Trotz RäumungKölner Party-Hotspots sind in Corona-Zeiten ein Dauerproblem

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Menschenansammlung Corona 1

Hunderte Menschen feiern an den Wochenenden auf der Schaafenstraße.

  • Mehrfach haben Polizei und Ordnungsamt die angesagten Plätze wie den Stadtgarten oder die Schaafenstraße schon geräumt.
  • Doch die Party geht weiter. Viele Feiernde halten sich nicht an die wegen Corona geltenden Abstandsregeln.
  • Die Stadt beobachtet die Situation. OB Reker sagt: Notfalls greife man auch zum Mittel der Sperrung.
  • Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Köln – Fast an jedem Wochenendabend ähneln sich seit einiger Zeit die Szenen an den bekannten Feier-Hotspots der Stadt: Viele Menschen treffen sich auf öffentlichen Straßen und Plätzen mit Freunden und Kaltgetränken. Je weiter der Abend fortschreitet, desto voller wird es und desto geringer werden die Abstände. Polizei und Ordnungsamt schauen sich das unter dem Aspekt des Infektionsschutzes eine Weile an und schreiten irgendwann ein.

Jeweils am vergangenen Freitag- und Samstagabend sind der Stadtgarten und die Schaafenstraße geräumt worden, weil hunderte Menschen dort zusammengekommen waren – wie schon in der Woche zuvor. Dennoch hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker bislang von Platzsperrungen abgesehen, auch angesichts der sehr niedrigen Infektionszahlen in der Stadt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Ändern die Szenen von Freitag und Samstag nun die Politik der Stadt?

Alles zum Thema Henriette Reker

Dafür spricht zumindest im Moment noch nichts. Der Krisenstab der Stadt tage am kommenden Freitag zusammen mit der Polizei und werde sich mit der Thematik befassen, kündigte ein Stadtsprecher an. Bis dahin werde man die Situation vor Ort beobachten und situativ reagieren. Reker sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: Es gehe darum, neue Infektionsketten gar nicht erst entstehen zu lassen. „Ich wünsche mir wirklich, dass beispielsweise durch Abstandhalten Jede und Jeder ebenfalls seinen Beitrag dazu leistet.“Abermals kündigte sie an: „Notfalls greifen wir, um dieses Ziel zu erreichen, auch zum Mittel der Sperrung.“ Den einen Notfall erkannte der städtische Krisenstab aber offenbar noch nicht.

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Gab es von Augenzeugen auch Kritik an den Räumungen am Samstag?

Ja. Nina Mesinovic zum Beispiel, die einen Imbiss am Mauritiuswall betreibt, hatte für das Vorgehen der Einsatzkräfte an der Schaafenstraße kein Verständnis: „Das Ordnungsamt hat sich hier ziemlich hässlich verhalten“, klagt sie. „So eine Acht-Personen-Kette, die die Straße freiräumt, war wirklich übertrieben. Da hätte die Ansprache deutlich entspannter und auf Augenhöhe sein können.“ Das Ordnungsamt müsse zwar präsent sein und das Gespräch mit den Menschen suchen, sagt Mesinovic, sie wünscht sich aber „mehr Kooperation, weniger Konfrontation.“

OB Reker hatte am Freitag an die Kölner appelliert, auch auf andere Orte auszuweichen, etwa zum Ebertplatz oder zum Aachener Weiher. Wie war die Lage da?

Ruhig. „Der Ordnungsdienst musste Freitag und Samstag wieder dieselben belebten Hotspots wie an den vorangegangenen Wochenenden überwachen“, sagte ein Stadtsprecher – also den Stadtgarten, das Belgische Viertel, die Ringe und die Schaafenstraße. Beschwerden bezüglich des Ebertplatzes hätten den Ordnungsdienst dieses Wochenende nicht erreicht. Für eine weitere Entzerrung von Menschenansammlungen und eine Verteilung auf verschiedene Orte scheint es außer Appellen bei der Stadt kein Konzept zu geben. „Das Freizeitverhalten der Menschen ist nicht steuerbar“, sagte der Stadtsprecher.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, welcher Platz überhaupt geräumt wird?

Zum einen ist natürlich die Platzgröße und die Anzahl der Personen auf diesem Platz ein wichtiges Kriterium. Auf etwas weitläufigeren Flächen wie dem Stadtgarten können sich mehr Menschen auflagenkonform zur gleichen Zeit versammeln als etwa in der engen Schaafenstraße. 

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Auch der Brüsseler Platz ist durch die Bebauung klar von den umliegenden Plätzen abgeschirmt und daher häufig Ort zu großer Ansammlungen gewesen. „Der Brüsseler Platz gibt keinen Anlass, sich weiträumig zu verteilen“, sagt Ordnungsamstleiter Wolfgang Büscher. Daher hält die Stadt am dortigen Verweilverbot auch bis Anfang August fest.

Neben dem Verhältnis von Fläche und der Größe der Ansammlung ist auch das Verhalten der Gruppen ausschlaggebend. Wenn sich die Menschen beispielsweise aggressiver untereinander und gegenüber den den Ordnungskräften verhalten, werde sich eher für eine Räumung entschieden, sagte Büscher. „Wo es nicht mehr tragbar ist, müssen wir eingreifen.“

Wer entscheidet, ob und wann geräumt wird?

Rechtlich sind Ordnungsamt und Polizei gleichermaßen mit der Umsetzung der Corona-Schutzverordnung beauftragt. Die Beamten beider Behörden bewerten vor Ort die Lage. Wenn die Kriterien gegeben sind, entscheiden die jeweiligen Dienstgruppenleiter am Ort des Geschehens über die Räumung. Primär zuständig ist dafür die Stadt. Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes erteilen zunächst mündliche Aufforderungen, den Platz zu verlassen – je nach Größe und Verhalten der Menschenmenge mit Unterstützung der Polizei.

„Wenn die mündliche Aufforderung nicht reicht und das Ordnungsamt die Polizei um Unterstützung bittet, um die Platzverweise auch durchzusetzen, tun wir das. Dann leistet die Polizei Amts- und Vollzugshilfe bei einer Räumung“, erklärt Polizeisprecher Wolfgang Baldes. Das ist insbesondere der Fall, wenn Widerstand gegen die Platzverweise geleistet wird. In solchen Fällen hilft die Polizei etwa bei Personalienfeststellungen. „Die Maßnahmen sind da gestaffelt“, so Baldes.

Wie lange dauert es, bis der Platz leer ist?

Komplett leer ist ein Platz nach der Räumung in der Regel nicht, es sei denn das Ordnungsamt entscheidet, ihn vorübergehend zu sperren. Ein Platz gilt aber auch dann schon als geräumt, wenn sich nur noch so viele Menschen dort aufhalten, dass die Corona-Regeln eingehalten werden können. Das dauerte zuletzt in der Regel zwischen 15 Minuten und einer Stunde – je nach Platzfläche und Verhalten der Feiernden. Wenn diese den Aufforderungen nachkommen, geht die Räumung schneller vonstatten als wenn sie sich wehren.

Das Ordnungsamt löste am vergangenen Freitagabend auch Feiern von Abiturienten am Niehler Rheinufer auf – obwohl private Zusammenkünfte bis zu 50 Personen auch ohne Mindestabstand erlaubt sind. Warum?

Den Ordnungsdienst habe eine Lärmbeschwerde über eine Technoparty im Bereich Niehler Rheinufer/Molenkopf erreicht, teilte ein Sprecher der Stadt Köln auf Anfrage mit. Vor Ort seien drei Veranstaltungen festgestellt worden. Eine davon mit mehr als zehn Personen sei als „Abi-Abschlussfeier“ deklariert worden.

Gemäß Coronaschutzverordnung Nordrhein-Westfalen seien selbst organisierte Feste von Schulabgangsklassen oder -jahrgängen außerhalb von Schulanlagen und Schulgebäuden zulässig, wenn durch besondere Maßnahmen sichergestellt sei, dass an diesen Veranstaltungen ausschließlich die Mitglieder der jeweiligen Abschlussklasse oder des jeweiligen Jahrgangs teilnähmen, sagte der Sprecher. Die Ordnungsdienstkräfte hätten auf Grundlage von Angaben der Teilnehmenden aber feststellen können, dass nicht alle Personen vor Ort der Abschlussklasse angehörten. „Das Fest war daher nicht durch die Coronaschutzverordnung NRW geschützt und musste als Personenansammlung über zehn Personen gewertet werden.“

Welche Konsequenzen drohen den Teilnehmern jetzt?

Die Ordnungskräfte nahmen ihre Personalien auf und leiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Diese können Bußgelder nach sich ziehen.

Manche der Abiturienten berichten, sie seien von den Einsatzkräften eingekreist worden und der Ordnungsdienst sei sehr barsch vorgegangen. Stimmt das?

Der Stadtsprecher bestreitet eine „Einkreisung“ der Feiernden. Der Ordnungsdienst habe die Gruppe vielmehr zur besseren Verständlichkeit und zur Erläuterung der Maßnahme zunächst zusammengerufen. Insbesondere eine Person habe die Ordnungskräfte fortwährend beleidigt, sie provoziert und einem eine Zigarette absichtlich vor die Füße geworfen.

Wurden auch die Personalien der Feiernden auf der Schaafenstraße und am Stadtgarten aufgenommen? Drohen auch ihnen Bußgelder?

Es wurden keine Personalien notiert. „An der Schaafenstraße und am Stadtgarten wurden aufgrund der Menschenmassen sofort Räumungen der Plätze zur Vermeidung von Corona-Neuinfektionen durchgeführt“, sagte der Stadtsprecher. „Hier stand der Infektionsschutz im Vordergrund und damit der Schutz vieler.“

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