Vier Parteien, eine Fraktionsgemeinschaft und zwei Einzelmandatsträger stellen sich dem Ratsbündnis entgegen. Die oft deutliche Uneinigkeit vor allem von Grünen und CDU können sie kaum ausnutzen. Das liegt vor allem an der Schwäche einer Partei.
Serie „Wo steht Köln?“Opposition nutzt Schwäche des Kölner Ratsbündnisses nicht aus
Ein Ratsbündnis aus zwei großen Parteien, deren Verbindung mit Wohlwollen als Zweckehe bezeichnet werden kann. Und einem Juniorpartner, der nach der Kommunalwahl als Mehrheitsabsicherer ins Boot geholt wurde, inzwischen aber dafür nicht mehr benötigt wird. Eine Konstellation, wie gemacht für die Opposition. Natürlich werden deren Anliegen ständig humorlos überstimmt. Aber sie könnte die in fast allen Kernthemen nicht zu übersehende Uneinigkeit des Ratsbündnisses genüsslich ausschlachten, eine Gegenatmosphäre in der Stadt schaffen, dem Diskurs den eigenen Stempel aufdrücken. Könnte. Schafft sie aber nicht.
Das liegt in erster Linie an der Schwäche der Partei, die mit Abstand die größte Oppositionsgruppe stellt und einst jahrzehntelang den Stadtrat dominierte, teils sogar mit absoluter Mehrheit.
Aber der SPD fehlen charismatische Köpfe, hinter denen sich die Partei versammeln könnte, die in der Stadt sichtbar sind und jedem klar machen: Ohne uns wird in Köln keine wichtige Debatte geführt. Weder die neue Parteidoppelspitze, die erst Profil entwickeln muss, noch die Ratsfraktion haben solche Identifikationsfiguren im Portfolio.
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SPD: Reaktive Politik
Die Sozialdemokraten betreiben im Stadtrat, in dem sie knapp hinter der CDU drittstärkste Kraft sind, viel reaktive Politik. Sie lassen sich in ihren Aktionen häufig treiben von aktuellen Stimmungen in der Stadt, von Medienberichterstattung und vergessen darüber oft, eigene Themen zu setzen. Selbst bei ureigensten SPD-Domänen wie der sozialen Gerechtigkeit zeigt sich die Partei stellenweise seltsam ambitionslos. So konnte etwa Mike Homann als Aufsichtsratsvorsitzender der GAG die viel kritisierten tausendfachen Mieterhöhungen zum kommenden Jahr – die entgegen ersten Ankündigungen auch einige geförderte Wohnungen betreffen - nicht abwenden.
Es ist bedenklich, wie leicht selbst Hinterbänkler des Ratsbündnisses in Rat und manchen Ausschüssen immer wieder SPD-Anträge zerpflücken können. Auch die Attacken von Fraktionschef Christian Joisten prallen regelmäßig einfach ab am grün-schwarz-lilafarbenen Stoizismus.
Warum die ehedem so einflussreiche SPD so zahnlos agiert, bleibt unklar. Natürlich erfordern seit fast drei Jahren die bekannten Krisen, die mit Corona begannen und durch Russlands Krieg ihre Fortsetzung fanden, politischen Pragmatismus und Konsensfähigkeit. Das ist eine Frage der Verantwortung und wird von allen Parteien und Gruppen auch praktiziert. Aber es bleibt schleierhaft, warum die Sozialdemokratie Grüne und CDU einfach so gewähren lässt und allenfalls mit vereinzelten Polemiken und leicht verstaubten Parolen Widerstand simuliert.
Wenn das Bündnis im Haushalt einen Krisen-Unterstützungsfond in Höhe von fünf Millionen Euro will, erschöpfen sich die Ideen der SPD darin, einfach zehn Millionen Euro zu verlangen. Das ist etwas dünn. Vielleicht versucht die SPD mit ihrer Sanftmut auch, sich als möglicher Kooperationspartner in Stellung zu halten, sollte das Ratsbündnis in absehbarer Zeit zerbrechen. Das ist angesichts der massiven inhaltlichen Differenzen zwischen Grünen und CDU durchaus möglich. Mit Grünen und Volt hätte die SPD jedenfalls eine Ratsmehrheit. Oder sie setzt auf eine Co-Regentschaft nach der Kommunalwahl 2025. Sich drei Jahre lang selbst an die Kandare zu nehmen, dürfte ihre Position allerdings weiter schwächen.
Linke: Keine Illusion über beschränkte Möglichkeiten
Mangelndes Engagement kann man den Linken beileibe nicht vorwerfen. Als kleine Sechs-Personen-Fraktion muss jedes Ratsmitglied mitziehen, wenn die Partei etwas bewegen möchte. Fraktionsvorsitzende Güldane Tokyürek streitet leidenschaftlich für ihre Sache. Die Mitglieder arbeiten sich tief in Sachverhalte ein und sind gut informiert. Menschen wie Jörg Detjen sind erfahrenen Politiker, die das Geschäft kennen, in der Stadt gut vernetzt sind und sich über die Beschränktheit ihrer Gestaltungsmöglichkeiten keine Illusion machen. Aber sie hören nicht auf, ihre Politik einzubringen, sezieren Vorstöße des Ratsbündnisses und der Verwaltung und setzen ihnen teils umfassende Änderungsvorschläge entgegen.
Die FDP-Fraktion besteht aus nur fünf Personen, und wie bei den Linken hat jeder von ihnen seinen Anteil am Geschehen im Ratssaal. Auch hier ist viel Erfahrung im Spiel, Ralph Sterck ist seit mehr als 20 Jahren Fraktionschef, Ulrich Breite genauso lange Fraktionsgeschäftsführer. Die Liberalen betreiben noch die bissigste Oppositionsarbeit mit den schmerzhaftesten Worten, auch wenn diese Attacken mitunter etwas abgegriffen wirken.
Die Fraktion nimmt sich einzelnen Themen vor und setzt sich mit Verve für sie ein, sei es die Eisbahn auf dem Ebertplatz (die trotz Zusage nun doch nicht kommt) oder Quartiersgaragen (die die FDP seit vielen Jahren fordert). Sie haben sich in ihrer Oppositionsrolle eingerichtet und hadern offen mit dem viel zitierten „natürlichen Partner“ CDU, den sie fest im Klammergriff der Grünen sehen.
„Die Fraktion“: Wie eine Wohngemeinschaft
Die Fraktion der AfD kapriziert sich auf Sarkasmus und Pöbeleien gegen Oberbürgermeisterin Henriette Reker und die „Altparteien“. Ansonsten ist viel bundespolitische Verknüpfung und wenig Köln in ihrer politischen Arbeit zu finden. Eigene Impulse setzt sie kaum. Im Rat sind die vier Männer isoliert.
Die Fraktion „Die Fraktion“ ist eine bisschen wie eine Wohngemeinschaft. Sie setzt sich zusammen aus den beiden Ratsmitgliedern der satirischen Partei „Die Partei“ Birgit Dickas und Michael Hock sowie dem Ratsmitglied Walter Wortmann, der zuvor die Freien Wähler Köln vertrat und dann zur „Partei“ wechselte. Fraktionschefin ist Karina Syndicus, die vorher der Ratsgruppe Gut angehörte, die inzwischen aufgelöst ist. Natürlich bringt „Die Fraktion“ lustige Sachen vor, wie eine „Kölschpreisbremse“ zu Karneval. Auch wenn sie eine „Impfbimmelbahn“ fordert, um die Corona-Immunisierung zu fördern, mag das ulkig sein - aber es hat durchaus einen seriösen Kern, auch wenn die Fraktion das womöglich nicht gern hören mag. Bei aller Satire äußert sich das Quartett im Rat sachlich und respektvoll.
Die Einzelkämpfer hängen sich rein
Bleiben die beiden Einzelmandatsträger Thor Zimmermann und Nicolin Gabrysch. Zimmermann bildete einst mit Karina Syndicus die Ratsgruppe Gut. Zimmermann ist tatsächlich bereits seit 2009 Ratsherr und weiß wie es im Rathaus läuft. Wenn er sich zu Themen äußert, ist er besonnen und so informiert, wir ein Einzelmandatsträger eben sein kann, dem mangels Fraktion der Austausch mit anderen Fraktionen und damit einige Informationen aus der Verwaltung verwehrt bleiben. Sein Steckenpferd, die Wiedereröffnung des Colonius, verfolgt er nachhaltig. Zimmermanns politischer Kompass zeigt nach links mit Schwerpunkt auf Klimathemen.
Das verbindet ihn mit Nicolin Gabrysch (Klima-Freunde), die bei der Landtagswahl im vergangenen Mai gar von den Linken ins Rennen geschickt wurde. Es ist ein Klassiker im Ratssaal: Gabrysch sitzt mit ausgestrecktem Arm wild winkend auf ihrem zugewiesenen Platz in der letzten Reihe und meldet sich zu Wort. Sie muss auch gestikulieren, damit sie von Sitzungsleiterin Reker nicht übersehen wird. Aber sie verschafft sich zu vielen Themen Gehör, auch wenn sie kaum eigene Anträge einbringt. Gabrysch und Zimmermann hängen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mächtig rein in die Ratsarbeit. Das ist aller Ehren wert.