Veranstaltung in Köln-MülheimExpertinnen wollen Rassismus im Gesundheitssystem sichtbar machen

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FünfExpertinnen und Aktivistinnen diskutierten auf der Bühne im Bürgerhaus MüZe.

Expertinnen und Aktivistinnen diskutierten im Bürgerhaus MüZe

Welche Folgen Rassismus im Gesundheitssystem für Betroffene hat, wurde in Köln-Mülheim diskutiert.

„Das Gesundheitssystem ist ein Spiegel unserer Gesellschaft“, sagt Joanna Peprah, als sie am Freitagabend, 5. April, auf der Bühne des Bürgerhauses MüZe in Köln-Mülheim steht. Wie die gesamte Gesellschaft sei auch das Gesundheitssystem „von Rassismus durchzogen“. So führt die Kölner Physiotherapeutin und Antirassismus-Aktivistin in das Thema des Abends ein.

Antiziganismus im Gesundheitssystem: Schlechte Bedingungen für Sinti und Roma

Gut 40 Menschen sind der Einladung des Expertengremiums „(Post)koloniales Erbe der Stadt Köln“ in das Bürgerhaus gefolgt. Den zwölfköpfigen Kreis von Expertinnen und Experten hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2022 einberufen. Das Gremium sollte die Stadt bei der Aufarbeitung ihres kolonialen Erbes beraten.

In den vergangenen zwei Jahren haben die Expertinnen Vorschläge erarbeitet, um in verschiedenen Bereichen des Stadtlebens rassistische Strukturen abzubauen. Ihre Überlegungen haben sie immer wieder vor- und zur Diskussion gestellt. Mit diesem Abend zu Rassismus im Gesundheitssystem findet die Veranstaltungsreihe nun vorerst ihren Abschluss.

Alles zum Thema Henriette Reker

Eröffnet wird die Veranstaltung von Andrita Jakupi. Die Traumatherapeutin stellt dar, wie Sinti und Roma über Jahrhunderte nach Europa einwanderten und wie sie wiederholt Unterdrückung erfuhren: „Diese globale Migrationsgeschichte ist Teil unserer Identität.“ 

Bis heute wirken die Erlebnisse früherer Generationen auf Sinti und Roma, haben psychosomatische Spuren hinterlassen. Der von Rassismus verursachte Stress sei vergleichbar mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Doch das bleibe im deutschen Gesundheitssystem unsichtbar.

Viele Sinti und Roma trauten sich nicht, zum Arzt zu gehen, weil sie in Deutschland kein Bleiberecht haben. Täten sie es doch, würden ihnen Beschwerden regelmäßig „aufgrund tief verankerter rassistischer Stereotypen ausgeredet“. Die Folgen seien Fehldiagnosen, Behandlungsfehler, Stigmatisierungen, die zu Traumatisierungen führten oder bestehende vertieften. 

Rassismus in der Medizin: Ein Problem mit vielen Facetten

Mit ihren Erfahrungen von Rassismus im Gesundheitssystem seien Sinti und Roma nicht allein, sagt Joanna Peprah. Noch immer seien tradierte Vorurteile über schwarze Körper, zum Beispiel über eine angeblich geringere Schmerzempfindlichkeit, in der Medizin verbreitet. Diesen Eindruck teilen die anderen Teilnehmerinnen der fünfköpfigen Diskussion, die sich an die Vorträge anschließt. N'Joula Baryoh berichtet von ihren Erfahrungen als Gynäkologin. Im Umgang mit schwarzen Patientinnen seien rassistische Stereotype verbreitet: „Wenn eine schwarze Frau im Kreißsaal liegt, dann hört man schonmal, dass die das ja sowieso gewohnt ist, weil die angeblich so viele Kinder kriegen.“

Ein weiteres Problem sein, dass einige Ärzte den Patienten nicht verständlich erklärten, welche Krankheit sie haben. „Wenn wir heilen wollen, müssen wir so reden, dass der Patient uns versteht“, sagt Baryoh. Doch das gehe nicht, wenn die Klinikübersetzer nach 13 Uhr Feierabend hätten.

Auch bei nicht wenigen schwarzen Menschen herrsche eine Grundskepsis vor dem Gang zum Arzt vor. Schuld seien negative Erfahrungen genauso wie das Wissen über die rassistische Geschichte der Medizin – von kolonialen Experimenten eines immer noch gefeierten Robert Koch bis zu Menschenversuchen der Nationalsozialisten.

Lösungsvorschläge: Wie kann Rassismus abgebaut werden?

Es geht viel um Probleme. Doch die Panelistinnen sprechen auch über Lösungen. Moderatorin Roxanna Loraine-Witt berichtet von der „Medizinfrau“ ihrer Familie. Das sei eine Tante, die eine Liste mit vertrauenswürdigen Ärzten der verschiedenen Fachrichtungen zusammengestellt habe und auch zu Arztterminen mitgehe, um sicherzugehen, dass ihre Verwandten richtig behandelt werden. Baryoh bekräftigt, dass es immer besser sei, jemand anderen zum Arztbesuch mitzunehmen. Auch medizinisches Basiswissen könne helfen, damit man auf eine seriöse Diagnose bestehen könne.

Dennoch – auch da sind sich die Panelistinnen einig – müsse das Problem strukturell angegangen werden. Es brauche in der Breite mehr Fortbildung zum Thema Rassismus für das medizinischen Personal, eine stärkere Repräsentation nicht-weißer Menschen innerhalb der verschiedenen Bereiche des Gesundheitssystems und explizit auf Menschen mit Rassismuserfahrungen ausgerichtete Therapien. Das würde etwas kosten. Geld, dass sich die Expertinnen und Aktivistinnen auch von der Stadt erhoffen. Am 26. April werden sie die Ergebnisse ihrer Gremienarbeit im Alten Rathaus Henriette Reker übergeben.

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