung leitet, als Mitarbeiter der Stadtverwaltung vor. Er bietet 255000 Euro. Es überrascht sowohl die Erbengemeinschaft als auch den Immobilienentwickler sichtlich, dass sich die Stadt beteiligt.

Der Anwalt der Erbengemeinschaft erkundigt sich, ob die Stadt Köln beim Amtsgericht Sicherheiten hinterlegt habe – für private Anbieter ist das verpflichtend. Der Stadtmitarbeiter verneint und sagt, dass eine Kommune davon eigentlich befreit sein müsste. Der Rechtspfleger wälzt ein juristisches Fachbuch und telefoniert. Die Versteigerung ist unterbrochen. Schließlich verkündet er, dass die Stadt tatsächlich befreit ist. „Das hätten Sie vorab klären können, um hier nicht alles aufzuhalten“, ermahnt er den Stadtmitarbeiter. „Haben Sie überhaupt schon mal an einer Zwangsversteigerung teilgenommen?“ Professionell wirkt das nicht wirklich.

Besucher der Auktion sind irritiert

Danach geht das Wettrennen um das höchste Gebot weiter. Beim Stand von 400000 Euro tritt ein weiterer Bieter auf den Plan, ein Bevollmächtigter eines Bauunternehmens. Er bietet 425000 Euro, hält sich dann aber wieder zurück. Der Stadtmitarbeiter und der erste Bauunternehmer heizen die Gebote weiter an, bis dem Mann in der Trainingshose die Luft ausgeht. Bei 625000 Euro steigt er aus.

Die Besucher im Saal diskutieren, warum ein einfaches Stück Ackerland so begehrt ist. Doch schon geht es weiter. Beim Stand von 660000 Euro kommt aus dem Nichts ein vierter Bieter hinzu. Nachdem bei 765000 Euro der Bauunternehmer aussteigt, gibt der Stadtmitarbeiter bei 853000 Euro auf. Der vierte Bieter erhält für 900000 Euro den Zuschlag. Später stellt sich heraus, dass es sich um den Geschäftsführer eines Stromanbieters handelt. Auf die Frage, was er mit dem Grundstück anfangen will, antwortet er knapp: „Das lasse ich liegen.“

Doch was macht das Ackerland überhaupt so interessant? „Wir wollten das Grundstück als Ausgleichsfläche kaufen für den Fall, dass wir an anderer Stelle in der Stadt eine Grünfläche bebauen“, sagt Detlev Fritz, Leiter des Liegenschaftsamts. Warum es ausgerechnet die Fläche in Sürth sein musste, obwohl es auch an anderen Orten Acker gibt, lässt er offen.

Zusammenhang mit Hafen?

Da sich das Grundstück unmittelbar neben dem möglichen Erweiterungsgebiet des Godorfer Hafens befindet, könnte ein Zusammenhang bestehen. Die Aussicht auf eine Umsetzung ist zurzeit allerdings sehr unwahrscheinlich, weil sich das Ratsbündnis aus CDU und Grünen gegen den Hafenausbau ausgesprochen hat. Ausgleichsflächen werden zudem auch nicht mehr benötigt, da die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) diese bereits in Sürth und Worringen geschaffen hat. So bleibt es vorerst das Geheimnis der Bieter, warum ein Acker fast eine Million Euro wert sein soll.

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