Woelkis erste PressekonferenzKölner Kardinal hält Distanz zu Kirchenreformen

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Woelki Domforum

Kardinal Woelki im Domforum

Köln – Kardinal Rainer Woelki hat nach Beratungen über ein an den Papst gerichtetes Papier mit Reformwünschen aus dem Erzbistum Köln jede eigene inhaltliche Positionierung vermieden. Er sehe sich lediglich als Bote gefragt, der die zusammengefassten Voten aus einer Online-Umfrage authentisch und unverfälscht nach Rom tragen werde, sagte Woelki in der ersten Pressekonferenz nach seiner im März beendeten Auszeit.

Am Wochenende hatten sich nach Bistumsangaben 110 Vertreterinnen und Vertreter aus dem Erzbistum im Erzbischöflichen Berufskolleg (EBK) in Köln-Sülz für eine Zusammenfassung der insgesamt gut 5400 Beiträge getroffen, zu denen das Erzbistum in der Zeit von Anfang Februar bis Mitte März unter dem Motto „Sag’s dem Papst!“ aufgerufen hatte. Das Beschlusspapier der sogenannten Diözesansynodalen Versammlung soll nun der Vorbereitung einer Weltsynode dienen, die Papst Franziskus für 2023 einberufen hat.

Reformanliegen haben es in sich

Die Anliegen im Beschlusspapier als „Rückmeldung des Volkes Gottes im Erzbistum Köln“ haben es in sich: mehr Demokratie und Teilhabe aller in der Kirche, Abschaffung des Pflichtzölibats, Zugang zu den Weiheämtern für alle, Gleichstellung der Geschlechter, Überwindung von Diskriminierung und Doppelmoral sowie eine „Weiterentwicklung“ der katholischen Sexualmoral – das sind nur einige zentrale Forderungen.

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Für das Redaktionsteam sprach Bistumsreferent Frank Reintgen davon, es sei „etwas mit hohem Seltenheitswert, ja etwas Einmaliges in unserem Erzbistum gelungen“, nämlich eine offene, tabulose Kundgabe von Meinungen.

Tabulose Meinungsäußerungen „mit Seltenheitswert“

In einem eigenen Themenbereich der Umfrage konnten die Teilnehmenden auch zur Rolle Woelkis Stellung nehmen. Seine Rückkehr werde „mehrheitlich äußerst kritisch gesehen“. Die Rede ist von zerstörtem Vertrauen und einem „insgesamt fragwürdigen Umgang mit Krisen“. Erwartet werden unter anderem „ehrliche Schuldbekenntnisse“ mit personellen Konsequenzen und eine erneuerte Fehlerkultur. Wechsel müssten auch „in hohen Positionen möglich“ sein. Viel Kritik gab es auch an der von Woelki angestoßenen Gemeindereform mit einem Neuzuschnitt der Pfarreien.

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Studenten der Uni Köln protestieren stellvertretend für die Schülerschaft des Erzbischöflichen Berufskollegs in einer Bistumsveranstaltung gegen Repressionen und gegen Kardinal Rainer Woelki (erste Reihe links, dritter von rechts).

Woelki, der die Ergebnisse im Wesentlichen referierte, zeigte sich auf Nachfrage davon „berührt“, charakterisierte das Stimmungsbild aber auch als „Augenblickssituation“. Er nannte die Beteiligung an der Umfrage gut. Sie zeige, „wie viele Gläubige sich für die Zukunft unseres Erzbistums einsetzen möchten“. Das Beschlusspapier selbst drückt eher ein Ungenügen aus, besonders mit Blick auf die Mitwirkung nur weniger junger Menschen, deren Anteil an den Gesamtvoten lediglich 15 Prozent ausmachte.

Protest am Erzbischöflichen Berufskolleg unterdrückt

Zu einem von der Leitung des Erzbischöflichen Berufskollegs unterdrückten Protest aus der Schülerschaft gegen Woelki am Wochenende nahm der Kardinal selbst nur indirekt Stellung. Er habe von dem Konflikt zwischen Schulleitung und Schülervertretung (SV) erst am Sonntag erfahren. Das sei auch „nicht seine Baustelle“. Woelki kündigte ein Gespräch mit der zuständigen Hauptabteilungsleiterin Schule/Hochschule, Bernadette Schwarz-Boenneke, sowie eine Kontaktaufnahme des Synodenteams mit dem Schülerrat des EBK in dieser Woche an.

Der stellvertretende Leiter des EBK, Carsten Arntz, der jegliche Formen von Protest gegen Woelki in dessen „eigenem Haus“ strikt untersagt hatte, verwies auf Nachfrage an die Pressestelle des Erzbistums. Arntz sagte, er habe selbstverständlich eine Position, müsste aber jetzt „jedes Wort auf die Goldwaage legen“.

Woelki „zu 100 Prozent unbeteiligt“

Woelkis Sprecher Jürgen Kleikamp wollte den Vorgang insgesamt nicht kommentieren. Dies sei „eine Sache der Schule und ganz allein der Schule“. Der Kardinal selbst sei daran „zu 100 Prozent unbeteiligt“. In Bistumskreisen war am Montag einerseits von vorauseilendem Gehorsam der Schulleitung die Rede. Andererseits wurde von einer verunglückten Kommunikation gesprochen, mit der Arntz einen ohnehin vorhandenen Konflikt mit der Schülervertretung hochgekocht habe. Der Vize-Schulleiter habe wohl vermeiden wollen, dass Zwistigkeiten am EBK in die Diözesansynodale Versammlung überschwappten, für die das Kolleg nur Gastgeber war. Die von Arntz gewählten Formulierungen, dass es „im Haus des Kardinals“ in dessen Anwesenheit auf gar keinen Fall zu irgendwelchen Störungen kommen dürfe, seien „durchaus streitwürdig“. Schon am morgigen Dienstag soll es nun am EBK ein klärendes Gespräch zwischen den Beteiligten geben, ein weiteres – schon länger anberaumtes – soll am Freitag folgen. 

Missbrauch Hauptgrund für Vertrauenskrise

Das Beschlusspapier der Diözesansynodalen Versammlung zur Online-Umfrage führt als „kontinuierlich benanntes Anliegen“ auch die Überwindung der systemischen Zusammenhänge an, die den Missbrauchsskandal in der Kirche als „den“ Auslöser für die aktuelle Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise in der Kirche an. Hier weiterzukommen, gilt „als wichtigster Baustein für die Zukunftsfähigkeit der Kirche“. Als Dauerbrenner werden hier unter anderem nochmals „der Abbau von machtgeleiteter Hierarchie, monarchisch anmutenden Strukturen und Klerikalismus“ genannt.

Im gegenwärtigen Erscheinungsbild der Kirche beklagt das Papier „Einbahnstraßen-Kommunikation“, Klerikalismus, vorschnelles Moralisieren, nur simuliertes Zuhören und eine Atmosphäre der Angst. Sehr klar ist der Wunsch nach mehr Wertschätzung und offenem Dialog mit allen Menschen.

Traditionswahrer in der Minderheit

Insgesamt wird ein „großer Entwicklungs- und Veränderungsbedarf“ artikuliert. Eine „Öffnung der Kirche in ihren Haltungen und Denkweisen“ sei die Voraussetzung dafür, dass die Kirche den rasanten gesellschaftlichen Wandel mitgestalten und Menschen auch künftig Halt und Sinn geben könne.

Demgegenüber hätten nur „wenige Personen“ den mehrheitlichen Forderungen nach Öffnungen widersprochen und stattdessen für die Wahrung der kirchlichen Tradition und gegen einen „verwässerten Katholizismus“ plädiert.

Sorge vor „Kultur der Folgenlosigkeit“

In der Zusammenfassung formuliert das Papier zum einen die Wahrnehmung, dass sich in der Kirche trotz immer wieder gleicher Forderungen nur wenig oder gar nichts verändere. „Wir haben Angst, dass auch im Zuge der Weltsynode nichts passiert und sich die Kultur der Folgenlosigkeit fortsetzt“. Den vielen Papieren müssten Taten folgen, heißt es weiter.

Zum anderen wird die Erwartungen formuliert, dass schon die Ergebnisse des derzeit laufenden „Synodalen Weges“ in Deutschland „praktische Konsequenzen im Erzbistum Köln“ haben müssten. „Um im Erzbistum Köln Veränderungen zu erreichen, bedarf es einer nachhaltigen, auch personellen Erneuerung und einer Veränderungsbereitschaft auch von oben.“

Woelki will Papier in Rom vorlegen

Woelki will das Beschlusspapier nach eigenen Worten nicht nur an die Deutsche Bischofskonferenz, sondern auch an die zuständigen Stellen in Rom übermitteln. Zu seiner persönlichen Auffassung wie auch zu den Aussichten auf Umsetzung der Reformrufe äußerte er sich nur indirekt: Was davon die Chance auf Verwirklichung habe, könne er „leider nicht sagen“, so Woelki.

Die aus Deutschland kommenden Reformrufe müssten sich „zunächst im europäischen Kontext positionieren“, erläuterte der Kardinal. Wenn die Anliegen dann auch in anderen Kontinenten „so eindeutig und klar diskutiert“ würden, bestünde Aussicht auf Behandlung in der Synode. Es sei „kein Geheimnis“, dass er persönlich nicht mit allem übereinstimme. Er werde aber am Ende „selbstverständlich“ alles übernehmen, was „universalkirchlich festgelegt werden wird“. Beobachter interpretierten dies als kaum verhohlene Erwartung, dass die weitgehenden Reformforderungen aus Deutschland weltkirchlich kaum oder gar keinen Widerhall bei der Mehrheit der Synodenteilnehmer finden werden.

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Auf Bistumsebene stellte Woelki die Möglichkeit in Aussicht, dass Laien verstärkt in die Gemeindeleitung einbezogen werden sollten und künftig auch Sonntagsgottesdienste leiten dürften. Eine – von anderen Bischöfen veranlasste – Aussetzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen, die kirchliche Bedienstete bei Wiederheirat nach Scheidung oder Schließung einer gleichgeschlechtlichen Ehe mit der Kündigung bedrohen, hält Woelki nach eigenen Worten im Erzbistum Köln für unnötig. Er rechne mit einer Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts auf nationaler Ebene noch in diesem Jahr.  

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