Köln – „Friede auf Erden“ – die Weihnachtsbotschaft der Engel ist untrennbar mit Bethlehem verbunden, dem biblischen Geburtsort Jesu. Im Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem ist derzeit von Frieden wenig zu spüren. Nach einem Misstrauensvotum aus den Reihen des Geschäftsführenden Vorstands gegen die amtierende Vorsitzende Claudia Burger ist es zu Streit über die künftige Führung des 1996 von Burgers verstorbenem Mann, dem Kölner Ex-OB Norbert Burger, initiierten Vereins gekommen.
In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Neuwahl des Vorstands soll der frühere Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter, gegen Burgers Witwe antreten. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte der 67-Jährige sich zur Kandidatur bereiterklärt(hier lesen Sie mehr), falls er vorgeschlagen würde.
Erste Partnerschaft mit Stadt in Palästina
Der vor 25 Jahren gegründete Verein Köln-Bethlehem ist von besonderer Bedeutung, weil er sich um die erste Partnerschaft einer deutschen Stadt mit einer Kommune in Palästina überhaupt kümmert.
Burger hat sich entschlossen, um ihre Wiederwahl zu kämpfen. „Ich habe viel Sympathie von Mitgliedern erfahren, die von den Querelen im Vorstand bislang gar nichts wussten“, sagt die 70-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine Kampfabstimmung um den Vorsitz habe es ihres Wissens noch in keinem Kölner Städtepartnerschaftsverein gegeben. „Aber es gab auch noch nie die Situation, dass jemand von außen in Stellung gebracht wird.“
Vorwurf: Machtspiele und Intrigen
Burger spricht von Machtspielen und Intrigen. Schröters „Ambitionen, mich abzulösen, habe ich erst spät erkannt und durchschaut.“ Das Ansinnen eines „gesichtswahrenden Rücktritts“, das aus dem Vorstand informell an sie herangetragen worden sei, habe sie in ihrer Entschlossenheit eher noch bestätigt. „Ich stelle mich dem demokratischen Votum der Mitglieder.“
Schröter, der seit 2021 dem erweiterten Vorstand angehört, war aus privaten Gründen 2019 nach Köln umgezogen. Das Thema Palästina beschäftige ihn seit vielen Jahren, sagte er zur Erklärung für sein Engagement. Er bestritt die Absicht, Burger aus dem Amt zu drängen.
Zu große Israelfreundlichkeit?
Burger, die den Verein seit mehr als sieben Jahren führt, berichtet von diversen Konflikten auf Vorstandsebene. So hätte sie – zusammen mit OB Henriette Reker - eine Ausstellung zur Renovierung der Geburtskirche in Bethlehem auf dem Höhepunkt der Corona-Welle im vorigen Winter lieber verschoben, während andere im Vorstand auf dem vorgesehenen Termin bestanden und sich mit knapper Mehrheit durchsetzten.
Auch kreideten ihr manche eine „zu große Israelfreundlichkeit“ an, mutmaßt Burger. „Ich bin der Meinung, in einer so schwierigen Konstellation wie dem Nahostkonflikt muss man immer beide Seiten sehen. Es gibt niemals nur einen Schuldigen. Deshalb gehört Kritik auch an der palästinensischen Seite zur Wahrheit und zu einer glaubwürdigen Interessenvertretung.“
In Norbert Burgers Testament erwähnt
Die Arbeit des Vereins Köln-Bethlehem sei für sie „Herzensanliegen und Vermächtnis“. Ihr Mann habe ihr sogar in seinem Testament das Versprechen abgenommen, sich über seinen Tod hinaus um „das Thema Bethlehem“ zu kümmern.
Die Wahl am kommenden Donnerstag bedeutet aus Burgers Sicht eine Zäsur, die sehr viel mehr nach sich ziehe als nur die Besetzung einiger Funktionärsposten. Im Fall ihrer Wiederwahl will sie Projektpartnerschaften und Kooperation mit anderen Institutionen wie Stiftungen, der Kölner Synagogengemeinde, der Christlich-Jüdischen Gesellschaft oder dem Tel-Aviv-Verein verstärken. Auch brauche es für die Veranstaltungen des Vereins andere, „junge“ Formate.
Alt-Präses Manfred Kock übernimmt Moderation
Burgers Vorgänger, der frühere rheinische Präses Manfred Kock, zeigt sich besorgt über den Führungsstreit im Verein, zu dem er sich inhaltlich nicht positionieren wollte. „Wichtig ist, dass Meinungsverschiedenheiten offen ausgetauscht werden. Ich warte ab, wer die Mehrheit bekommt“, sagt er. In der Mitgliederversammlung soll Kock als ehemaliger Vorsitzender die Moderation übernehmen.
Ihm sei es für die Zukunft wichtig, dass der Verein nicht nur die kulturelle Komponente wie das Bemühen um den Erhalt der Geburtskirche pflege, sondern auch das zivilgesellschaftliche, humanitäre und soziale Engagement für die Menschen in Palästina.
Zu Vorwürfen antisemitischer Positionen, die gegen Schröter erhoben, von diesem aber bestritten wurden, sagt Kock: „Meine Furcht war und ist, dass Veranstaltungen unseres Vereins mit israel-kritischen Inhalten zu Krach führen. Bei aller gebotenen Sensibilität wollen wir aber deutlich machen, dass die Palästinenser mit einem völkerrechtswidrigen Verhalten des Staates Israel konfrontiert sind. Einer bestimmten Mentalität, die aus biblischen Verheißungen im 21. Jahrhundert Landansprüche ableitet, werden wir auch künftig entgegentreten“, betont Kock.