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Grüne, CDU und Reker unzufriedenWie lange hält das Kölner Ratsbündnis noch?

Lesezeit 6 Minuten
Bernd Petelkau, Christiane Martin und Christian Achtelik stehen vor dem Kölner Rathaus.

Wirklich zufrieden? Bernd Petelkau, Christiane Martin und Christian Achtelik müssen noch zweieinhalb Jahre zusammen durchhalten.

Knapp die Hälfte der Wahlperiode ist vorbei. Grüne, CDU und Volt arbeiten nach außen größtenteils geschlossen im Bündnis zusammen. Doch intern knirscht es gewaltig. Ein Blick ins Innere des Rathauses in unserer Serie „Wo steht Köln?“

Kommenden März ist Halbzeit: Dann liegt die Kommunalwahl im September 2020 zweieinhalb Jahre zurück, und die nächste folgt zweieinhalb Jahre später. Für das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt im Kölner Stadtrat heißt das, Bilanz zu ziehen.

Zuletzt erhöhte die sonst unscheinbare Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin öffentlich den Druck, nachdem die CDU im Verkehrsausschuss bei einigen Themen anders als die Grünen abstimmte, Martin sagte: „Wenn ein Bündnispartner des öfteren Mehrheiten jenseits des Bündnisses sucht, dann wird die Zusammenarbeit auf Dauer natürlich schwierig.“ Wackelt das Bündnis also tatsächlich?

Kölner Ratsbeginnn von Anfang an eine Zweckgemeinschaft

Dass es sich um eine Zweckgemeinschaft handelt, war von Beginn an klar. Auch wenn sich die Fraktionsspitzen gemeinsam um ein souveränes, mannschaftliches Auftreten bemühen, ist hinter den Kulissen längst zu hören, dass keineswegs feststeht, ob das Bündnis bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2025 durchhält. Manch einer gibt der Konstellation sogar nur noch ein Jahr, bis sie auseinanderfällt. Andere halten das für Unsinn, „es funktioniert ganz gut“, heißt es aus der CDU etwa. Und CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau verweist auf den gerade beschlossenen Doppel-Haushalt der Stadt, der zeige, dass man bis zur nächsten Wahl zusammenarbeiten wolle.

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Nach der Kommunalwahl 2020 fanden sich die Grünen in einer skurrilen Situation wieder. Mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte hatten sie als stärkste Kraft im Rat den klaren Auftrag, ein Bündnis zu schmieden. Doch so gut wie das Wahlergebnis war die Verhandlungsposition für die grüne Fraktion nicht: Für ein Linksbündnis wäre man auf die SPD angewiesen, die aus Sicht der grünen Ratsspitze für ein Gestaltungsbündnis nicht infrage kam.

Zu viele persönliche Differenzen standen im Weg, auch inhaltlich wurde die SPD als nicht kooperationsfähig eingeschätzt. Man war also wieder auf die CDU angewiesen. Weil diese jedoch einstürzte und nur noch 21 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugen konnte, brauchte es für eine Mehrheit einen dritten Partner. Hier lief alles auf die Europapartei Volt heraus. Die Verhandlungen waren zum Funktionieren verdammt. Und die CDU musste ihre konservative Basis befrieden, die etwa von einer konsequenten Verkehrswende weg vom Auto und hin zu Bahn und Rad nur bedingt etwas hält.

Kölner CDU-Fraktion ohne großen Rückhalt

Ohne viel Begeisterung schleppte sich die Kölner CDU in das neue Bündnis, nur 66,8 Prozent der abstimmenden Mitglieder votierten im März 2021 für den Kooperationsvertrag. Für CDU-Maßstäbe ein grausiges Ergebnis. Schon damals befürchteten viele Mitglieder, die CDU sei die nächsten fünf Jahre vor allem dafür da, die schlimmsten grünen Auswüchse zu hemmen, gerade in der Verkehrspolitik. Die Stimmungslage ist aber geteilt, einer sagt: „Gerade sind wir bereiter, Themen eskalieren zu lassen.“

Nach der Wahl kam ein Kompromiss zustande, in dem die Grünen zwar das wichtige Verkehrsdezernat besetzen durften, die CDU jedoch den Stadtdirektorinnenposten behielt, der traditionell von der stärksten Fraktion besetzt werden darf. Von Altgedienten in der grünen Fraktion wurde dies als Niederlage der neuen Fraktionsführung aus Christiane Martin (Vorsitzende) und Lino Hammer (Geschäftsführer) verstanden.

Neue Kölner Grünen-Fraktion musste sich erstmal finden

Ohnehin musste sich die grüne Fraktion erstmal finden: 16 von 26 Ratsmitgliedern waren neu, darunter die Vorsitzende. Eine Gruppe erfahrener Politiker um Ralf Klemm, Brigitta von Bülow und Ralf Unna zeigte sich zu Beginn unzufrieden, auch weil von Bülow mit ihrem Versuch, die Fraktion anzuführen, scheiterte. Die neuen, weitgehend jungen Grünen hielten sich mit Kritik unterdessen zurück. Lino Hammer „fehlte zu Beginn die Spielhärte“, war etwa zu hören. Doch die Stimmung hat sich gedreht: Die Fraktion ist enger zusammengerückt, von einer „klaren Lernkurve“ unter den Führungsfiguren ist zu hören. Das zurückhaltende, seriöse Auftreten von Martin wird durchaus geschätzt.

Mit der CDU als Partner ist man mal mehr, mal weniger zufrieden. Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau wird als „ausgelaugt“ beschrieben. Doch in vielen Themen, der Stadtentwicklungs- und Gesundheitspolitik etwa, sind sich beide Fraktionen inhaltlich durchaus nahe. Auch wenn die Grünen bei der CDU immer wieder den Mut zur Veränderung vermissen. Die CDU dagegen ist genervt von Lastenrädern und anderen Experimenten.

Die Verkehrspolitik als entscheidende Kontroverse

Wirklich kontrovers geht es in der Ordnungs- und Verkehrspolitik zu. Bei der Frage, ob der Neumarkt für die Erweiterung der Ost-West-Achse untertunnelt werden soll, ist die CDU entschieden: Der Tunnel muss her. Die Grünen sind klar dagegen. Im Verkehrsausschuss deutet die CDU immer wieder an, auch mit anderen Mehrheiten arbeiten zu können. So verhinderte sie etwa gemeinsam mit SPD und FDP, dass die Kitschburger Straße autofrei wird. Auch bei der Deutzer Freiheit sind sich die drei Fraktionen einig, dass der Verkehrsversuch zu weit führte. Die Grünen laufen Gefahr, als stärkste Fraktion in zentralen Fragen unterwandert zu werden. Auch, wenn sie in der Verkehrspolitik grundsätzlich den Ton angeben.

Glücklich ist auch in der CDU nicht jeder mit dem Bündnis, aber was ist die Alternative, um mächtige Posten in der Stadt zu besetzen, um Einfluss zu haben? Vor allem in der Partei tun sich einige Mitglieder schwer damit anzuerkennen, dass in Köln nun die Grünen stärkste Kraft sind und es für die CDU oft nur darum geht, das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern.

Auch das Verhältnis zu Henriette Reker ist nicht mehr ideal

Volt als Junior-Partner mit vier Sitzen im Rat ist mit dem Bündnis durchaus zufrieden und kann eigene Akzente setzen, wenn es etwa um Themen wie Bürgerräte oder Erleichterungen für die Gastronomie geht. Den Grünen steht Volt inhaltlich näher, in der CDU ist man immer wieder genervt von der fehlenden Erfahrung der Volt-Fraktion. An der kleinsten Bündnisfraktion jedoch wird die Zweckgemeinschaft keineswegs scheitern.

Die Arbeit mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker erlebt das Bündnis als zunehmend schwierig. Zunächst wurde Rekers Versuch, ihren Sprecher Alexander Vogel zum Amtsleiter des OB-Büros zu machen, vor allem von den Grünen als Affront wahrgenommen. Denn Vogel ist FDP-Mitglied. Mit Unverständnis wurde ein Brief wahrgenommen, den Reker an die Landtagsfraktionen von Grünen und CDU in die Verhandlungen für den neuen NRW-Koalitionsvertrag hinein schrieb, größtenteils unabgestimmt. Auch mit ihrem öffentlichen Vorwurf, der Stadtrat fasse zu viele Beschlüsse, kann kaum jemand etwas anfangen.

Partnerschaftlich kann das Verhältnis zwischen Oberbürgermeisterin und Ratsbündnis kaum noch genannt werden, aus der Grünen-Fraktion ist zu hören, dass man sich rückblickend womöglich doch gegen Reker als OB-Kandidatin hätte entscheiden sollen. Auch in der CDU gärt es in der Frage. Ob sich Henriette Reker, die Grünen und die CDU in den kommenden Jahren wieder näher kommen, darf ernsthaft bezweifelt werden.

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