Attacke auf Gladbach-Fanbus„Kommt raus, ihr Drecksäcke, jetzt gibt’s was“

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Mit rot-weiß bemalten Steinen sollen Mitglieder der Ultragruppierung „Wilde Horde“ den Bus attackiert haben.

Mit rot-weiß bemalten Steinen sollen Mitglieder der Ultragruppierung „Wilde Horde“ den Bus attackiert haben.

Köln – Drei Ultra-Fans des 1. FC Köln, die 2012 nach einem Auswärtsspiel nachts auf der Autobahn einen Bus mit Fans von Borussia Mönchengladbachs zum Halten auf einer Raststätte zwangen und damit für tumultartige Gewaltattacken sorgten, müssen mit Bewährungsstrafen zwischen sechs und elf Monaten rechnen. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgesprächs, das der Vorsitzende Richter zum Prozessauftakt am Dienstag bekanntgab.

Drei Jahre nach dem Angriff der Ultras auf den Fanbus der Gladbacher stehen seit Dienstag drei ehemalige Mitglieder des Fanclubs „Wilde Horde“ wegen Nötigung und Landfriedensbruch vor dem Landgericht. Der gewalttätigen Auseinandersetzung waren zwei Auswärtsspiele der Klubs in Hoffenheim und Nürnberg vorausgegangen. Nach Einschätzung der Ermittler war die Gewaltattacke eines der „herausragenden Beispiele für die allseits behauptete Zunahme von Gewaltexzessen in Zusammenhang mit Spielen der Fußballbundesligen“. Aber es sieht so aus, als würden die eigentlichen Täter ungestraft davon kommen – weil sie unbekannt blieben.

Mindestens 25 Kölner Fans beteiligt

An jenem 4. März 2012 sollen Kölner Fans auf der A 3 Ausschau nach geeigneten Opfern gehalten haben. Die Krawallsucher waren laut Anklage in sogenannten „Spähfahrzeugen“ unterwegs. Zwar waren am später folgenden Angriff an der Raststätte Siegburg laut Staatsanwaltschaft mindestens 25 Kölner Fans beteiligt – doch die Beweise reichten letztlich nur bei den drei Männern im Alter zwischen 26 und 30 Jahren für eine Anklage.

Wer jedoch mit Eisenketten, Baseballschlägern, Totschlägern und Betonpfeilern auf das Fahrzeug einschlug, um die Insassen – vermeintliche Borussia-Ultras – aus dem Bus zu locken, konnte bisher nicht geklärt werden. Den drei Angeklagten, ein Germanistik-Student „mit dem Ziel, Gymnasiallehrer zu werden“ (27), ein Kfz-Lackierer (26) und ein – damaliger – Student (30) und heutiger Sozialarbeiter, der „junge Menschen auf den rechten Weg führen möchte“, ist weder der Waffenbesitz noch der Angriff damit nachzuweisen. Während die beiden Erstgenannten mit ihren voll besetzten Fahrzeugen für das Abdrängmanöver auf der Autobahn sorgten, hat der Sozialarbeiter zugegeben, sich in Drohgebärde vor dem Bus aufgebaut zu haben. An ein ihm zusätzlich zur Last gelegtes Zitat mag er sich nicht erinnern, er schließt es aber auch nicht aus.

Vor Gericht gab sich das Trio reumütig. Immer wieder war von Entschuldigungen die Rede, gegenüber dem FC, den Fans und den Businsassen. Die Angeklagten sprachen von „großen Fehlern“, „tiefster Reue“ und „aufrichtiger Bitte um Verzeihen“. Die Idee, den Fanbus auszubremsen, sei auf der Rückreise spontan entstanden, sie sei weder von langer Hand organisiert noch geplant gewesen. Vorausgegangen sei Tage zuvor ein angeblicher Facebook-Aufruf der Fans des Erzrivalen mit provokantem Inhalt. Mit anderen Worten: Die andere Seite sei schuld gewesen. „Wir wollten unsere Macht demonstrieren“, versuchte der Germanistik-Student einen Erklärung. „Die waren auf unserer Autobahn, in unserem Revier“, sprang ihm sein Kumpel bei. Und der Sozialarbeiter fügte an: „Wir haben Eier gezeigt, indem wir den Bus zum Halten brachten.“ Man habe „Haltung“ zeigen wollen, ein Schlagabtausch sei zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen. Reine Machtspielchen also.

Bus zwischen zwei Kleintransporter geklemmt

Nachdem die Kölner Ultras den Fanbus zwischen zwei Kleintransportern eingeklemmt und durch Bremsmanöver zum Verlassen der Autobahn und zum Anhalten in der Zufahrt zur Raststätte gezwungen hatten, geriet die Attacke auf dem Rastplatz Siegburg aus dem Ruder. Denn das Trio hatte mindestens zehn Kölner Fahrzeuge im Gefolge, aus denen Dutzende FC-Fans – mit Eisenketten, Baseballschlägern, Stangen und Betonpfeilern bewaffnet – auf den Bus einschlugen, Scheiben zerschlugen und Beulen hinterließen. Mit dem Schlachtruf „Kommt raus, ihr Drecksäcke, jetzt gibt’s was“, hatten die FC-Fans versucht, die Insassen aus dem Bus zu locken.

Niemand aber stieg aus, denn die Gladbach-Fans hatten den Ermittlern zufolge „Todesängste“. Vor allem dem beherzten Vorgehen des Busfahrers war es zu verdanken, dass es beim Sachschaden in Höhe von 25000 Euro blieb und niemand verletzt wurde. Denn dem Fahrer war es schließlich gelungen, zu entkommen, von unterwegs hatte er die Polizei alarmiert. Noch in der Nacht waren die drei Angeklagten vorübergehend festgenommen worden.

Alle drei hatten nach dem Vorfall unverzüglich ihre Mitgliedschaft beim Fanclub „Wilde Horde“ gekündigt, „um dem Imageschaden beim FC und den Fans gering zu halten“. Schon von frühester Kindheit an habe ihr Herz für den FC geschlagen, sagten die Angeklagten. „Fairness, Diplomatie und soziales Verhalten“ seien die Werte gewesen, die man als Vorstand bei der Wilden Horde praktiziert habe, hieß es wie aus einem Mund.

Am Donnerstag werden der Busfahrer und die Fans aus Mönchengladbach im Zeugenstand ihre Version des Geschehens schildern.

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