Technische HochschuleKölner Tempeldoktor restauriert Angkor Wat

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Angkor Wat

Angkor Wat

Köln/Angkor Wat – Es war 12.35 Uhr an einem Augusttag im vergangenen Jahr, als der Boden unter den Tempeln zitterte. Erdstöße in der Stärke von 6,8 auf der Richterskala ließen die historischen Pagoden von Bagan im südostasiatischen Land Myanmar beben. Die Erschütterungen waren so stark, dass sie in der 100 Kilometer entfernten Hauptstadt Naypyitaw noch zu spüren waren, wo auch das Parlamentsgebäude beschädigt wurde. In Bagan starben nach Regierungsangaben vier Menschen, Dutzende Pagoden wurden beschädigt. Hilfe für einige der Kulturschätze kommt nun aus Köln – von einem Mann, der sich schon mal der „Kathastrophen-Manager“ nennt.

Auf der beeindruckenden Tempelanlage von Angkor haben die Kölner Restauratoren jahrelang gearbeitet.

Auf der beeindruckenden Tempelanlage von Angkor haben die Kölner Restauratoren jahrelang gearbeitet.

Hans Leisen ist emeritierter Professor des Instituts für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) und ein Meister in seinem Bereich. Er hat 2010 auf dem Gelände der gewaltigen Tempelanlage von Borobodur auf Java gearbeitet, ein Jahr nachdem der benachbarte Vulkan Merapi ausgebrochen war und die Anlage beschädigte. Er war 2011 im thailändischen Ayutthaya, nachdem der Fluss Chao Praya die Tempelstadt überflutete und unter anderem den 500 Jahre alten Chai-Watthanaram-Tempel zerstörte. Und Leisen war natürlich auch in Angkor Wat, kurz nachdem der Bürgerkrieg in Kambodscha beendet und auf einer internationalen Konferenz Geld für die monumentalen Bauten aus der Khmer-Zeit gesammelt wurde.

Professor und Handwerker in Einem

Man trifft Hans Leisen mit seiner Frau Esther von Plehwe-Leisen, die ebenfalls Restaurierungsexpertin und ständige Begleiterin von Hans Leisen ist, in einem schlichten Institutszimmer der TH Köln. Stühle, Tische, ein wenig Dekor an den Wänden. Das passt zu einem Mann, der sich als bodenständig empfindet. Der lange Jahre im bayrischen Landesamt für Denkmalpflege gearbeitet hat. Ein Professor, der aber eben auch Handwerker ist – und zwar ein ziemlich guter. Manche haben ihn schon als „Tempeldoktor“ bezeichnet. Leisen muss schmunzeln, wenn man ihn darauf anspricht.

Hans Leisen bei der Arbeit

Hans Leisen bei der Arbeit

1995 ist er zum ersten Mal nach Südostasien gefahren. Gleich nach Angkor Wat, jene beeindruckende Anlage, die König Suryavarman II. Anfang des 12. Jahrhunderts im heutigen Kambodscha errichteten ließ. Der Frieden von Paris war noch frisch, die Verhältnisse vor Ort einfach. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Die Anlage befand sich damals in einem dramatisch schlechten Zustand“, sagt Leisen. Salze und Fledermausurin hatten sich in die Sandsteine gefressen, Wasser war eingedrungen und ließ die Tonmineralien im Sandstein aufquellen und zusammenziehen. Ein Prozess, der im Lauf der Zeit jeden Stein zerstört. Leisen nennt das Schalenbildung, weil die Oberfläche zunächst noch intakt aussieht, darunter der Stein aber zerbröselt.

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Zahlreiche Teams aus mehreren Ländern arbeiten auf dem Tempelkomplex. Mit finanzieller Hilfe des Auswärtigen Amts und der TH Köln machten sich die Leisens mit Studenten und kambodschanischen Kräften zur Aufgabe, die Reliefs der Tempeltänzerinnen (Apsaras) zu erhalten und gründeten dafür 1995 das German Apsara Conservation Project. 1850 der Bilder der Tänzerinnnen hat Leisen instand gesetzt, dutzende Studenten in Angkor Wat ausgebildet, dazu kambodschanische Restauratoren, die mittlerweile das Projekt vor Ort leiten.

Esther von Plehwe-Leisen

Esther von Plehwe-Leisen

Leisen versteht sich als Konservator, nicht als Schöpfer. Beschädigte Reliefs will er nicht ersetzen, weil es keine Überlieferungen von den genauen Motiven gibt. Etwas hinzufügen wäre zwar möglicherweise kreativ, würde aber den originalen Zustand des Tempels verfälschen. Ähnlich zurückhaltend ist er, wenn er die Reliefs der Tempeltänzerinnen oder andere Bauteile mit Klebstoff behandeln muss. Während manche Restauratoren schon mal großzügig mit Epoxidharz arbeiten, entwickelte er eine dem Sandstein ähnliche flüssige Mörtelmischung, die er per Spritze in die Steine injizieren kann.

Viele Stätten bereits kaputt

Nach Bagan werden die Leisens im kommenden Januar reisen. Bereits im Jahr 2004 waren sie einmal in der Kapitale des historischen Reichs der Burmesen aus dem neunten bis 13. Jahrhundert. „Damals war vieles schon kaputt, anderes wurde restauriert, aber nicht fachkundig“, erinnert sich Leisen. Andere Experten monieren, dass in den 1990er Jahren unter massivem Einsatz von Beton die Mängel an den Pagoden eher verschlimmert als verbessert wurden. Auf Resten von Sakralbauten seien beispielsweise einfach neue Pagoden errichtet worden, andere erhielten goldene Spitzen. Im Ausland war die Wissenschaftswelt über die mangelhaften Arbeiten so entsetzt, dass die Militär-Regierung in Myanmar ihren Antrag, Bagan auf die Unesco-Weltkulturerbeliste zu setzen, aus Mangel an Chancen zurückzog.

Das nächste Projekt: der Nanpaya-Tempel in Bagan

Das nächste Projekt: der Nanpaya-Tempel in Bagan

Nun soll alles besser werden: Leisen soll den Nanpaya-Tempel aus dem elften Jahrhundert in Myinkaba, südöstlich von Bagan, restaurieren. Das Hauptaugenmerk gilt den Restauratoren den Reliefs, die sich auf Säulen und Wänden befinden. Während der größte Teil des Tempels aus Ziegelsteinen errichtet wurde, bestehen zahlreiche Bilder aus Sandstein. Größtes Problem der Kölner Restauratoren ist derzeit, wie lange das Projekt finanziert wird. Denn der Geldgeber, das Auswärtige Amt, gibt grünes Licht zunächst nur bis April kommendes Jahres. Eventuell wird bis Ende Dezember verlängert, was danach kommt, ist völlig unklar.

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