Täter und Opfer erzählenKölner Polizei warnt vor „urlaubstypischen“ Einbrüchen

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Einbrecher Symbolbild

(Symbolbild)

  • Die Kölner Polizei warnt gerade im Sommer vor „urlaubstypischen“ Einbrüchen.
  • Wie kann man sich davor schützten? Wo suchen die Täter zuerst nach Wertsachen und welche psychischen Folgen kann ein Einbruch für eine Familie haben?
  • Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat mit einem Täter, einem Opfer und einem Experten gesprochen, der Tipps zum Schutz gibt.

Köln – Die Trendwende scheint geschafft: Zum ersten Mal überhaupt hat die Polizei in Köln zuletzt mehr gescheiterte als vollendete Wohnungseinbrüche registriert. In 54 Prozent aller Fälle haben die Täter in den vergangenen Wochen den Einbruch abgebrochen – meistens, weil die Bewohner ihre Türen und Fenster zusätzlich gesichert hatten.

„Technische Prävention ist inzwischen für viele ein Thema“, sagt Peter Herzog, Leiter des Einbruchskommissariats bei der Polizei – aus Sicht der Kripo eine äußerst erfreuliche Entwicklung. Die große Masse an neuen Taten erwartet Herzog auch für die kommenden Wochen nicht. Entgegen der landläufigen Meinung sei die Urlaubszeit nämlich eher keine typische Einbruchszeit. Das seien vielmehr die dunklen Wintermonate.

Dennoch, warnt Hauptkommissar Andreas Barke von der Kriminalprävention, gebe es gerade im Sommer „urlaubstypische Delikte“. Wie man sich davor schützt, wo die Täter zuerst nach Wertsachen suchen und welche psychischen Folgen ein Einbruch für eine Familie haben kann, beschreibt der „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Der Täter

„In der Diele liegen Portemonnaies, Schlüssel und Handys. Im Wohnzimmer findet man Technik, Kameras, Männerspielzeug eben. Und im Schlafzimmer liegen Geld und Schmuck.“ Florian war Profi-Einbrecher, er saß dafür eine Haftstrafe ab. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ verriet er vor einer Weile, wo die Menschen ihre Wertsachen am liebsten verstecken. „Alle haben die gleichen Verstecke, aber alle denken, es sei furchtbar originell, sein Geld unter die Socken zu legen, zwischen Bücher oder Matratzen.“ Florian war getrieben von seiner Heroinsucht. Er suchte seine Tatorte spontan. „Wenn ich ein Fenster in ein, zwei Minuten nicht aufgekriegt habe, habe ich es bei der nächsten Wohnung versucht.“ Gekippte Fenster oder Terrassentüren seien überhaupt kein Problem gewesen. „Dann ist es total einfach: einmal mit der Hand durchgreifen, den Griff umlegen, und das Fenster ist auf.“

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Meistens hebelte er die Fenster mit einem Schraubendreher auf, stieg in die Wohnungen, raffte alles zusammen, was er wertvoll fand und brauchte dafür nur zehn bis 15 Minuten. Was ihn abgeschreckt hat? „Jeder Widerstand ist irgendwo abschreckend“, sagt Florian. Und sei es nur die Blumenvase auf der Fensterbank, die lärmend zu Boden falle, sobald man das Fenster aufdrücke. „Als Einbrecher versucht man, leise zu sein.“ Ist er jemals einem seiner Opfer begegnet? „Zum Glück nie“, sagt Florian. „Ich wäre sofort abgehauen, ich hätte keine sinnlose Gewalt angewendet.“

Die Ermittler

Gerade mal zweieinhalb Einbrüche zählte die Polizei durchschnittlich pro Tag im April – absoluter Negativrekord für Köln. Kein Wunder in Zeiten des Corona-Lockdowns, wo viele Menschen zu Hause waren und EU-weite Reisebeschränkungen Banden ferngehalten haben, die für gewöhnlich aus dem benachbarten Ausland anreisen. Inzwischen sind die Zahlen wieder auf etwa vier pro Tag gestiegen, bewegen sich aber dennoch wie schon das ganze Jahr über deutlich unter dem Niveau der vergangenen Jahre.

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Den einen, alles erklärenden Grund dafür gebe es nicht, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar Peter Herzog – ebenso wenig wie den typischen Einbrecher. Unter den (vergleichsweise wenig) Tätern, die die Polizei fassen und überführen kann, sind Mitglieder gut strukturierter Banden vom Balkan genauso wie der deutsche Profi, aber auch Junkies, Obdachlose oder Erwerbslose, die mit der meist geringen Beute aus Einbrüchen ihren täglichen Lebensbedarf decken.

Die meisten Täter, weiß Herzog, brechen zwischen 16 und 21 Uhr ein, viele am Wochenende. Und die allerwenigsten wenden Gewalt an. „Im Gegenteil“, betont Herzog, „fast alle Einbrecher scheuen körperliche Auseinandersetzungen. Sie bereiten ihre Taten ja gerade so vor, dass sie ein Zusammentreffen mit dem Opfer möglichst vermeiden.“

Das Opfer

Einmal nicht abgeschlossen – schon war es passiert. „Wir schließen sonst immer ab, nur an diesem Morgen haben wir es in der Hektik vergessen“, erzählt Patricia F. über den Tag im Sommer vor zwei Jahren. Als sie und ihr Mann am Nachmittag mit ihrem Sohn in ihre Wohnung im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses am Ehrenfeldgürtel zurückkehrten, stand die Tür offen. Die Nachttischschubladen und die Schmuckschublade im Kleiderschrank waren herausgezogen, Silberschmuck lag auf dem Bett verstreut. Die Täter hatten zwei goldene Ketten und die Eheringe mitgenommen. 

„Ich hatte sofort das Bedürfnis, alles zu waschen, was die angefasst haben“, erzählt die 43-Jährige. Kleidung, Bettwäsche, Laken. Anfangs habe sie sich oft gefragt, wie die Täter wohl ausgesehen haben, wie und wo sie sich in der Wohnung bewegt haben. Die erste Nacht, bis tags darauf die Spurensicherung ihre Arbeit erledigt hatte, verbrachte das Ehepaar F. im Gästezimmer. „Ich konnte es in dem Chaos im Schlafzimmer nicht ertragen.“ Die größte Sorge allerdings habe ihrem damals fünfjährigen Sohn Bruno gegolten. Ihm musste das Paar erklären, warum die Polizei nach Hause kommt. „Die Polizisten waren sehr lieb zu ihm, versuchten, gute Stimmung zu machen, aber er hat geweint“, erinnert sich Patricia F. Die nächsten Tage und Wochen sei der Junge oft in sich gekehrt gewesen, ängstlich.

Seine Eltern suchten Hilfe bei einer Erziehungsberaterin. „Sie sagte uns, dass wir viel mit ihm darüber sprechen sollen. Das haben wir getan. Wir haben ihm auch klargemacht, dass nicht wir, sondern die Einbrecher die Bösen sind und dass ihn und uns keine Schuld trifft.“ Inzwischen, zwei Jahre später, sei der Einbruch kein großes Thema mehr für ihn, sagt Patricia F. Aber dennoch: Bis heute frage er vor dem Schlafengehen manchmal, ob auch die Tür abgeschlossen sei.

Die Versicherung

Pro Einbruch haben die Versicherungen im Vorjahr durchschnittlich 3200 Euro an das Opfer ausgezahlt. Die Schäden und Verluste deckt eine Hausratversicherung ab. Einig sind sich Versicherer und Polizei in der Überzeugung, dass Sicherheitstechnik die meisten Einbrecher abschreckt. Mehr als einen Schraubendreher braucht es bei ungesicherten Fenstern nicht zum Aufhebeln. Einen effektiven Schutz bilden vor allem aufgeschraubte Zusatzschlösser, Querriegel an den Wohnungstüren, Pilzkopfverriegelungen an Fenstern und Türen und abschließbare Fenstergriffe. Das Nachrüsten eines Fensters mit Pilzkopfverriegelungen kostet ungefähr 300 Euro.

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Potenzielle Einbrecher lassen sich auch oft durch technische Täuschungsmanöver abschrecken. Licht per Zeitschaltuhr, Simulatoren, die das Flackern eines Fernsehers nachahmen oder Birnen, die sich kaum merklich drehen und bewegliche Schatten im Zimmer produzieren, täuschen Anwesenheit vor.

Der Opferschützer

Einbrecher dringen „ins innerste Private“ der Menschen ein, sagt Kriminalhauptkommissar Andreas Barke. Er weiß von einer Frau, die seit Jahren in psychologischer Behandlung ist, um die Folgen zu bekämpfen. „Viele Opfer fühlen sich extrem beschmutzt, weil die Täter in ihren Sachen und in ihrer Wäsche gewühlt haben. Manche schmeißen die Kleidung weg, andere reinigen sie, um sich buchstäblich reinzuwaschen.“ Eltern, deren Kinder nach einem Einbruch über längere Zeit Auffälligkeiten zeigen, empfiehlt Barke, Rat bei einem Psychologen einzuholen.

Auch wenn die Einbruchszahlen im Sommer vergleichsweise gering sind, gebe es doch „urlaubstypische“ Taten, sagt Barke. Manche Täter achten auf Jalousien, die tagsüber heruntergelassen sind, auf überquellende Briefkästen oder auf die Mülltonne, die schon Tage vor dem Abfuhrtag an der Straße steht, weil man sie vor Urlaubsantritt noch eben rausgestellt hat. Wer keine elektrischen Rollläden hat und niemanden, der sie täglich betätigen kann, der sollte sie währen des Urlaubs geöffnet lassen, empfiehlt Barke. Ein weiterer Tipp: „Geben Sie sich möglichst immer zu erkennen, wenn es an Ihrer Tür klingelt. Sie müssen ja nicht öffnen, sollten sich aber wenigstens über die Gegensprechanlage oder hinter der geschlossenen Tür bemerkbar machen.“ Denn Klingeln, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhause ist, sei oft das letzte, was ein Einbrecher tue, bevor er den Schraubendreher ansetzt.

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